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20.03.2023 | 09:27 | Berliner Milchforum 

Milchbranche unzufrieden mit der Ampelregierung

Berlin - In der gesamten Wertschöpfungskette Milch ist eine wachsende Verärgerung über die Bundesregierung und insbesondere das Landwirtschaftsministerium zu spüren.

Milcherzeuger
Bauernverband beklagt hohe Produktionskosten und fehlende Planungssicherheit für die Milcherzeuger - Laut jetzigen Regierungsplänen wird der Umbau der Tierhaltung laut Schmal ein „Rohrkrepierer“ - MIV kritisiert Kinderwerbeverbot - Aldi will Vorreiter für Tierwohl sein - Milcherzeugerpreise langfristig auf höherem Niveau erwartet. (c) proplanta
In der Kritik standen beim 13. Berliner Milchforum die zunehmenden Auflagen, die unzureichende Gestaltung des Umbaus der Tierhaltung sowie auch die jüngsten Werbeverbotspläne für Kinderprodukte. Gleichzeitig bereiten die immer noch hohen Produktionskosten, die Kaufzurückhaltung der Verbraucher und nachgebende Preise Sorgen.

„Die Milcherzeuger können mit Marktvolatilitäten umgehen. Was uns große Sorgen macht, ist die Politik“, erklärte am vergangenen Freitag (17.3.) der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Karsten Schmal, bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Mehr Nachhaltigkeit und Tierwohl seien für die Erzeuger mit höheren Kosten verbunden, da müsse die Politik Wege für die langfristige Zukunft aufzeigen. „Das gestaltet sich in der Ampelregierung wohl recht schwierig; die Finanzierung ist nicht sichergestellt“, kritisierte Schmal. Das führe dazu, dass Planungssicherheit fehle und auf den Höfen nicht in die Zukunft investiert werde.

Der Umbau der Tierhaltung könne nicht gelingen, wenn dieser allein aus einer schlecht gemachten staatlichen Tierhaltungskennzeichnung bestehe. Zudem fehlten eine passende Reform des landwirtschaftlichen Baurechts und vor allem eine tragbare Finanzierung. So wie die aktuellen Pläne und Gesetzesvorschläge vorliegen, wird die Transformation der Tierhaltung laut Schmal zu einem „Rohrkrepierer“.

MIV kritisiert Auflagenflut



Der Vorsitzende des Milchindustrie-Verbandes (MIV), Peter Stahl, beklagte die Flut von Auflagen, wie Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, Whistleblower-Richtlinie, Datenschutzgrundverordnung oder Arbeitszeitgesetz, „die viel Zeit und Geld kosten“. Sehr kritisch sieht der MIV-Vorsitzende auch das geplante Werbeverbot für Kinderprodukte.

Selbst ein Naturjoghurt mit 3,5 % Fett dürfte dann gegenüber Kindern nicht mehr beworben werden, geschweige denn der Milcheisstand im Sommerfreibad eine Eisfahne tragen. Zudem würden die Molkereien in der Vermarktung eingeschränkt, wenn etwa alle Käsesorten beim Nutriscore in die Klasse D eingestuft würden. „Da sind wir unzufrieden mit der Politik, denn es gibt im Moment viel Gegenwind für die Nutztierhaltung“, so Stahl.  

Aldi favorisiert Borchert-Konzept



Kritisch ins Gericht mit der von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir geplanten Tierhaltungskennzeichnung ging der Nachhaltigkeitsdirektor bei Aldi-Nord, Marc Sagel. Der Discounter sei ein Befürworter der Borchert-Vorschläge und eines staatlichen Tierhaltungskennzeichens. „Doch so wie es angekündigt wurde, sind wir nicht zufrieden“, stellte Sagel klar. Das Siegel beziehe sich nur auf Fleisch von Mastschweinen, und die Gastronomie sei wieder einmal außen vor. Zudem fehlten rechtliche Änderungen, etwa im Baurecht.

Auch sei es ein Fehler, bei der finanziellen Unterstützung die Betriebsgröße einzuschränken. So lasse sich, wie von Aldi angestrebt, „das Tierwohl nicht in der Breite verwirklichen“, kritisierte Sagel. Er sprach sich zudem dafür aus, die Initiative Tierwohl (ITW) mit ihren funktionierenden Auditsystemen in die staatliche Kennzeichnung einzubeziehen.

Die Transformation sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dafür habe die Borchert-Kommission auch bei der Finanzierung einen Weg aufgezeigt. „Da muss jetzt auch von der Politik was kommen“, forderte Sagel.

Haltungswechsel ist Gesetz



Der Discounter Aldi bekräftigte beim Berliner Milchforum seine Pläne, im Rahmen seines Haltungswechsels sein Sortiment bei den Eigenmarken der Trinkmilch bis 2030 komplett auf die Haltungsstufen 3 und 4 umzustellen.

„Wir stehen zu unserem Wort, Haltungswechsel ist bei uns ein Gesetz“, erklärte der Leiter Corporate Responsibility im Bereich Landwirtschaft von Aldi-Süd, Stephan Schoch. Dabei wolle man an der Seite der Landwirte stehen; ab 2024 werde das Unternehmen für die Trinkmilcheigenmarken ausschließlich deutsche Herkünfte verwenden.

Sagel versicherte zudem, dass die höheren Erzeugungskosten bei Tierwohlleistungen langfristig honoriert würden. Aldi sei fest überzeugt, dass mehr Tierwohl den Verbraucherwünschen entspreche. Dafür sprächen auch die Absatzzahlen, denn bei Trinkmilch liege der Anteil der Haltungsstufe 3 am Umsatz bereits bei 45 %. Andere Produkte würden sukzessive hinzukommen.

Milcherzeugung bald rückläufig



Derweil berichtete die Geschäftsführerin der Zentralen Milchmarkt Berichterstattung (ZMB), dass der Milchmarkt zum Jahresauftakt durch hohe Milchanlieferungen und starke Abschläge beim Milchgeld geprägt sei. „Die Milchpreise folgen den schlechteren Verwertungen der Milchprodukte und werden erstmal sinken“, erläuterte die, Monika Wohlfarth. Diese gingen in Richtung 40 Cent/kg. Allerdings sei langfristig wieder mit geringeren Milchmengen und höheren Preisen als in früheren Jahren zu rechnen.

Der Strukturwandel werde sich nach der Hochpreisphase wieder beschleunigen und Kühe aus der Produktion genommen. Auch hätten viele Betriebe keinen Hofnachfolger, gab die ZMB-Geschäftsführerin zu bedenken. Hinzu komme, dass politische Auflagen die Produktion bremsten.

„Der aktuelle Anstieg der Milchproduktion ist keine Wende, sondern kurzfristig durch Mitnahmeeffekte verursacht“, erklärte Wohlfarth. Die Rekordmilcherzeugung des Jahres 2020 werde nicht mehr erreicht. Auch in anderen Ländern werde bei der Erzeugung nicht mehr auf das Tempo gedrückt. Aufgrund der höheren Produktionskosten sieht die Expertin die Milchpreise mittelfristig auf einem höheren Niveau. Diese Einschätzung wurde auch vom MIV geteilt.
AgE
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