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07.11.2012 | 19:54 | Jahresgutachten Sachverständigenrat 

Wirtschaftsweise fordern härteren Sparkurs von Koalition

Berlin - Die Wirtschaftsweisen haben die schwarz-gelbe Bundesregierung zu einem konsequenten Spar- und Reformkurs aufgefordert. Scharfe Kritik übten die Regierungsberater in ihrem neuen Jahresgutachten an den jüngsten Koalitionsbeschlüssen.

Geld
(c) proplanta
«Das Betreuungsgeld lehnen wir ab», sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Wolfgang Franz, am Mittwoch bei der Vorlage des Gutachtens in Berlin. Auch Pläne für eine Zuschussrente oder die Abschaffung der Praxisgebühr gingen in die falsche Richtung.

Den Vorstoß von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für einen starken EU-Währungskommissar mit weitreichenden Kompetenzen sehen die Ökonomen sehr skeptisch. Sie plädieren mehrheitlich stattdessen für eine Reform des Maastricht-Vertrages. Die weitere wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland beurteilen die Weisen zurückhaltender als die Bundesregierung. Den Tiefpunkt der Konjunkturabkühlung erwarten sie Ende des Jahres. 2013 gehe es dann langsam aufwärts.

Bei der Übergabe des 450 Seiten starken Gutachtens an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte Franz, die Architektur Europas müsse gefestigt werden. «Zum anderen besteht weiterhin im Inland wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf, beispielsweise in der Energiepolitik, im Gesundheitssystem und im Steuersystem.»

Merkel betonte, sie teile das Gutachten nicht in allen Punkten. Deutschland stehe in einem Spannungsfeld: Einerseits solle die Schuldenbremse schon 2013 und damit drei Jahre früher als nötig eingehalten werden. Zugleich werde Deutschland vorgeworfen, zu stark zu sparen und der Weltwirtschaft Wachstumsimpulse entziehen. «In diesem Spannungsverhältnis versuchen wir immer, den Weg zu finden.»

Zur Debatte über Kompetenzabgabe in der EU sagte Merkel: «Auch wir wollen keine Zentralisierung der wirtschaftspolitischen Steuerung.» Es seien mehr Absprachen nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit der Länder anzugleichen. «Wir sehen aber, dass das die Nationalstaaten in eigener Hoheit machen müssen, weil wir auf absehbare Zeit für die dafür wichtigen Indikatoren weder eine Vergemeinschaftung wünschen noch eine Vergemeinschaftung bekommen würden.»

In seinem Gutachten warnt der Sachverständigenrat davor, bereits umgesetzte Reformen wie die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes oder die Rente mit 67 wieder zurückzunehmen - oder zu verwässern. In der Krankenversicherung fordern sie einen einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbetrag. Die Experten verlangen zudem einen Umbau der Ökostromförderung, eine Unternehmensteuerreform sowie eine «spürbare Beitragssatzsenkung» in der Kranken- und Rentenversicherung.

Die Konjunktur wird nach der Prognose der Sachverständigen weiter schwach bleiben. Die Experten sagen für 2012 und 2013 ein Wachstum von je 0,8 Prozent voraus. Die Bundesregierung rechnet 2012 ebenfalls mit 0,8 Prozent, für 2013 aber mit 1,0 Prozent. In der Eurozone steht Deutschland bei der Konjunkturentwicklung noch recht gut da. Im laufenden Jahr wird die Wirtschaft im Währungsraum laut Prognose der EU-Kommission um 0,4 Prozent schrumpfen, für das nächste Jahr wird in Brüssel eine de-facto-Stagnation von plus 0,1 Prozent angenommen.

Die Wirtschaftsweisen gehen zudem davon aus, dass Deutschland 2012 vor allem dank des Milliardenpolsters der Sozialkassen einen Überschuss ausweisen wird. Weitere Sonderfaktoren seien steigende Steuereinnahmen und weniger Zinskosten. «Da Bund und Länder nicht dauerhaft auf Sonderfaktoren und eine günstige konjunkturelle Entwicklungen bauen können, und zudem demografisch bedingte Mehrausgaben auf den öffentlichen Gesamthaushalt zukommen, ist deutlich mehr Ehrgeiz bei der Konsolidierung notwendig.»

Bei der Stabilisierung der Euro-Zone bescheinigen die Berater der Politik zwar Fortschritte. «Trotz dieser Lichtblicke darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es aktuell die Europäische Zentralbank ist, die mit ihren unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen das europäische Finanzsystem stabilisiert und einen bedeutenden Beitrag zur Stützung der Banken leistet», warnte Franz. Dies sei aber allenfalls eine Notlösung. «Auf keinen Fall darf dies zu einem dauerhaften Stabilisierungsmechanismus werden.»

Die Wirtschaftsweisen schlagen ein «Maastricht 2.0»-Konzept vor, bei dem die Fiskal- und Wirtschaftspolitik weitgehend in nationaler Souveränität bleibt. Ein starke EU-Instanz als Alternative erfordere glaubwürdige Durchgriffsrechte. «Diese stehen nicht zur Verfügung.» Es sei auch unwahrscheinlich, dass sie verbindlich verankert werden. (dpa)
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