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Sollte es zu einer EU-Mitgliedschaft in den nächsten Jahren kommen, hätte dies enorme Auswirkungen auf den EU-Haushalt. Der bevölkerungsreichen, aber wenig wohlhabenden und landwirtschaftlich geprägten Ukraine würden umfangreiche Finanzmittel aus dem EU-Haushalt zustehen.
In der aktuellen Studie „Fiskalische Aspekte einer EU-Erweiterung“ schätzt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) die finanziellen Folgen einer EU-Vollmitgliedschaft auf Basis des derzeitigen Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) der Gemeinschaft von 2021 bis 2027 auf rund 130 Mrd. bis 190 Mrd. Euro. Das wären bis zu 17 % des Gesamtbudgets von etwa 1.100 Mrd. Euro in Preisen von 2018.
Die Spannbreite der Haushaltsausgaben ergibt sich aus den unterschiedlichen Eckdaten für die Ukraine. Durch den Angriffskrieg Russlands hat sich die Bevölkerungszahl in dem osteuropäischen Land spürbar verringert; Ackerflächen sind verloren gegangen. Wie die Situation nach dem Krieg bezüglich rückkehrender Flüchtlinge oder der Gebietskulisse aussehen wird, ist unklar. Es wurden deshalb zwei Szenarien für die Situation vor dem Krieg 2021 und die aktuelle Situation 2023 gerechnet. Der höhere Finanzbedarf gilt für die Daten mit größerer Ackerfläche und Bevölkerungszahl vor dem Krieg.
Neuer Spitzenreiter bei Agrarsubventionen
Laut den Schätzungen des IW hätte die Ukraine nach einem EU-Beitritt Ansprüche auf Agrarsubventionen in Höhe von 70 Mrd. bis 90 Mrd Euro, bezogen auf den MFR-Zeitraum von 2021 bis 2027. Hierunter fallen die Direktzahlungen, Agrarmarktmaßnahmen und die Förderung ländlicher Räume. Mit dem Spannenmittel von 80 Mrd. Euro würde die Ukraine Frankreich mit 65 Mrd. Euro als derzeit größten Leistungsempfänger ablösen.
Im Rahmen der EU-Kohäsionspolitik zur Förderung weniger entwickelter Regionen dürften der Ukraine zusätzlich zwischen 50 Mrd. und 90 Mrd. Euro zustehen. Hierzu zählen beispielsweise die Strukturfonds zur Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts in der Gemeinschaft. Anspruch hätte die Ukraine zudem auf Zahlungen aus anderen Kategorien des MFR, die allerdings mit rund 7 Mrd. Euro nicht so stark zu Buche schlagen.
Umverteilung von Mitteln
„Angesichts dieses Volumens müsste die EU bereit sein, sich zu reformieren“, folgern die Autoren der IW-Studie. Die Experten schlagen eine Umschichtung im EU-Haushalt vor, um die notwendigen Finanzmittel bereitzustellen. Einen möglichen Ansatzpunkt sehen sie in der Kohäsionspolitik. Deren primäres Ziel sei es, weniger entwickelte Regionen zu unterstützen.
Bei einer Reform der europäischen Kohäsionspolitik auf ein Konzentrationsmodell, bei der die Kohäsionsausgaben auf die weniger entwickelten Regionen in ärmeren Mitgliedstaaten beschränkt bleiben, würden Finanzmittel in Höhe von rund 140 Mrd. Euro über den Siebenjahreszeitraum des aktuellen MFR zur Verfügung stehen. Somit könnte eine Umverteilung bei der Kohäsionspolitik einen erheblichen Beitrag zur Deckung der Kosten eines EU-Beitritts der Ukraine leisten. Dies sollte laut IW bei der Aufstellung des nächsten MFR 2028 bis 2034, in dessen Zeitraum eine Erweiterung der EU fallen könnte, beachtet werden.