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05.12.2009 | 11:33 | Ökolandbau 

Landwirt schafft Vielfalt - Natur fördernde Landwirtschaft in der Praxis

Wetzlar - Welche Naturschutzleistungen erbringt die Landwirtschaft? Sind die entsprechenden Programme für Agrarumweltmaßnahmen hilfreich und ausreichend?

Landwirt schafft Vielfalt - Natur fördernde Landwirtschaft in der Praxis
Sind Biotop- und Artenschutz per se ein Koppelprodukt des ökologischen Landbaus oder gibt es auch hier Konfliktpotential? Diese und ähnliche Fragen waren die Auslöser für eine Tagung zum oben genannten Thema, die am 26. November 2009 im Naturschutzzentrum Wetzlar gemeinsam von der Stiftung Ökologie und Landbau, der Naturschutz-Akademie Hessen und dem Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen durchgeführt wurde. Unter den rund 100 Tagungsteilnehmern befand sich eine beachtliche Zahl von Praktikern, die die Gelegenheit zur Aussprache und Nachfrage in den Diskussionsrunden rege nutzten.

Im dichtgedrängten Tagungsprogramm wies einleitend Thomas Zebunke als zuständiger Referent im Hessischen Ministerium für Energie, Umwelt, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf die vergleichbar gute Stellung des ökologischen Landbaus in Hessen hin. 10% der Betriebe und der Fläche würden in Hessen nach den Regeln des ökologischen Landbaus oder nach Extensivierungsrichtlinien bewirtschaftet, wobei der positive Trend dieser Anbausysteme ungebrochen sei. Biotop- und Artenschutz würden von den Betrieben auch häufig freiwillig, wie z.B. bei der Anlage von Hecken, Saumstreifen oder Gewässern erbracht. Hinsichtlich der Palette von Fördermöglichkeiten für Agrarumweltmaßnahmen sei das Ministerium stark am Dialog mit den Betroffenen interessiert, um die Programme zum Einen praxisgerecht weiter zu entwickeln und zum Anderen auch Anregungen für neue Aktionen und Projekte auf zu nehmen. Zebunke regte unter diesem Aspekt an, auch Marktchancen für regionale Produkte aus dem Landbau mit Biotop- und Artenschutz zu suchen, in dem für die Verbraucher dieser Bezug als Koppelprodukt erkennbar werde.

Dr. Thomas van Elsen von der Universität Kassel/Witzenhausen stellte in seinem Beitrag einen Überblick zum Naturschutz in der Landwirtschaft vor. So sei die Artenvielfalt erst durch Landbewirtschaftung entstanden und habe im 19. Jahrhundert ihre größte Vielfalt an unterschiedlichen Pflanzenarten erreicht. Danach – besonders ab der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts – seien viele Arten verschwunden, was parallel mit der Intensivierung der Landwirtschaft einher ging. Von den Versuchen, die Artenvielfalt mittels verschiedener Förderprogramme wie dem Ackerrandstreifenkonzept aus den 80er Jahren dauerhaft zu sichern seinen keine nachhaltigen Ergebnisse erreicht worden, da die teilnehmenden Landwirte nach dem Ende der Förderung die Randstreifen wieder in die normale Bewirtschaftung integriert hätten. Zweifelsfrei sei der ökologische Landbau im Vergleich zum konventionellen Landbau durch eine komplexere Begleitflora in den Acker- und Grünlandkulturen gekennzeichnet – wobei der Artenreichtum vom Rand in die inneren Bereiche des Schlages abnehme. So gesehen sei der ökologische Landbau naturschutzkonformer, zumal Ökobetriebe häufig freiwillige Naturschutzleistungen wie die Anlage von Streuobstwiesen oder die Anpflanzung von Hecken, Saumbiotopen und Tümpeln etc. erbringen. Als mögliche Hilfe sieht van Elsen die in Niedersachsen angebotene einzelbetriebliche Naturschutzberatung.

Eva Meyerhoff vom Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen (KÖN) führt eine solche Beratung durch. Dabei stellt sie fest, dass ohne finanzielle Anreize keine nachhaltige Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen möglich ist. Der Schwerpunkt der Arbeit zur Unterstützung von Naturschutzmaßnahmen liege daher in der Akquirierung von Mitteln von verschiedenen Geldgebern- unter anderem auch Stiftungen. Dabei stehe die Idee der Betriebe im Mittelpunkt. Die Beratung begleite die Ideen der Landwirte und stelle Hilfen von der Wissensbeschaffung bis zum know-how bei der Maßnahmenumsetzung zur Verfügung. Desweiteren initiiere die niedersächsische Ökoberatung auch die Vermehrung von geeigneten Samenmischungen für Blühstreifen und verteile die Mischungen kostenlos an die Landwirte, die an den Projekten teilnehmen. So hätten in Niedersachsen 10 % der Ökobetriebe an einem Blühstreifenprojekt teilgenommen. Zur Unterstützung von Streuobstanlagen sei auch das Pflanzgut kostenlos an die interessierten Betriebe abgegeben worden. Von besonderer Bedeutung für das Gelingen der Naturschutzmaßnahmen sei eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, die auch merklich zur Imagepflege beigetragen habe. Besonderen Erfolg hätten dabei Aktionen mit Schulklassen z.B. bei dem Bau von „Insektenhotels“ gehabt.

Betriebsleiter Detlev Hack vom Lämmerhof bei Panten in Schleswig-Holstein ist es durch Landtausch und Flurbereinigungsverfahren gelungen, extensive Grünlandflächen großflächig zusammenzufassen und neben einer Nutzung mit Mutterkühen auch aktive Leistungen für den Naturschutz zu erbringen. Gerade das Flurbereinigungsverfahren hatte die Möglichkeit ergeben, schutzwürdige Refugien durch Naturschutzverbände freikaufen zu können oder im Tausch gegen andere Flächen zu erwerben. Hack erreicht auf diesen sehr extensiv genutzten Flächen dennoch ausreichende Erlöse, da die Mutterkuhhaltung keine Kosten verursacht, die meisten Flächen nur geringe Pachtdienste erfordern und die Nutzung Prämienleistungen bringen.

Frank Radu, Betriebsleiter der Hephataeinrichtung Hofgut Richerode bei Jesberg stellt bei der Vorstellung der Biolandbetriebe von Hephata die freiwilligen Naturschutzprojekte heraus. Seit Übernahme der Betriebe wurde die Anlage von Streuobstwiesen und Hecken betrieben und dadurch auch Synergieeffekte z.B. mit der Hühnerhaltung im Freilandbetrieb erzielt. Die früheren Verluste durch Raubvögel konnten dadurch merklich vermindert werden.

Dr. Ralph Büchler vom LLH Bieneninstitut Kirchhain referierte über die Bedeutung der Landwirtschaft für die Bestäuber und stellte heraus, dass rund 10% der gesamten Nahrungserzeugung ohne Insektenbestäubung fehlen würde. Dies entspreche einem Nahrungsmittelausfall von ca. 153 Billionen € pro Jahr. Vor diesem Hintergrund seien Bedrohungen für die Bienenbestände von besonderer Bedeutung. Neben dem Rückgang der Imker und damit der Bienenbestände seien in letzter Zeit auch durch Krankheiten Probleme entstanden. Probleme seien auch dadurch entstanden, dass während der Rapsblüte für Bienen und weitere Insekten Nahrung im Überfluss vorhanden sei, ab Juni/Juli allerdings kaum noch blühende und nektarhaltige Pflanzen verfügbar sind. Teilweise müssten die Imker in diesem Zeitraum zu füttern, um die Bienenvölker stark genug in den Winter gehen zu lassen. Aus diesem Grund sei es wünschenswert, von Mai bis August blühende Landschaften vorzufinden. Saumstrukturen und extensive Land- und Grünlandbewirtschaftung seien hierfür ideal. Ein weiterer Nachteil der intensiven Landwirtschaft bestehe in der Belastung durch Spritzmittel, vor allem durch Fungizide. Diese seien zwar als bienenungefährlich eingestuft und würden auch kein akutes Bienensterben auslösen, dennoch sei festzustellen, dass die Präparate von den Bienen aufgenommen und verstoffwechselt werden müssen und sie dabei offensichtlicher anfälliger gegen Krankheiten werden und eine kürzere Lebenszeit haben.

Dr. Rainer Oppermann vom Institut für Agrarbiologie Mannheim bestätigte, dass eine Extensivierung durch geringeren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, geringerer Schnitthäufigkeit bei Grünland und die Schonung von Randstreifen und Saumstrukturen eine größere Artenvielfalt erreicht wird. Um diese u erreichen und zu erhalten werden aus der Sicht des Naturschutzes daher folgende Forderungen erhoben. Ackernutzung sollte nicht auf sensiblen Moor- und Anmoorböden oder Überschwemmungsböden erfolgen. Bei Gewässern und Gräben sollten Grünlandrandstreifen eingerichtet werden. Ebenso bei Gehölzrändern und Wegrainen wobei auch ein Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz und Düngung erfolgen sollte. Bei großen Schlägen sollten Mosaikstrukturen mit Grünlandrandstreifen oder auch Hecken eingerichtet werden. Zudem seien auch Vorteile durch eine angepasste Landtechnik zu erwarten. Bei der Grünlandmahd wird so die Verwendung von Balkenmähwerken empfohlen, die gegenüber Trommelmähwerken schonender arbeiten und heute ebenfalls Arbeitsbreiten bis 9 m erzielen.

Letztendlich könnte eine zunehmende Beachtung von Artenschutzaspekten nur dann erreicht werden, wenn seitens der Förderpraxis gezielte Maßnahmen mehr Anreize für die Landwirte gäben. Oppermann sieht Chancen, wenn es gelänge die finanziellen Anreize deutlich zu steigern, besonders dann wenn dies gleichzeitig zu Lasten anderer Flächenprämien ging. (LLH)
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