«Der Umsatz wächst kontinuierlich, und auch die Zahl der Beschäftigten», sagte Bauernpräsident Gerd
Sonnleitner am Mittwoch vor der weltgrößten Agrarmesse
Grüne Woche in Berlin. Auf 2012 blicke die deutsche Landwirtschaft «mit einem gesunden Selbstbewusstsein».
Angesichts anhaltender Kritik an der Massentierhaltung kündigte Sonnleitner Verbesserungen an. «Eingriffe am Tier sollen nach Möglichkeit unterbleiben.» Der Einsatz von
Antibiotika gehe zurück, müsse bei kranken Tieren aber möglich bleiben. Die Grüne Woche beginnt an diesem Freitag.
Die wirtschaftliche Situation der Bauerfamilien habe sich deutlich verbessert, sagte Sonnleitner. Schweinemäster, Ferkelerzeuger, Obst- und Gemüseproduzenten hätten aber noch Schwierigkeiten. Optimistisch stimmt die Landwirte neben Exporterfolgen und gestiegenen Preisen, dass der Einzelhandel Lebensmittel «nicht mehr mit uneinsichtiger Aggressivität verschleudert.»
Nach zwei Krisenjahren haben die deutschen Bauern insgesamt wieder besser verdient. Der Gewinn, der als durchschnittliches Einkommen je Arbeitskraft gemessen wird, stieg 2010/2011 auf 30.200 Euro nach 22.500 Euro im Jahr zuvor.
Sonnleitner kündigte besseren Tierschutz an: «Wir wollen weg von der Ferkelkastration, vom Schnäbelkürzen bei Geflügel.» Das gehe aber nicht von heute auf morgen, erst müssten neue Zuchtlinien und Fütterungsverfahren entwickelt werden.
In den vergangenen Tagen hatte es wachsende Kritik unter anderem daran gegeben, dass Studien zufolge zahlreiche Masttiere mit Antibiotika behandelt werden. Über den Verzehr von Lebensmitteln können Menschen Keime aufnehmen, die gegen Antibiotika unempfindlich sind. Das kann dazu führen, dass die Arznei auch bei ihnen nicht anschlägt.
Bundesverbraucherministerin Ilse
Aigner (CSU) sagte: «Die Lebensmittel sind sehr sicher.» Die Standards seien hoch, das Netz der Kontrollen dicht. «Aber hundert Prozent Sicherheit kann - genauso wie im Straßenverkehr - niemand garantieren», sagte sie den «Ruhr- Nachrichten» (Mittwoch).
Die Verbraucherzentralen fordern dagegen eine schlagkräftigere Überwachung auch des wachsenden Online-Handels. Eine Neuorganisation der Kontrollen weg von der föderalen Kleinstaaterei sei überfällig, sagte Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Das Internet finde nicht auf kommunaler Ebene statt, die aber für Kontrollen zuständig sei. Nach Angaben des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure fehlen bundesweit rund 1.500 Fachleute.
Der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Jürgen Abraham, sagte, seine Branche brauche einwandfreie Produkte von der Landwirtschaft. Das betreffe auch den Tierschutz und Fremdstoffe in Tieren. «Ich nehme die Botschaft auf, dass daran intensiv gearbeitet werden muss.»
Die Ernährungsbranche hatte 2011 ihren Umsatz von 150 Milliarden auf 162 Milliarden Euro gesteigert. Knapp ein Drittel entfiel auf den Export, wie Abraham sagte. Ausfuhren würden wichtiger, schon weil die Bevölkerung Deutschlands sinke und damit der Heimatmarkt schrumpfe. Große Chancen werden in China und Indien gesehen. Die Agrarexporte erreichten 2011 rund 59 Milliarden Euro (plus 10 Prozent).
Die Branche steht aber unter dem Druck gestiegener und stark schwankender Rohstoffpreise, wie Abraham sagte. Er bekräftigte seine Ankündigung, dass die
Lebensmittelpreise 2012 um 3 bis 4 Prozent steigen dürften. Im vergangenen Jahr seien es 2,8 Prozent gewesen.
Die Grüne Woche beginnt am Freitag in Berlin. Bis zum 29. Januar zeigen 1.624 Aussteller aus 59 Ländern Produkte aus Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft und Gartenbau. Die Ausstellerzahl liegt damit etwas niedriger als im Vorjahr (1632). Den Schwerpunkt sieht Messe- Geschäftsführer Christian Göke in diesem Jahr in der Regionalität.
Ein Bündnis aus Bauern, Verbraucher- und Umweltverbänden will am Samstag im Berliner Regierungsviertel gegen die «Agrarindustrie» demonstrieren. Für Aigner schlagen sie «Schlachten von vorgestern.» Die Branche habe sich zugunsten von Verbrauchern und Umwelt geändert.
Die Anreize für Bauern, auf Ökolandbau umzustellen, sind nach einer Studie jedoch sehr ungleich verteilt. Die besten Anreize bietet Bayern, gefolgt von Baden-Württemberg und Sachsen, wie aus einer Analyse des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (
BÖLW) hervorgeht. Schlusslicht ist demnach Schleswig-Holstein, davor liegen Brandenburg und das Saarland. (dpa)