«Die Brennelementesteuer (...) kam fast wie ein Blitz aus heiterem Himmel», sagte der Präsident des Deutschen Atomforums, Ralf Güldner, der Deutschen Presse-Agentur. Die Belastung sei höher als von der Bundesregierung geplant und liege bei rund 2,8 Milliarden Euro netto statt 2,3 Milliarden. Die Branche droht weiter mit Klagen - allein schon aus Verantwortung gegenüber den Aktionären sei man zur Prüfung aller rechtlichen Schritte gezwungen, sagte Güldner.
Der Vizechef der Eon Kernkraft GmbH forderte zudem deutlich längere Laufzeiten: «15 Jahre plus X könnten ein vernünftiger, weil politisch darstellbarer Schritt sein.» Auch Atomkraftwerk-Neubauten schloss er nicht aus. Der Energiekonzern EnBW drohte mit dem Abbau von Arbeitsplätzen, wenn die Atomsteuer wie geplant kommt.
«Der Verkauf von Unternehmensteilen, die Beendigung bereits in Angriff genommener Projekte und Investitionsvorhaben sowie mittelfristig ein erheblicher Personalabbau wären die zwangsläufige Folge», heißt es in einem Papier. Das Bundeskabinett will die Steuer nach der Sommerpause beschließen.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) will die Atomindustrie mit der Brennelementesteuer aber nicht zu stark belasten. «Wir wollen die Kernenergiebetreiber ja nicht steuerlich erdrosseln, sondern ihre Zusatzgewinne teilweise zur Förderung der erneuerbaren Energien verwenden», sagte er der dpa. Die Steuer sei zunächst zur Haushaltskonsolidierung und Sanierung des Lagers Asse vorgeschlagen worden, aber auch geeignet, um Zusatzgewinne bei längeren Laufzeiten abzuschöpfen. Im Gespräch ist auch eine Zusatzabgabe. Die Konzerne bezweifeln, ob sich Nachrüstungen der Anlagen dann noch lohnen.
Röttgen, der am Donnerstag mit seinen Landeskollegen über das Thema beriet, will die Atommeiler nicht länger am Netz lassen als nötig. «Im Koalitionsvertrag haben wir festgelegt, dass es Laufzeitverlängerungen geben soll, insoweit sie notwendig sind als Brücke, bis die Kernenergie durch erneuerbare Energien ersetzt werden kann.» Moderate Laufzeitverlängerungen seien vor allem eine verfassungsrechtliche Vorgabe, wenn man ein Gesetz ohne Zustimmung des Bundesrates beschließen wolle. «Ich bin dafür, dass wir das Gesetz so machen, dass wir nicht vom Bundesverfassungsgericht korrigiert werden müssen.»
Die Opposition hatte Klagen angekündigt. Die Grünen wollen längere Laufzeiten wieder kippen, falls sie an der nächsten Regierung beteiligt sind. «Wer den bestehenden Atomkonsens aufkündigt, kann sich später nicht auf Vertrauensschutz oder Planungssicherheit berufen», sagte Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn.
Die Kernkraftwerksbetreiber RWE, Eon, Vattenfall und EnBW verlangen Rechtssicherheit. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte, der Atomindustrie gehe es nicht um die Sicherheit der Menschen, sondern um finanziellen Interessen. Bei stabilen Strompreisen könnte die Atomindustrie neben der geplanten Brennelementesteuer auch eine Zusatzabgabe schultern, meint das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
Wenn die Laufzeiten aller Kernkraftwerke verlängert würden und der Strompreis bei 6,5 Cent pro Kilowattstunde stabil bleibe, läge der Zusatzgewinn für die Energiekonzerne bei rund 6,4 Milliarden Euro pro Jahr. Dies sei «viel Spielraum» für eine Brennelementesteuer. Röttgen und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) wollen voraussichtlich Ende August ein Energiekonzept vorlegen, das bis 2050 den Weg hin zu einer fast vollständigen Umstellung auf erneuerbare Energien ebnen soll. Umweltverbände halten eine Laufzeitverlängerung bei Atomkraftwerken für überflüssig, da der Zuwachs bei der Erneuerbaren Energie schneller als erwartet verlaufe. Nach dem Atomausstieg unter Rot-Grün würde der letzte Meiler etwa 2025 vom Netz gehen. (dpa)