Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
09.08.2021 | 03:47

Über 3,7 Milliarden Euro Flutschäden im Kreis Ahrweiler

Hochwasserschäden
Dass die Flutschäden im Ahrtal immens sind, ist längst klar. Nun liegt eine erste Schätzung des stark zerstörten Kreises Ahrweiler vor. In Mainz könnte schon bald ein Untersuchungsausschuss zu der Katastrophe auf den Weg gebracht werden. (c) proplanta

Kleine erste Lichtblicke nach der Zerstörung im Ahrtal



Tonnen von Müll und Unrat sind weggeschafft, erste Behelfsbrücken stehen, Strom gibt es auch wieder. Dennoch herrscht im Ahrtal Wochen nach der Hochwasserkatastrophe immer noch Ausnahmezustand.


Rund dreieinhalb Wochen nach der zerstörerischen Hochwasserkatastrophe hat sich das Ahrtal aus dem großen Schlamm gekämpft. Tausende Einsatzkräfte und Helfer haben unzählige Lastwagen mit Müll und Unrat abtransportiert, Häuser entkernt, Bürger versorgt und die Strom- und Trinkwasserversorgung in Teilen wieder hergestellt. Dennoch stehen die rund 42.000 betroffenen Bürger noch ganz am Anfang - der Wiederaufbau wird Jahre dauern, sind sich Experten und Politiker sicher.

«Es geht weiterhin darum, zu räumen, Ölentsorgung und die Lage bei der Bevölkerung zu stabilisieren», sagte der Leiter des Krisenstabes des Landes für das Ahrtal, Thomas Linnertz. Und meint damit auch: Versorgung mit Essen, Unterkunft, Kraftstoff und Kleidung. Prekär sei die Lage immer noch in der Verbandsgemeinde Altenahr. «Dort hat es die größten Zerstörungen gegeben an den privaten Häusern, aber auch an der Infrastruktur», sagte Linnertz.

Extremer Starkregen hatte am 14. und 15. Juli an der Ahr im Norden von Rheinland-Pfalz eine Flutwelle ausgelöst und weite Teile des Tals unter Wasser gesetzt. Mehr als 140 Menschen starben, mehr als 750 wurden verletzt. Der entstandene Schaden wird auf Milliarden geschätzt. Wie ist der Stand der Dinge in einzelnen Bereichen?

Infrastruktur

Neben 60 Brücken, die bei dem verheerenden Hochwasser kaputtgegangen sind, sind zahlreiche Straßen zerstört worden. Viele sind noch gesperrt. «Da herrscht noch Chaos», sagte die Sprecherin des Landesbetriebs Mobilität Rheinland-Pfalz in Koblenz. Man sei noch bei der Schadensaufnahme, neu gebaut werde noch nicht. Es könne sein, dass manche Straßen nach dem Aufräumen, wenn sie nicht beschädigt seien, freigegeben würden. Es liefen noch Aufräumarbeiten.

In Bad Neuenahr-Ahrweiler ist bereits vom Technischen Hilfswerk (THW) eine Behelfsbrücke gebaut worden, fünf weitere im Ahrtal hat das THW in der Planung. Hinzu kommen mehrere Ersatzbrücken, die federführend von der Bundeswehr errichtet werden. Allein der Kreis Ahrweiler schätzte den dort an kommunalen Einrichtungen insgesamt entstandenen Schaden in einer Mitteilung vom Samstag auf mehr als 3,7 Milliarden Euro. Dies betreffe unter anderem Teile der Infrastruktur, Schulen, Kindertagesstätten und Sportanlagen.

Medizinische Versorgung

Laut Krisenstab sind im Kreis Ahrweiler bereits gut 60 Hausarztpraxen wieder geöffnet. Knapp 20 Praxen seien aber noch nicht am Start, arbeiteten aber daran, teilte eine Sprecherin mit. «Es sind sehr viele, die stark betroffen waren.» Die medizinische Versorgung sei auf jeden Fall gewährleistet. «Klar ist aber, es ist noch nicht alles wie vorher.»

Bereits geöffnet seien auch 14 Apotheken, hinzu kommen laut Sprecherin 6 Zahnarztpraxen. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) betreibt außerdem 3 mobile Arztpraxen in Ahrweiler, Kalenborn und Rech. «Sie werden nach wie vor sehr gut angenommen», sagte eine DRK-Sprecherin. In Ahrweiler gebe es nach wie vor mehr als 100 Versorgungen am Tag. Stark gefragt seien weiterhin Tetanus-Impfungen.

Das Krankenhaus in Bad Neuenahr-Ahrweiler sei derzeit noch in einem Notbetrieb, plane aber von Mitte des Monats an eine Normalisierung des Betriebs, hieß es vom Krisenstab. Wichtige Untersuchungen wie Computertomographie und Laborauswertungen seien die ganze Zeit über erfolgt.

Soforthilfen

Es gibt drei Töpfe für Soforthilfen des Landes: für die Kommunen, für Privathaushalte und für Unternehmen. Aus dem auf mittlerweile 60 Millionen Euro aufgestockten Topf für die Kommunen sollen Gemeinden Eilaufträge etwa zur Reparatur von Straßen, Kommunikation, Kanalisation, zur Beseitigung der Trümmer- und Abfallberge und zur Versorgung der Bevölkerung finanzieren. «Die Bewilligungsbescheide sind bereits versandt», teilte das Innenministerium mit.

An Bürger in dem von der Hochwasserkatastrophe besonders stark betroffenen Landkreis Ahrweiler sind nach letzten Informationen, die dem Innenministerium vorliegen, bislang 18,8 Millionen Euro bei rund 9.200 Anträgen ausgezahlt worden. Pro Haushalt kann diese Soforthilfe bis zu 3.500 Euro betragen, insgesamt sind dafür zunächst 30 Millionen Euro vorgesehen. Dazu kommt ein weiterer Topf für Unternehmen mit 25 bis 30 Millionen Euro. Der Bund beteiligt sich mit 50 Prozent an der Soforthilfe.

Psychologische Betreuung

Für die psychosoziale Unterstützung von Betroffenen und Helfern der Flutkatastrophe hat das Land mehrere Hotlines eingerichtet. Da geht es unter anderem um die Vermittlung von Traumatherapieplätzen und Akuthilfe am Telefon. Die stationäre Notfallversorgung für Erwachsene mit psychischen Erkrankungen aus dem Kreis Ahrweiler hat die Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach bis auf weiteres übernommen.

Für die stationäre Notfallversorgung von Kinder- und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen aus den Landkreisen Bad-Neuenahr Ahrweiler und Cochem-Zell sowie den Verbandsgemeinden Andernach, Mendig, Pellenz, Vordereifel und die Stadt Mayen im Landkreis Mayen-Koblenz ist vorläufig das Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie Neuwied zuständig. Außerdem sind Schulpsychologinnen und -psychologen mit der Beratung Hilfesuchender im Einsatz. Hessen hat die Entsendung von schulpsychologische Kriseninterventionsteams angeboten, Hilfe haben auch das Saarland, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein zugesagt.

Kreative Ideen

Die gibt es bei den Betroffenen. Wie zum Beispiel bei Sandra Theisen. Ihr Friseursalon war bei der Hochwasserkatastrophe in Dernau an der Ahr völlig zerstört worden - jetzt macht sie in einem «Friseurcontainer» weiter.

«Wir haben ihn in Kalenborn auf der Reitanlage aufgestellt und er wird sehr gut angenommen», sagte sie. Dort wäscht, schneidet und föhnt sie ihren Kunden die Haare - gemeinsam mit ihrem Kollegen Sascha Wiegand. «Es nützt ja nichts. Nach dem ersten Schock haben wir halt überlegt, was wir machen können. Es muss ja weitergehen», sagt Theisen.

In dem Container sind Waschbecken und Plätze zum Haareschneiden eingerichtet. «Wir können den Container für ein Jahr mieten.» In der Zwischenzeit werde sie überlegen, wie es weitergehen soll. «Ich weiß nicht, ob ich den Laden wieder an selben Standort aufmachen werde», sagt Theisen. Weil auch ihr Wohnhaus betroffen war, wohnt sie zurzeit in einer Ferienwohnung. «Zum Glück bekommen wir viel Zuspruch von den Kunden. Das baut auf.»
dpa/lrs
zurück
Seite:1234
weiter
Kommentieren

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 In China sackt vielerorts der Boden ab

 Winterhochwasser bereiten Landwirtschaft weiter Probleme

 Ermittlungsakte zur Flutkatastrophe an der Ahr geschlossen

 Nach Regen in Dubai irreführender Fokus auf Wolkenimpfung

 Ermittlungen zur Ahrflut eingestellt

  Kommentierte Artikel

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet