Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
23.05.2009 | 12:13 | Atomare Energie  

Bartmeise und AKW - Kritik an Polens Atomplänen

Frankfurt (Oder) - Michael Jungclaus montiert gerade Solarplatten auf einem Dach.

Atomstrom
(c) proplanta
Der Handwerker aus Neuenhagen bei Berlin setzt nicht nur beruflich auf erneuerbare Energien, sondern engagiert sich auch politisch für eine Zukunft ohne Atomkraft. «Nach Tschernobyl und Asse - wer will da schon ein Atomkraftwerk vor seiner Haustür? Ich nicht», sagt der Kreisvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Märkisch-Oderland. Doch genau das droht ihm. Denn Polen will bis 2020 zwei Atomkraftwerke (AKW) bauen. Als ein möglicher Standort ist Greifenhagen (Gryfino) in der Woiwodschaft Westpommern nahe der Grenze zu Deutschland im Gespräch.

Der Ort liegt im unteren Odertal, unweit von Uckermark und Vorpommern. Auf seiner Internet-Seite wirbt er mit landschaftlichen Reizen wie dem größten Torfmoor Mitteleuropas, seltenen Pflanzen- und Tierarten: Schwanenblume, Seekanne und Engelwurz; Bartmeise, Trauerseeschwalbe und Sumpfohreule. Für Umweltschützer ist nicht nur in diesem Idyll ein Atomkraftwerk undenkbar. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mehren sich die Stimmen der Gegner.

Der Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen in Mecklenburg- Vorpommern, Ulrich Söffker, verlangt von seiner Landesregierung eine «klare ablehnende Positionierung». Auf die können seine brandenburgischen Parteikollegen und AKW-Gegner bereits bauen: Für ihn sei die Atomkraft keine verantwortbare Form der Energieerzeugung, bekräftigte vor kurzem Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Er wolle seine Kontakte nutzen, um der polnischen Seite die deutschen Vorbehalte klarzumachen.

Der märkische SPD-Landtagsabgeordnete Mike Bischoff aus Schwedt/Oder meint mit Blick auf den im Nordosten gelegenen Nationalpark Unteres Odertal: «Es wäre ein deutlicher Widerspruch, wenn in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem mit viel EU-Geld geförderten Nationalpark ein Atomkraftwerk entstünde.»

Am vergangenen Samstag demonstrierte der Bündnisgrüne Söffker mit rund 50 deutschen und polnischen Atomkraftgegnern in dem rund 20.000 Einwohner zählenden Ort Greifenhagen. «Wir werden den Widerstand von polnischen Umweltschützern zukünftig unterstützen. Die Ablehnung auf deutscher Seite ist sehr deutlich.» Der Landesvorsitzende der Brandenburger Bündnisgrünen, Axel Vogel, erklärt: «Wir sehen die Veranstaltung als Beginn einer deutsch-polnischen Anti-AKW-Bewegung.»

Erste Kommunalparlamente in der brandenburgischen Grenzregion haben Resolutionen gegen die polnischen Pläne verabschiedet. Gemäß internationaler Verträge müsse Brandenburg in das Genehmigungsverfahren eingebunden werden, erläutert ein Sprecher des Umweltministeriums in Potsdam. «Uns liegt noch nichts Konkretes auf dem Tisch.»

Ungeachtet der Proteste aus Deutschland hält die polnische Regierung an ihrem Vorhaben fest. Polen werde «selbstverständlich» seine Pläne, vor allem die Umweltverträglichkeit des Projekts, mit den Nachbarländern entsprechend der internationalen Konventionen besprechen, sagt Hanna Trojanowska. Sie war am Dienstag in Warschau zur Regierungsbeauftragten für die Atomenergie ernannt worden. Die 50-Jährige soll Vorschläge zu Zahl, Stärke und Standorten der geplanten Atommeiler erarbeiten. In Polen werden derzeit mehr als 90 Prozent des Stroms aus Kohle gewonnen.

Trojanowska wird auch die Vorschläge aus Westpommern zu prüfen haben. Die Woiwodschaft will nach Angaben des Physikers Konrad Czerski von der Universität Stettin (Szczecin) vier bis fünf mögliche Standorte einreichen. Neben Greifenhagen seien Standorte im Osten sowie im Südosten der Woiwodschaft in der engeren Auswahl, sagte er der Deutschen Presse-Agentur dpa. Er gehört einer regionalen Kommission an, die die Woiwodschaft berät.

Westpommern sei besonders geeignet, sagt Czerski und zählt auf: geringe Bevölkerungsdichte, gute Lage zum Wasser und die Unterversorgung mit Kraftwerken im Norden Polens. «Kernkraft ist sauberer als Kohle und stößt auch auf breite Akzeptanz in Polen.» Zudem erhoffe sich die Region Westpommern durch Bau und Betrieb eines Atommeilers wirtschaftlichen Aufschwung. (dpa)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Bilanz nach einem Jahr Atomausstieg

 Frankreich nimmt im Sommer neues Atomkraftwerk in Betrieb

 Neuartige Atomreaktoren auf Jahrzehnte nicht marktreif nutzbar

 Kernkraft-Gipfel: Staaten planen schnelleren Ausbau von Atomenergie

 Staaten kündigen beschleunigten Ausbau von Atomkraft an

  Kommentierte Artikel

 Größere EU-Getreideernte erwartet

 Bedarf an hofeigenen KI-Wetterfröschen wächst rasant

 Was will die CDU in ihrem neuen Programm?

 Frankreichs Staatsrat schränkt Vogeljagd weiter ein

 LED-Lampen in Straßenlaternen sparen massiv Strom ein

 Zahl der Bäckereien weiter rückläufig

 Wundermittel und Jahrhundertgift PFAS: Derselbe Circus - andere Clowns

 Deutsche Verbraucher offen für abgelaufene Lebensmittel

 Brandenburger Dackel wohl von Wolf angegriffen

 Tag des Wolfes - Bauern machen Druck für vereinfachten Abschuss