„Von anfänglich zehn Hilfswilligen kommen nach ein paar Tagen häufig nur noch zwei bis drei Personen“, fasste GLFA-Geschäftsführerin Nicole Spieß vergangene Woche die Rückmeldungen aus den Betrieben zusammen. Die anfängliche Begeisterung weiche oft schnell der Erkenntnis, dass die Arbeiten meist eintönig oder körperlich zu anstrengend seien.
Die GLFA-Geschäftsführerin hält zu hohe Erwartungen an den Einsatz heimischer Arbeitskräfte auch deshalb für nicht angebracht, weil diese zumeist lediglich für eine deutlich geringere Wochenarbeitszeit als ihre osteuropäischen Kollegen zur Verfügung stünden. Viele der Interessenten suchten auch nur eine Tätigkeit in Teilzeit. Dies gelte insbesondere auch für Arbeitnehmer, die in ihrer Hauptbeschäftigung in Kurzarbeit seien. Sie möchten laut Spieß keine Einbußen bei ihrem Kurzarbeitergeld erfahren und deshalbmeist nur auf 450 Euro-Basis arbeiten.
„Damit kann der Ausfall der erfahrenen Helfer aus Osteuropa keinesfalls ersetzt werden“, stellte die Rechtsanwältin fest. Hier könne die Politik mit einer noch deutlicheren Anhebung der Hinzuverdienstmöglichkeiten Abhilfe schaffen.
Ein weiteres Problem für die
Betriebe sei die fehlende Planbarkeit. Der weit überwiegende Teil der heimischen Interessenten stehe zunächst nur bis zum 19. April bereit. Die meisten warteten ab, wie es mit den Corona-Beschränkungen dann weitergehe.
50.000 Interessenten auf „www.daslandhilft.de“Dessen ungeachtet seien die Betriebe froh über alle, „die in der jetzigen Situation mit anpacken möchten“, betonte Spieß. Dies gelte für Schüler, Studierende, Arbeitslose, Beschäftigte in Kurzarbeit und auch für geflüchtete Menschen. Erfahrungen aus den vergangenen Jahren hätten aber leider gezeigt, dass meist ein nur geringes Interesse bestehe, eine Saisontätigkeit in der Landwirtschaft aufzunehmen.
Das Bundesinnenministerium wies auf Anfrage darauf hin, dass die große Mehrheit der Asylbewerber in Deutschland keinem pauschalen gesetzlichen Beschäftigungsverbot unterliege und daher dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe.
Unterdessen startete eine Reihe von Ländern Initiativen, um Arbeitskräfte für eine Tätigkeit in der Landwirtschaft und dem Gartenbau zu gewinnen. Ende der vergangenen Woche hatten sich allein auf der vom
Bundeslandwirtschaftsministerium und dem Bundesverband der Maschinenringe (
BMR) initiierten Online-Plattform „www.daslandhilft.de“ fast 50.000 Interessenten gemeldet.
Rund 420.000 Flüchtlinge arbeitsuchendLaut Angaben des Bundesinnenministeriums zufolge waren Ende Februar rund 420.000 Flüchtlinge mit einem Schutzstatus aus den acht wichtigsten Asylherkunftsstaaten als arbeitsuchend gemeldet. Von denen seien rund 156.000 arbeitslos. Diese Personen stünden dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung. Daneben gebe es etwa 264.000 anerkannt Schutzberechtigte, die noch im Integrationskurs oder in Fördermaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit (BA) seien oder in geringem Umfang arbeiteten. Auch diese hätten unbegrenzten Arbeitsmarktzugang und könnten eingesetzt werden.
Ein Arbeitsverbot gelte für die rund 11.000 Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten auf dem Westbalkan. Keiner Arbeit nachgehen dürften ferner Asylbewerber, die verpflichtet seien, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, und zwar für die ersten sechs oder neun Monate ihres Aufenthalts, je nachdem, ob sie Kinder hätten oder nicht. Schließlich gelte das Verbot für Asylbewerber, deren Verfahren kürzer als drei Monate sei und die gleichwohl nicht in einerAufnahmeeinrichtung wohnten.
Werben um Mitarbeit in der LandwirtschaftEinen Aufruf zur Unterstützung der landwirtschaftlichen Betriebe in der jetzt beginnenden Pflanz- und Erntezeit hat die nordrhein-westfälische Landesregierung gestartet. „Tragen Sie mit dazu bei, dass wir trotz Corona-Krise regionale Vielfalt auf unseren Tellern bewahren“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von
Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser, Integrations- und Flüchtlingsminister Joachim Stamp und Arbeitsminister Karl-Josef Laumann.
Gezielt ansprechen will man den Angaben zufolge zum Beispiel Personen, die sich coronabedingt derzeit in Kurzarbeit befinden, Asylbewerber und Geduldete, die arbeiten dürfen, sowie alle Interessierte, die in den kommenden Wochen mit einer Arbeit in der Landwirtschaft Geld verdienen und sich dabei für die Gesellschaft einsetzen möchten.
Begleitend setzt sich die Landesregierung laut eigener Aussage auf Bundesebene dafür ein, dass rechtliche Einschränkungen verringert werden und der kurzfristige Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft unbürokratisch möglich ist. „Wir haben eine Lücke von etwa 45.000 dringend benötigten Erntehelferinnen und Erntehelfern“, erklärte Heinen-Esser. Alle Bürgerinnen und Bürger mit freien Kapazitäten seien dazu aufgerufen, ihre Hilfe auf den Höfen anzubieten.
Die offizielle
Spargelsaison für etwa 400 Betriebe in Nordrhein-Westfalen beginne am 8. April. Derzeit seien bereits rund 8.300 Arbeiterinnen und Arbeiter auf den landwirtschaftlichen Betrieben in Nordrhein-Westfalen tätig.
Kaniber startet Gemeinschaftsaktion für ErntehelferUm den Bedarf an Saisonarbeitskräften in den kommenden Wochen zu decken, setzt BayernsAgrarministerin Michaela Kaniber auf eine konzertierte Aktion. „Alle verfügbaren Kräfte in der Land- und
Ernährungswirtschaft, in Handwerk, Industrie, Handel und anderen Organisationen sollen mobilisiert werden“, gab die CSU-Politikerin als Zielsetzung aus.
Mit der Initiative „Arbeiten für die Ernte“ will Kaniber sämtliche Informationen und den Austausch dazu im Land bündeln, um einem drohenden Ausfall von ausländischen
Saisonarbeitskräfte zu begegnen.
Die Initiative wird auch getragen vom Verband der Bayerischen Wirtschaft, von der Industrie- und Handelskammer, den Handwerkskammern, dem Hotel- und Gaststättenverband, dem Bayerischen
Bauernverband (BBV) und denMaschinenringen.
„Dass sich so viele Organisationen beteiligen, zeigt den großen Bedarf in allen Bereichen desWirtschaftslebens“, sagte die Ministerin. Verarbeitungsindustrie auf Saisonkräfte angewiesen Der Bundesverband der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie (BOGK) verwies auf den Bedarf an Saisonbeschäftigten in seinen Mitgliedsbetrieben.
Nach BOGK-Angaben beschäftigt die Branche 23.000 Stammarbeitskräfte sowie 20.000 Saisonarbeitskräfte während der Ernte. Die Unternehmen verließen sich auf speziell geschulte landwirtschaftliche Fachkräfte aus den EU-Nachbarländern. Die kämen seit Jahrzehnten immer wieder in dieselben Betriebe zurück und würden dort als Schichtleiter, Rohwarenexperten und in anderen unverzichtbaren Funktionen eingesetzt.
Auch in der Verarbeitungsindustrie selbst gehe es nicht ohne Fachleute aus Bulgarien, Rumänien, Polen und anderen Ländern, so der Verbandsvorsitzende Konrad Linkenheil. Gleichzeitig würden die Unternehmen alles tun, um die Arbeitskräfte zu integrieren, die ihre Mitarbeit auf den Online-Plattformen anböten, versicherte Linkenheil.
Allerdings müsse man davon ausgehen, dass das nicht reichenwerde. Der Bundesverband bezifferte die Zahl der Unternehmen in der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie auf 125. Diese verarbeiteten überwiegend regional angebaute Rohwaren, die jetzt gesät und gepflanzt werden müssten, damit sie beginnend mit Gurken, Erbsen, Bohnen, Kartoffeln von Juni bis zum Abschluss mit Kohl im November geerntet werden könnten.
Die Vertragslandwirte, von denen die Unternehmen ihre Rohware bezögen, benötigten weitere 60.000 Erntehelfer. Der Umsatz der Branche beträgt laut BOGK rund 7,4 Mrd. Euro im Jahr.