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10.10.2020 | 06:30 | Pandemie 

Wie deutsche Großstädte gegen Corona kämpfen

Berlin / Frankfurt/Main / Hamburg - Täglich steigt die Zahl neuer Corona-Infektionen - und das besonders in Großstädten und Ballungsregionen. Nun hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Verantwortlichen der elf größten deutschen Städte getroffen.

Anti-Corona-Strategie
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Die Corona-Infektionszahlen steigen fast überall in der Bundesrepublik, besonders auch in Großstädten. Kanzlerin Merkel hat deshalb dazu am Freitag mit mehreren Oberbürgermeistern gesprochen. Experten warnen. (c) proplanta
An der Videokonferenz nahmen die Oberbürgermeister und Bürgermeister von Berlin, Hamburg, Bremen, München, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf, Dortmund, Essen, Leipzig und Stuttgart teil.

Hier einige wichtige Fragen und Antworten:

Wie sieht die Corona-Situation in den größten deutschen Städten aus?

In vielen deutschen Städten steigen die Ansteckungszahlen. Zuletzt hatten Berlin, Bremen und Frankfurt mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in den letzten sieben Tagen registriert. In Frankfurt betrug dieser Inzidenzwert am Freitag 55,9. Gleich jenseits der Stadtgrenze, in der Nachbarstadt Offenbach, betrug der für die Entwicklung der Pandemie wichtige Schwellenwert sogar 65,8.

Auch die Millionenstadt München hatte vor kurzem schon einmal eine höhere Zahl berichtet, Köln und Essen lagen zuletzt noch knapp unter der Schwelle. An der Entwicklung in den Ballungsräumen zeige sich, «ob wir die Pandemie in Deutschland unter Kontrolle halten können oder ob uns die Kontrolle entgleitet», sagte Merkel.

Warum ist gerade dieser Grenzwert von 50 wichtig?

Auf diesen Warnwert haben sich die Bundesländer verständigt, um dann auf die Pandemie reagieren zu können. Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz - also die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen - soll die Entwicklung der Pandemie regional vergleichbar machen.

Wie reagieren die Städte auf die steigenden Infektionszahlen?

Merkel und die Stadtoberhäupter beschlossen, dass spätestens wenn der Wert auf 50 Infektionen steigt, die Städte umfangreiche Beschränkungen einführen sollen. Dazu gehört etwa die Erweiterungen der Mundschutz-Pflicht auf den öffentlichen Raum, wenn dort der nötige Abstand nicht eingehalten werden kann.

Genannt werden auch Sperrstunden und Alkoholbeschränkungen für Gastronomiebetriebe sowie weitergehende Beschränkungen der Teilnehmerzahlen von Veranstaltungen und private Feiern.

Maßnahmen sind eine Sache - doch wie steht es mit der Durchsetzung?

Die Metropolen sollen ihre Ordnungsämter so entlasten, dass sie die Beschränkungen kontrollieren können, hieß es am Freitag nach dem Gespräch der Bundeskanzlerin mit den Oberbügermeistern der größten Städte.

Bund und Länder sollen kurzfristig darüber beraten, wie auch Bundespolizei und Länderpolizeien helfen können. Kommt der Anstieg der Infektionszahlen nicht spätestens nach zehn Tagen zum Stillstand, seien weitere Beschränkungsschritte unvermeidlich.

Gibt es Unterstützung für die Städte?

Die Bundeswehr und das Robert Koch-Institut sollen künftig auf Wunsch Experten in Corona-Hotspots schicken. Das gilt laut der am Freitag getroffenen Vereinbarung der Bundeskanzlerin mit den Bürgermeistern, wenn in sieben Tagen mehr als 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner registriert wurden.

Warum machen nun gerade die Städte Sorgen?

Mittlerweile sind nicht mehr hauptsächlich Reiserückkehrer für steigende Corona-Zahlen verantwortlich, sondern die Gesundheitsämter beobachten viele Ansteckungen innerhalb von Deutschland. Auch wenn es immer wieder zu erhöhten Infektionszahlen durch Ansteckungen bei großen Familien- oder Firmenfeiern, in Großbetrieben oder in Gemeinschaftsunterkünften kam, ist der Anstieg der Infektionszahlen mittlerweile häufig nicht mehr auf solche Einzelereignisse zurückzuführen.

In Berlin führte das Robert Koch-Institut in seinem Lagebericht am Donnerstag die steigenden Zahlen auch auf junge, international Reisende und Feiernde zurück, «die sich unterwegs bzw. auch auf Partys anstecken und diese Infektionen dann in ihren Haushalten und Familien verbreiten».

«Für den Einzelnen gibt es in den Städten in der Regel kein spezifisches, zusätzliches Risiko, wenn die bekannten Regeln eingehalten werden», betonte der Frankfurter Gesundheitsdezernent Stefan Majer. «Hotspots hat es und wird es auch außerhalb der großen Städte geben, wie wir in Ischgl, Heinsberg oder Gütersloh gesehen haben.»

Spezifisch an den Städten sei die Vielzahl an ungeregelten Freizeitaktivitäten, die ohne das nun erforderliche Verantwortungsbewusstsein oder die Solidarität mit den besonders gefährdeten Menschen eine gefährliche Eigendynamik bekommen könnten.

Die in den Großstädten konzentrierten Arbeitsplätze oder die vielen Einkaufsmöglichkeiten und öffentlichen Verkehrsmittel seien hingegen meistens stark reguliert und damit kein Risikofaktor, wenn die Regeln eingehalten würden.

Sicherlich spielt die großstädtische Enge eine gewisse Rolle. Die Menschen können sich dort nicht so aus dem Weg gehen wie in ländlichen Gebieten, etwa, wenn sie Busse, U-Bahnen oder Busse nutzen müssen. Nicht zuletzt wird es in den Städten immer schwieriger, bei stark steigenden Zahlen die Infektionsketten nachzuverfolgen - die Gesundheitsämter könnten da schnell an ihre Grenzen kommen.

Zudem gebe es einen starken Anstieg «von Infektionen bei Menschen, wo sie selbst und auch wir nicht wissen, wo das passiert ist», sagte der Offenbacher Oberbürgermeister Felix Schwenke. Auch Städtetagspräsident Burkhard Jung sagte der dpa: «Ob es gelingt, die zweite Corona-Welle zu bremsen, wird sich in den nächsten Wochen in den großen Städten entscheiden.»

Wie sehen Experten derzeit die Lage?

Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, zeigt sich besorgt über die steigenden Zahlen. «Es ist möglich, dass sich das Virus unkontrolliert verbreitet», sagte er. Denn dann drohen nach Einschätzung der Experten neue Engpässe in den Krankenhäusern - wenn mit steigenden Corona-Zahlen auch die Zahl schwer kranker Corona-Patienten zunimmt. Viele Krankheitsverläufe sind derzeit noch mild - das kann sich aber ändern, wenn vermehrt ältere Menschen an Covid-19 erkranken.

Warum hat sich die Kanzlerin direkt eingeschaltet?

Die Bundesregierung hat einen Blick darauf, welche Tendenzen es bei größeren Ausbrüchen gibt. Im Sommer waren es meist Fälle mit klar umrissenem Rahmen: in Schlachthöfen oder nach großen Feiern. Nun gebe es «sprunghaft ansteigende Zahlen, insbesondere in einigen Großstädten, die eben nicht mehr einem einzelnen Ausbruchsgeschehen zuzuordnen sind», erläuterte Regierungssprecher Steffen Seibert. Und das lasse befürchten, dass es zu einer weiteren diffusen Verbreitung kommen könne. Merkel wies auch schon selbst auf «Handlungsbedarf» hin, als sich einzelne Berliner Bezirke kritisch entwickelten.
dpa
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