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27.10.2015 | 09:30 | Agrarthema 

Schmunzelnde Sojabarone

Lucas do Rio Verde - Miguel Vaz Ribeiro kann seine körperliche Anspannung kaum verbergen. Der drahtige Großgrundbesitzer hat viel Geld gemacht mit Soja und Mais.

Sojabarone
Die Grünen wollten die Agrarwende zu ihrem großen neuen Thema machen. Dann kam die Flüchtlingskrise. Fraktionschef Hofreiter glaubt weiter an das Agrarthema - doch in Brasilien erlebt er ein Rendezvous mit der Realität. (c) Lucky Dragon - fotolia.com
Er ist zudem Vize-Bürgermeister des aufstrebenden Ortes Lucas Rio do Verde im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso. Und nun sitzt da dieser langhaarige Blonde aus Deutschland, der fordert, doch bitteschön weniger giftige Herbizide einzusetzen.

Der deutsche Verbraucher sei eben sehr kritisch, mahnt Anton Hofreiter. Vaz Ribeiro wippt unter dem Tisch mit den Beinen, bewahrt über dem Tisch aber die Contenance, sagt freundliche Worte. Und schmunzelt mitunter.

Der Grünen-Fraktionschef Hofreiter hat sich aufgemacht zum Ausgangspunkt der Produktionskette für saftige Steaks, die daheim auf dem Essenstisch landen. Hier in Mato Grosso werden im großen Stil genmanipulierte Sojabohnen für die Tierfutterproduktion angebaut - und Totalherbizide wie «Roundup» des Konzerns Monsanto versprüht, die Kritiker für krebserregend halten.

Der Bundesstaat ist fast dreimal so groß wie Deutschland, 37 Prozent Regenwald sind laut Umweltbehörde bereits verschwunden. Viele deutschstämmige Einwanderer ließen sich hier nieder, um mit dem Agrar-Business reich zu werden. Auf rund zehn Prozent der Fläche wird laut Vaz Ribeiro bereits Soja angebaut - das entspricht ungefähr der Größe Portugals.

Hofreiter ist studierter Biologe, er hat seine Doktorarbeit einst über Inka-Lilien geschrieben, die vom Berg-Regenwald bis hin zu 5.400 Meter Höhe zwischen den Anden und Mexiko vorkommen. Der Grünen-Politiker stapft beim Besuch in der vergangenen Woche durch pestizidgetränkte Felder, die schwarzen Lederschuhe rot gefärbt vom Sand, das blaue Hemd bei über 40 Grad durchgeschwitzt. Hofreiter kämpft für eine grüne Agrarwende - und vergleicht Erntebeschleuniger und Herbizide wie Glyphosat mit einer Chemotherapie: Eigentlich sei diese Region wegen der Trockenheit und Hitze doch gar nicht als Ackerland geeignet, meint er.

Soll man den Anbau unter solchen Bedingungen auch noch fördern? Nirgendwo in Europa werde so viel Fleisch produziert wie in Deutschland, sagt Hofreiter. Er will ein EU-Zertifizierungssystem für Tierfutter und stellt Brasilien als Sojalieferanten infrage.

Die große Zukunftsfrage, die den Bayern umtreibt: «Wie kann man die wachsende Weltbevölkerung ernähren, ohne unsere Lebensgrundlagen zu zerstören?» Aber er hat ein doppeltes Problem: Öko-Landwirtschaft, der Kampf gegen Tierfabriken und Gen-Manipulation sollten das grüne Gewinnerthema im Bundestagswahlkampf 2017 werden - doch die meisten Bürger treibt zumindest derzeit die Flüchtlingskrise weitaus mehr um.

Und auch in Mato Grosso rennt Hofreiter keine offenen Türen ein. Der Bürgermeister, der gerade wegen der Geschäfte sein Amt für 15 Tage ruhen lässt und Herr über 250.000 Hektar Land ist, ließ sich entschuldigen, aber immerhin: Sein Vertreter Vaz Ribeiro ist mit 15.000 Hektar auch keine kleine Nummer.

Der Vize lässt alles an sich abperlen, außer ein paar Aktivisten gibt es hier wenig Widerstand, das sprudelnde Geld hat aus der vor erst 26 Jahren aus dem Boden gestampften Stadt eine der aufstrebendsten in Mato Grosso gemacht. Aber der Preis für den Agrar-Boom in Mato Grosso ist hoch: Vertreibungen, illegale Rodungen, oft steht das Gesetz nur auf dem Papier - und die abgeholzten Wälder fallen als CO2-Aufnehmer aus. Das hat nicht nur Folgen für den Klimawandel. Es gibt auch gesundheitliche Auffälligkeiten.

Im Krankenhaus spricht eine Ärztin von auffällig vielen Lungenentzündungen. Und da ist eine Studie über stark belastete Muttermilch durch das großflächige Besprühen der Felder aus Flugzeugen. Überinterpretationen seien das, meint Vaz Ribeiro. Auch Frauen, die gerade erst hergezogen seien, hätten ähnliche Werte in der Muttermilch gehabt. Das müsse man noch mal weiter erforschen.

«Ich denke, dass ist eine wichtige Debatte.» Verseuchtes Wasser? Vaz Ribeiro lädt Hofreiter ein, Forscher zu nennen, die das mal untersuchen könnten. Das genmanipulierte Saatgut? «Brasilien behält einen Anteil an konventioneller Soja für den europäischen Markt», verspricht er. «Aber der Anteil an Gen-Soja wird weiter steigen.» Der US-Konzern Monsanto ist einer von denen, die damit prächtige Geschäfte machen.

Auf den Plantagen fällt auf: Es gibt kein Vogelgezwitscher, und außer der Gen-Soja-Pflanzen, die so gepolt sind, dass sie toxischen Einflüssen standhalten und schnell geerntet werden können, ist hier kaum Leben. Auch die Schilder des Syngenta-Konzerns aus der Schweiz finden sich an vielen Plantagen.

Hofreiter ermutigt dazu, einen anderen Weg einzuschlagen. Aber die versteckte Drohung, man könne in Berlin Druck machen, auf Sojabohnen aus Brasilien zu verzichten, kontert Vaz Ribeiro mit einem milden Lächeln: «Brasilien wird weiter so produzieren, solange es einen Absatzmarkt gibt.» Und der wächst anderswo, vor allem in Asien.
dpa
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