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26.05.2009 | 08:48 | Bauernproteste  

Ernte der Proteste: Die Bauern kriegen mehr Geld

Berlin - «Danke, jetzt reicht's» steht auf den knallgelben T-Shirts, die mehrere tausend Bauern am Montag während ihrer Demonstration rund um die Berliner Siegessäule tragen.

Geldscheine
(c) proplanta
Fast 500 herangetuckerte Traktoren stehen in langen Reihen auf den Straßen. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner will den Zorn der Branche bündeln. «Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen, weder von Aldi noch von der Politik», ruft er der Menge zu. Und tatsächlich: Die Bauern haben mitten im Wahljahr einen Etappensieg errungen. Die große Koalition kündigt für die kommenden zwei Jahre mehr als eine halbe Milliarde Euro Entlastungen für die Bauern beim Agrardiesel an.

Sinkende Preise, steigende Kosten: Vor allem Milchbauern schlagen Alarm. «Wenn es mit den Preisen so bleibt, dann werden viele Betriebe das Jahresende nicht mehr erleben», sagt Torsten Lehmann vom Hof Müllrose in Schlaubetal in Brandenburg. «Zur Zeit bekommen wir 22 Cent je Liter Milch, mindestens 34 Cent müssten es aber sein, um nur kostendeckend zu arbeiten.» Aber auch Getreidebauern spüren die Krise. «Der Preis für eine Tonne konventionell angebauten Roggen ist von 150 bis 160 Euro im vergangenen Jahr auf nur noch rund 90 Euro gefallen», sagt Heiko Friedrich, Angestellter auf dem Beerfelder Hof, einem Öko-Betrieb mit 700 Hektar Fläche. Gleichzeitig stiegen die Düngerpreise.

Als Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) zu den Bauern spricht, ertönen Buhrufe. Kurze Zeit später verkündet sie die geplante Entlastung bei der Agrardieselsteuer. «Der Selbstbehalt von 350 Euro und die Obergrenze von 10.000 Litern fallen ersatzlos weg», sagt Aigner. Zumindest für ein paar Sekunden ist Jubelstimmung angesagt. «Das war ein hartes Stück Arbeit.» Das ist ein kleiner Seitenhieb Aigners an die SPD. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) wollte keine Steuersenkung zulassen. Doch Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer haben Druck gemacht. Nun sinkt zwar der Steuersatz nicht, aber die Belastung für die Bauern geht zurück. Der Kompromiss, der über den der Koalition vom März hinausgeht, verursacht Kosten in dreistelliger Millionenhöhe.

Die Bauern in Deutschland müssen nun weiter deutlich mehr Steuern auf Agrardiesel zahlen als ihre europäischen Nachbarn. Aber die angekündigten Erleichterungen sind nicht nur ein Signal an die rund 400.000 Bauern in der Wirtschaftskrise. Sie sind auch ein Signal an die potenziellen Wähler. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht zeitgleich zur Kundgebung in der CDU-Zentrale von «extremen Herausforderungen» für die Bauern. Neben der Entlastung beim Agrardiesel sollen die EU-Beihilfen mit Bundeshilfe vorgezogen werden und zinsgünstige Kredite den Bauern bei Liquiditätsengpässen helfen, kündigt Aigner an.

Die angekündigten Erleichterungen beim Agrardiesel kommen bei den Bauern verhalten an. Das sei besser als nichts. «Aber es reicht noch nicht», sagt der Landwirt Tobias Venbert aus dem Emsland. Er fordert europaweite Gleichberechtigung. Agrardiesel ist in Deutschland mit 25,5 Cent pro Liter geringer besteuert als normaler Treibstoff. In Frankreich ist er aber mit weniger als einem Cent pro Liter zum Beispiel fast steuerfrei. Die deutschen Landwirte werden durch diese Steuer laut Bauernverband mit bis zu 950 Millionen Euro im Jahr belastet.

Doch kann die Politik die Probleme der Bauern lösen? Der Preisdruck bleibt. Die rund 100 Molkereien stehen in den Preisverhandlungen nur wenigen Handelskonzernen gegenüber, die die günstigen Einkaufspreise im scharfen Wettbewerb an die Verbraucher weitergeben wollen. Sonnleitner spricht von «modernem Raubrittertum».

Aigner fordert, dass die Molkereien stärker fusionieren, die Industrie weniger Käseersatz verarbeiten und die Verbraucher mehr für Lebensmittel zahlen sollen. Dazu kommt, dass Bauernverband und Milchviehhalter im Clinch liegen. Die Landwirte sind skeptisch, ob sich viel ändern wird. «Die Frage ist, ob die versprochenen Erleichterungen auch bei den Bauern ankommen», sagt Sigrid Reusch aus Gräfendorf in Unterfranken. Beim Agrardiesel sei immerhin ein erster Schritt gemacht. «Realistisch gesehen hatte wohl keiner heute viel mehr erwartet.» (dpa)
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