(c) Elwynn - fotolia.com Wenn es nach ihm ginge, würde es auch so bleiben. Denn dort wuchs er auf, lernte vor 60 Jahren seine Frau Zilda (80) kennen, die 16 Kinder zu Welt brachte. Damals war noch keine Rede von einem Schutzreservat für Indianer, mit denen der Reisbauer und Viehzüchter nach eigenen Worten Zeit seines Lebens nie Probleme hatte. Doch die Tage des alten Ehepaares im Reservat «Raposa (Fuchs)/Serra do Sol» sind gezählt, seitdem das Oberste Gericht im März den Abzug der Reisfarmer anordnete. Die Frist läuft in der Nacht zum Freitag aus. Doch Adolfo und Zilda haben ihre Koffer noch nicht mal gepackt.
Man sieht Adolfo ein Leben voller Arbeit an. Das zerfurchte Gesicht ist von der Sonne gegerbt, die immer noch dichten Haare sind schneeweiß, die Hände groß und schwer, graue Bartstoppeln am Kinn. Zilda, seine Frau, ist zierlich und zwei Köpfe kleiner als er. «Hier ist mein zu Hause, der Platz, den ich liebe, wo ich bleiben will, wo meine Kinder leben», sagte der Farmer. Er versteht nicht, warum er und auch die anderen - viel reicheren Farmer - das Reservat verlassen müssen. Er habe sich immer gut verstanden mit den Indianern, sagte der 82-Jährige örtlichen Medien. Raposa grenzt an Venezuela, ist mit 1,7 Millionen Hektar größer als Thüringen und eines der größten Indianerreservate Brasiliens.
Das endgültige Urteil fiel am 19. März. Das Oberste Gericht Brasiliens entschied, dass das Reservat ausschließlich von den 18.000 Indianern, darunter Ethnien der Macuxi, Wapichana und Patamona, genutzt werden darf. Damit werde eine «historische Schuld» beglichen, sagten die Richter. Was Indianer und regierungunabhängige Verbände nach jahrzehntelangem Kampf als «historischen Sieg» feierten, stieß den rund 50 nicht-indigenen Farmerfamilien bitter auf. Einer der exponiertesten und zugleich umstrittensten Gegner des exklusiven Indianer-Reservates ist der Reis- und Soja-Baron und Ex-Bürgermeister des Ortes Pacairama, Paulo César Quartiero. Er siedelte 1976 in dem Gebiet an, wo er 9000 Hektar bearbeitete. Er will sich dem Urteil beugen, warf der Regierung aber «Staatsterrorismus» vor.
In seinem Kampf gegen die Anerkennung von Raposa war er nicht zimperlich. Immer wieder kam es zu gewaltsamen Zwischenfällen, zwei Mal wurde Quartiero deshalb verhaftet und im vorigen Jahr drohte er, dass jeder Indianer, der auf sein Grundstück eindringe, «eine Kugel bekommt». Allerdings waren nicht alle Indianer für den Abzug der Reisfarmer, denn viele werden jetzt ihre Arbeit verlieren. Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva hatte die Schutzbestimmungen für das Reservat schon im Jahr 2005 für rechtskräftig erklärt. Nach der jüngsten Entscheidung haben die Farmer ihren Widerstand aufgegeben.
Die Frist von nur rund einem Monat war einigen Plantagen-Besitzern zu knapp. Sie werden auch nach dem 30. April noch im Reservat sein. Die Länder gehören dem Staat und sollen der indogenen Bevölkerung erst nach dem völligen Abzug der Farmer zur Nutzung übergeben werden. Seit Wochen verlassen Lkws beladen mit schwerem landwirtschaftlichen Gerät und Rindern das Reservat. «Mehr als 100 Lkw-Fuhren haben wir schon nach Boa Vista (Hauptstadt von Roraima) gebracht», sagte Quartiero. Dennoch reiche die Zeit nicht. Bis zum Abschluss werde es mindestens bis Juni dauern.
Viel Verwertbares will er nicht hinterlassen. Alles wird ausgebaut und aufgeladen: Türen und Fenster, Dachziegeln und Eisenträger. Mauern werden eingerissen, verwertbare Steine verstaut. Töpfe, Kannen, Eimer, Öfen - alles geht mit. «Wir haben verloren», räumt der Farmer resigniert ein. «Aber wir gehen erhobenen Hauptes.» Für das alte Ehepaar Adolfo und Zilda Esbell bleibt die Zukunft noch ungewiss. Die Regierung hat ihnen 280 Hektar Fläche außerhalb des Reservats angeboten - 200 Kilometer entfernt von ihrem Zuhause. «Das ist kein Ort für mich», wehrt sich Adolfo weiter. (dpa)
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