Der Kampf gegen den Müll im MeerJochen Flasbarth hat ein plastisches Beispiel - auch wenn ihn seine Beamten darauf aufmerksam gemacht haben, dass es keine Bahnlinie zum Mond gibt. Im
Umweltbundesamt (UBA) sind sie nun mal sehr penibel. «Das ist ein Güterzug vollgepackt mit Meeresmüll von hier zum Mond und halb zurück», versucht der UBA-Präsident die Menge von bis zu 142 Millionen Tonnen Müll in den Weltmeeren zu veranschaulichen. Tüten, Fischernetze und alles, was so auf Schiffen über Bord geworfen wird, treibt auf hoher See. Ein immer größeres Problem sind die Mikroplastikartikel. Flasbarth schlägt nun Alarm.
Seit Mittwoch berät eine internationale Meeresmüllkonferenz in Berlin, was getan werden kann, damit nicht immer mehr Fische und Vögel winzige Plastikpartikel schlucken - und diese letztlich über den Fischkonsum im Körper der Menschen landen. An diesem Freitag werden dort auch Bundesumweltminister Peter Altmaier (
CDU) und EU-Umweltkommissar Janez Potocnik über Lösungsideen debattieren.
Nach Angaben des UN-Umweltprogramms treiben 13.000 Plastikpartikel auf jedem Quadratkilometer Meeresoberfläche - durch Strömungen werden diese weltweit verteilt. In der Nordsee wird der Plastikanteil am Meeresmüll auf 75 Prozent geschätzt. Es gibt Übereinkommen wie die EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL), um die Meeresvermüllung zu reduzieren - aber bisher ist vieles eher vage und unverbindlich.
Gelöst werden muss das Problem aus UBA-Sicht see-, aber vor allem auch landseitig. Deutschland soll dabei ein Vorreiter sein. Als ein Mittel gegen zu viel Plastikmüll schlägt Flasbarth für Deutschland eine Bezahlpflicht bei Tüten vor. Er will, dass Drogerien, Kaufhäuser und Bekleidungsläden Plastiktüten nicht mehr kostenlos abgeben.
Die Grünen pochen auf eine Abgabe von 22 Cent pro Tüte. Auf jede Person kommen in Deutschland laut UBA 71 Plastiktüten pro Jahr, in Bulgarien sind es 421 Stück, der EU-Schnitt liegt bei 198 Tüten. In Irland ist durch eine 44-Cent-Abgabe die Quote auf 18 Tüten zurückgegangen.
Was das mit den Meeren zu tun hat? Es gibt nur wenige Länder, die ein so hoch entwickeltes Abfall- und Recyclingsystem haben wie Deutschland. Daher geht es hier primär um eine weitere Reduzierung des Plastikmülls an sich - als Zeichen auch an andere Staaten, die weit weniger sorgsam mit Plastikmüll umgehen und wo er eben oft nicht umweltgerecht entsorgt wird. Es wird geschätzt, dass rund 80 Prozent des Meeresmülls von der Landseite kommen, laut UBA vor allem über Flüsse oder «über große küstennahe Mülldeponien beispielsweise im Mittelmeerraum». Plastik hat eine sehr lange Abbauzeit und zersetzt sich immer weiter in immer kleinere Teilchen - das ist das Problem.
Ein zunehmendes Problem sind auch Kosmetikprodukte, Duschbäder und Zahncremes, die winzige Kunststoffkügelchen für eine bessere Reinigungswirkung enthalten. Sie können über das Abwasser in die Meere gelangen, da Kläranlagen diese Stoffe nicht rausfiltern können. Auch bei Fleece-Pullis gelangen beim Waschgang Kunststofffasern oft in die Umwelt, auch sie werden in Kläranlagen nicht herausgefiltert.
«Hinzu kommt natürlich der ganze Müll in der Schifffahrt, sei es bei Kreuzfahrten oder Containerschiffen, der über Bord geworfen wird», betont Flasbarth. Er fordert eine Pflicht für alle EU-Häfen, die Abfallgebühren in die Hafengebühren zu integrieren, wie es in den Ostseehäfen schon der Fall sei. «Das heißt, man kann keine Kosten vermeiden, wenn man den Abfall vor dem Hafen über Bord wirft».
Christof Lauer, Sprecher des Verbands Deutscher Reeder betont, das Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung (MARPOL) verbiete es, Tüten, Verpackungen oder Plastikflaschen über Bord zu werfen. Der Müll werde stets nur in Häfen entsorgt. «Die Besatzung muss sogar ein Mülltagebuch führen.» Dies könne jederzeit bei den Hafenkontrollen überprüft und bei Verstößen mit hohen Bußgeldern geahndet werden.
Damit nicht immer mehr Vögel, Fische und Delfine in auf hoher See entsorgten Fischernetzen verenden, kann aus Sicht von Umweltschützern eine Pfandpflicht für Netze helfen. Der Naturschutzbund (
NABU) hat zudem das Projekt «Meere ohne Plastik» ins Leben gerufen - es soll die fachgerechte Entsorgung von Müll unterstützen, den Fischer in ihren Netzen einsammeln. NABU-Meeresschutzexperte Kim Detloff betont zugleich: «Global gesehen, ist es nur Kosmetik.» Man müsse das Problem vom Land her bekämpfen, durch mehr Recycling, Mülltrennung - und weniger Tüten. Umweltexperten schlagen vor, ein europaweites Ziel zur Reduzierung festzulegen - ähnlich wie beim Treibhausgasausstoß. (dpa)