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24.10.2011 | 12:50 | Agrarmärkte KW 42 

Getreide-Terminmärkte ohne größere Ausschläge - aber Kapitalabzug

Wien - Die Terminmärkte für Agrarrohstoffe in den USA und in Europa durchliefen eine ziemlich ereignislose Woche mit geringen Kursbewegungen.

Agrarmarkt-Informationen
(c) proplanta
Die Schlusskurse des November-Weizenfutures an der Pariser Euronext bewegten sich in einer Bandbreite von EUR 1,50 zwischen EUR 184,50 und 186,- pro t. Fundamental wurden die Weizenkurse in den USA von Trockenheit in den Great Plains, dem Anbaugebiet des Hard Red Winter, etwas gestützt, während auf der anderen Seite die Getreideausfuhren aus der Ukraine mit der Aufhebung der Exportsteuern auf Weizen und Mais ab dem 22.10.2011 vor dem Durchstarten stehen und eine besser Versorgung des Weltmarktes mit billiger Ware erahnen lassen. Eine möglicherweise tiefergreifende Wende auf den Märkten könnte sich dadurch abzeichnen, dass Investmentfonds sowohl an der Pariser Euronext als vor allem auch an den US-Terminbörsen zuletzt massiv Kapital aus den Rohstoffmärkten abzuziehen begannen. Sie sehen offensichtlich eine Deflation der Rohstoffpreise als Folge der Verlangsamung des Wachstums in China und der europäischen Schuldenkrise als Schlüsselrisiko für die Weltwirtschaft.
 
Laut der US-amerikanischen Börsenaufsicht, der Commodity Futures Trading Commission CFTC, hielten Fonds zurzeit mit 47.700 Kontrakten den niedrigsten Bestand an Netto-Longpositionen von Futures und Optionen auf Getreide seit dem Juli 2010 - im Vormonat waren sie netto noch mit 675.000 Kontrakten long. Ähnlich an der Pariser Euronext: Hier gingen die Investoren am Dienstag zwar 75.000 offene Positionen beim Weizen ein, doch schienen sie damit vor dem Auslaufen der Optionen auf den November-Weizenfutures durch Short Covering offene Verkaufspositionen abdecken zu wollen. Denn es folgte am Mittwoch postwendend eine Bereinigung dieser offenen Positionen und ein Abbau der offenen Netto-Positionen um 23.000 Kontrakte - also auch von der Euronext wurde massiv Kapital abgezogen. 

 
Beschränkung spekulativer Warentermingeschäfte in Diskussion 
 
Die CFTC plant übrigens in einem Gesetzesentwurf, der sogenannten Dodd-Frank-Bill, an der sie seit Monaten arbeitet, eine stärkere Regulierung des Terminhandels mit Agrarrohstoffen. Unter anderem soll darin eine Limitierung der Positionen vorgeschlagen werden, das heißt, dass die Zahl der Kontrakte, die von einem einzelnen Marktteilnehmer gehalten werden dürfen, begrenzt wird. Das Gesetz könnte aber erst frühestens Mitte 2012 verabschiedet werden. Laut agrarzeitung.de seien solche Positionslimits auch in Deutschland ein Thema, um den Einfluss von spekulativen Investoren zu begrenzen. Außerdem stehen die Registrierung kommerzieller wie nicht-kommerzieller Händler, ein Transaktionsregister sowie Preislimits zur Begrenzung täglicher Schwankungen zur Diskussion.

Zuletzt zogen ja Organisationen wie Foodwatch gegen Finanzanleger auf den Agrarterminmärkten, wie die Deutsche Bank (DB), zu Felde und bezeichneten sie als "Hungermacher", weil sie die Nahrungsmittelpreise in die Höhe trieben. DB-Chef Josef Ackermann teilte Foodwatch daraufhin schriftlich mit, sein Haus prüfe den Ausstieg aus Spekulationsgeschäften mit Agrarrohstoffen. "Sollten sich dabei ausreichende Belege dafür finden, dass diesbezügliche Aktivitäten der Bank die von Ihnen beschriebenen Auswirkungen haben könnten, werden wir entsprechende Konsequenzen ziehen", so Ackermann. 

 
Experten sehen dem Preisabsicherungsinstrument für Landwirte Salz in der Suppe entzogen 
 
Es bleibt dahingestellt, ob derartige Schritte wie der Ausstieg aus den Terminmärkten für Agrarrohstoffe der enormen Preisvolatilität tatsächlich den gewünschten Einhalt gebieten können. Studien machen die Spekulationstangente an den Preisschwankungen der jüngsten Vergangenheit bei etwa 20 % bis 25 % aus, während der Rest an fundamentalen Marktdaten wie Missernten, steigendem Verbrauch der stetig anwachsenden Weltbevölkerung und an einem Nachhinken der Produktion festgemacht wird.

Dazu kommen als sogenannte Staatsspekulation unberechenbare Markteingriffe von Regierungen wie in Russland, der Ukraine oder China, die oft über Nacht massive Preissprünge auf den Märkten auslösen. Experten äußern auch Zweifel darüber, ob die Landwirte weltweit ausreichend motiviert werden können, die Produktion dem davon eilenden Verbrauchszuwachs entsprechend anzuwerfen, wenn gerade den Warenterminmärkten als wichtigstes Instrument zur Absicherung von Erzeugern und Verarbeitern gegen derartige Preissprünge, das Salz in der Suppe, nämlich das finanzielle Engagement Außenstehender, entzogen wird.

 
Strategie Grains: Außer bei weltweiter Rezession wenig Rückgangspotenzial für Weizenpreis 
 
In dem am Donnerstag veröffentlichten September-Bericht "Strategie Grains" des angesehenen französischen Analysten Tallage heißt es für die Weizen- und Maispreise in der EU im laufenden Wirtschaftsjahr 2011/12, sie hätten außer bei einer weltweiten Rezession wenig Rückgangspotenzial. Strategie Grains revidiert zwar gegenüber dem Vormonat die Weizenernte 2011 in der EU-27 um 200.000 t auf 129,2 Mio. t hinauf, und den Binnenverbrauch - weil Weizen zuletzt an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Mais in den Tierfutterrationen verloren hat - um 1,6 Mio. t auf 118,4 Mio. t nach unten, sieht aber keinen dramatischen Bestandsaufbau, der "drückend" werden könnte. Außerdem sieht man auch die Exporte gegenüber dem September mit 15,2 Mio. t um 400.000 t höher. Damit würden sich die Weizenendbestände der EU 2011/12 gegenüber der vorigen Saison um 1,1 Mio. t auf 12,6 Mio. t aufbauen. Dies entspricht bei einem Anteil von 10,64 % am Verbrauch immer noch einer engen und "bullishen" Weizenbilanz. 
 
Im Gegensatz zum jüngsten WASDE-Bericht (World Agricultural Supply and Demand Estimates) des US-Landwirtschaftsministeriums USDA, der zur Überraschung vieler 2011/12 die globale Weizenbilanz leicht im Positiven sieht, hält Strategie Grains an der Prognose einer roten weltweiten Weizenbilanz mit 4 Mio. t Defizit und einer Verschlechterung der - wenngleich noch immer komfortablen - Stock-to-Use-Ratio von 29,2 % 2010/11 auf 27,6 % 2011/12 fest.

Die Konklusion für die Weizenpreise: "Die Preise dürften also kein großes zusätzliches Rückgangspotenzial haben, außer im Falle einer starken allgemeinen weltweiten Rezession (aber die letzten Wachstumsprognosen des IWF scheinen nicht in diese Richtung zu gehen)." Diese Erwartungen gälten laut Strategie Grains auch für die EU, wenn auch auf der anderen Seite die Weizenpreise, kurzfristig verstärkt durch die Ankurbelung der ukrainischen Exporte, hier kein großes Anstiegspotenzial hätten. Aber: "In einem zweiten Schritt könnten die europäischen Preise dann wieder von der Verlangsamung des russischen Ausfuhren gestützt werden."

 
Maismarkt: EU-Bilanz eher angespannt - aber möglicher Preisdruck aus Ukraine 
 
Beim Mais prophezeit Strategie Grains der EU nunmehr eine Rekordernte von 63,4 Mio. t - um 1,7 Mio. t mehr als vor einem Monat. Gleichzeitig sollen aber die Nachfrage mit 64,9 Mio. t, das sind um 2,3 Mio. t mehr als laut September-Prognose, und der Export mit 2,3 Mio. t noch stärker ansteigen, sodass die Bilanz der EU mit einem Bestandsabbau um 1,2 Mio. t gegenüber dem Vorjahr auf 4,3 Mio. t bei einer äußerst engen Stock-to-Use-Ration von 6,6% "eher angespannt" bleibt. Der Analyst führt dies auf die starke Konkurrenzfähigkeit von Mais im Tierfutter und Export zurück. Vor Monaten war dies noch umgekehrt, da machte der damals noch vergleichweise billigere Weizen dem teuren Mais das Geschäft abspenstig. 
 
Demnach hätten weltweit und in der EU die Maispreise zwar kein starkes Anstiegspotenzial, außer im Fall von Wetteranomalien oder Ernterevisionen nach unten - insbesondere in Südamerika. Sie hätten aber global auch kein Rückgangspotenzial mehr - außer wiederum bei einer Rezession. Die beachtliche Maismenge in und vor den Toren der EU - hier vor allem der ukrainische Mais und seine Preise - "dürften die Maispreise der EU daran hindern, zu steigen, und könnten sie von jetzt an bis zum Ende des Wirtschaftsjahres sogar zum Rückgang bewegen. 

 
Anbau für Ernte 2012: Weizen, Mais, Ölsaaten stagnieren - Durum, Sommergerste im Plus 
 
Strategie Grains nimmt eine erste - und noch mit "starkem Änderungspotenzial" behaftete - Schätzung der Anbauflächen in der EU für die Ernte 2012 vor. Demnach sollen sich auf Kosten von Brachen die Kulturflächen gegenüber der Ernte 2011 nochmals um 500.000 ha ausdehnen. Wegen der schlechten Anbaubedingungen für Raps erwartet die Prognose eine fast stabile Ölsaatenfläche in der EU von 11,7 Mio. ha und dafür aber eine um 700.000 ha größere Getreidefläche von 56,3 Mio. ha. Beim Getreide erwartet man vor allem den Hartweizen mit 10 % gegenüber 2010/11 und die Sommergerste mit plus 6 % Anbaufläche im Zuwachs, während die Kultivierung von Weichweizen, Wintergerste und Körnermais stagnieren dürfte. 

 
Getreideexport der Ukraine vor dem Durchstarten 
 
Mit der Unterschrift von Präsident Viktor Janukowitsch unter das betreffende Gesetz fallen ab Sonntag, 22.10.2011, die von der Ukraine im Juli verhängten Exportzölle für Weizen und Mais. Die Abgabe auf Gerste in Höhe von 14 % oder mindestens EUR 23,- pro t bleibt jedoch bis zum Jahresende gültig. Weiters sind vorerst auch keine Zölle auf Ölsaaten und Pflanzenöle vorgesehen. Das Agrarministerium in Kiew revidierte jüngst die Ernteschätzung für die Ukraine 2011 von zuletzt 51 bis 52 Mio. t auf mehr als 53 Mio. t Getreide hinauf. Davon sollen in diesem Wirtschaftsjahr 27 Mio. t exportiert werden.

Der ukrainische Getreideverband UGA äußerte letzte Woche bei einem Getreidekongress in Kiew die Hoffnung, dass von Oktober bis Dezember bis zu 7 Mio. t Getreide ausgeführt werden können. Zwischen Juli und September hat die Ukraine laut UGA aber nur 3 Mio. t exportieren können, weil wegen der Exportabgaben die Konkurrenz aus Russland habe billiger sein können. Somit habe es Russland von Juli bis September schon zu mehr als 9 Mio. t Getreideexport bringen können. Auch Kasachstan ist dick im Geschäft, das Land erwartet 2011 eine Ernte von 22 bis 23 Mio. t. Das ist der Rekord seit der Unabhängigkeit von Russland 1991 und fast das Doppelte der 12,2 Mio. t des trockenen Vorjahres. 

 
EU beim Weizenexport hinter dem Vorjahr zurück und bei der Einfuhr dramatisch darüber 
 
Die EU brachte es nach Kommissionsangaben in der Woche bis 19.10. auf Exportlizenzen für 296.000 t Weizen, 152.000 t Mais und 80.000 t Gerste. Damit erreicht der Weizenexport 2011/12 4,35 Mio. t nach 7,7 Mio. t im Vergleichszeitraum 2010/11. Bei den Maisausfuhren liegt man mit total 685.000 t aber über dem Vorjahr, wo es bis dahin nur 257.000 t waren, ebenso sind im Jahresabstand auch die Getreideeinfuhren dramatisch gestiegen - allein beim Weizen in den 16 Wochen 2011/12 in Summe auf 2,61 Mio. t von 738.000 t im Jahr zuvor. 
 
Im Schatten der boomenden Schwarzmeerexporte fielen auch die jüngsten wöchentlichen Exportzahlen der USA beim Weizen mit knapp 400.000 t unter den Erwartungen aus, während die Maisausfuhr dank einer China-Order über 900.000 t mit mehr als 1,8 Mio. t zur Freude gereichte. 

 
Österreichischer Kassamarkt: Trend zur Abschwächung der Preise verfestigt
 
Die Trends der vorigen Wochen am österreichischen Brotweizenmarkt verfestigten sich vergangene Woche. Premiumweizen konnte seine Preise von EUR 225,- bis 235,- pro t halten und notierte an der Wiener Produktenbörse am Mittwoch letzete Woche unverändert. Die Notierung von Qualitätsweizen dagegen verlor weitere EUR 6,50 auf EUR 200,- bis 210,- pro t und nach einer einwöchigen schöpferischen Pause wurde auch wieder Mahlweizen gehandelt und notierte mit EUR 175,- bis 182,- pro t ebenfalls spürbar unter der Marke von vor vierzehn Tagen. Dabei schrumpfte auch der Preisabstand zum Qualitätsweizen, der in den vergangenen Wochen vergleichsweise mehr von seinem Preis abgeben musste. 
 
Auch die Braugerstennotierung tauchte mit EUR 220,- bis 225,- pro nach einer Pause wieder am Wiener Kursblatt auf, ebenso wie erstmalig aus der Ernte 2011 auch Industriemais mit EUR 165,- bis 166,- pro t. Und auch diese Beiden notierten diesmal niedriger als bei der letzten Preisfestsetzung beziehungsweise der vergleichbaren Erstnotierung 2010/11. Auch Futtergerste verlor neuerlich an Terrain. Der heimische Kassamarkt kann sich damit der von Krisenangst getriebenen Stimmung der globalen Wirtschaft und der Finanzmärkte auch nicht entziehen. 
 
Allerdings heißt es im heimischen Handel, dass hierzulande entgegen dem Trend am Weltmarkt der Preisdiskont Nachfrage und Umsatz von Getreide nicht signifikant stimuliert habe. Die heimische Umsatzkurve verlaufe zyklisch mit einem ersten Hoch nach der Ernte, dann einem Abflachen und dann wieder - wie nun eben auch - mit einem leichten Aufschwung. Insbesondere Qualität, wenn man sie in der gewünschten Ausprägung finde, werde auch unabhängig von der aktuellen Bedarfslage gekauft.

Notierungsgewinne verbuchten in KW 42 lediglich - so wie in der Vorwoche - Raps, der angesichts gedämpfter Ernteaussichten in Europa für 2012 auf Termin gekauft wird, und Sonnenblumen, die damit den Negativtrend der Vorwoche umkehrten, nachdem offensichtlich der Erntedruck nachgelassen hat. (BMLFUW/AIZ)


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