Ottomotoren werden zum Teil mit Ethanol aus Getreide angetrieben, Dieselmotoren dient Biodiesel aus speziell behandeltem Pflanzenöl als Brennstoff. Raps und Zuckerrohr statt Rohöl im Tank: Das mag wunderbar klingen ist aber höchst umstritten. «Wir sehen diese Entwicklung sehr kritisch», sagt Andree Böhling von der Umweltschutzorganisation
Greenpeace in Hamburg. Anders als bei der Versorgung mit Wärme und Strom tauge
Biomasse noch nicht für eine großflächige Versorgung mit Kraftstoffen.
Seit Beginn des Jahres müssen Kraftstoffe in Deutschland einen Mindestanteil Biokraftstoff enthalten. Für Benzin liegt die Quote derzeit bei 1,2 Prozent, für Diesel bei 4,4 Prozent. Bis zum Jahr 2020 strebt die EU einen Anteil der
Biokraftstoffe von mindestens zehn Prozent am Gesamtabsatz an, um die Abhängigkeit vom schwindenden Rohöl zu mildern.
Auch Thomas Isenberg vom Verbraucherzentrale Bundesverband betont, dass man bei aller Euphorie realistisch bleiben müsse: «Wir werden keine Energie-Autokratie haben damit.» Derzeit werden auf zwei der insgesamt elf Millionen Hektar deutscher Ackerfläche nachwachsende Rohstoffe angebaut. Aus einem Hektar Raps würden etwa 1600 Liter Biodiesel gewonnen, erklärt Michael Lohse vom Deutschen Bauernverband. Die Anbaufläche könne maximal auf drei Millionen Hektar erweitert werden, sagt Lohse. «Berücksichtigt man das Prinzip
Nachhaltigkeit, ist dann Ende der Fahnenstange.»
Schon seit Oktober 2005 kann inländischer Raps dem Mineralölwirtschafts-verband (MWV) in Hamburg zufolge den Bedarf an Pflanzenöl nicht mehr decken. In diesem Jahr müssen demnach mehr als zwei Millionen Tonnen Öl importiert werden und damit etwa die Hälfte der bundesweit benötigten Menge. Immer mehr Biomasse werde deshalb aus asiatischen, südamerikanischen und afrikanischen Ländern importiert. Für Palmöl aus Indonesien und Ethanol aus Brasilien aber würden weitere Urwälder gerodet, warnt Böhling. «Nachhaltig ist die Produktion da nicht», betont auch Lohse.
Gewaltige Auswirkungen wird der zunehmende Biokraftstoffanteil auch auf die weltweite Landwirtschaft haben. «Es wird zunehmend Konkurrenz geben zwischen Lebensmitteln und Energie, die Preise werden anziehen», nimmt Isenberg an. Bemängelt wird von Kritikern auch die vergleichsweise geringe Einsparung von Treibhausgasen. Bei Anlagen zur Strom- und Wärme-erzeugung aus Biomasse seien diese bis zu drei Mal so groß wie im Verkehrssektor, sagt MWV-Sprecherin Barbara Meyer-Bukow.
Theoretisch könnten Biokraftstoffe zu immensen Emissionsminderungen führen, da bei der Verbrennung nur so viel Kohlendioxid freigesetzt wird, wie die Pflanzen während des Wachstums aufnahmen. Doch die Realität sieht anders aus: Transport, Düngung und die Aufbereitung der Biomasse verschlechtern die Bilanz. Die Vorteile für den
Klimaschutz seien deshalb gering, sagt Andreas Ostermeier vom Umweltbundesamt. Ersetze man beispielsweise fünf Prozent Diesel durch Biokraftstoff, resultiere daraus nur eine Kohlendioxid-Reduktion um zweieinhalb Prozent.
Bei aller Kritik lehnt aber kaum jemand die Nutzung von Biomasse für Kraftstoffe komplett ab. Die Hoffnungen ruhen bei vielen auf den «Biokraftstoffen der zweiten Generation». Dazu zählen zum Beispiel so genannte «Biomass-to-Liquid»-Verfahren (BTL), bei denen aus Biomasse synthetisch Kraftstoffe gewonnen werden. Die Vision dabei ist, aus Biomasse jedweder Art durch Umwandlung in ein Gas und anschließende chemische Bearbeitung einen hochwertigen Kraftstoff herzustellen. Der Bereich steht jedoch noch gänzlich am Anfang, großtechnische Produktionsanlagen gibt es noch nicht.
Vor allen anderen Möglichkeiten sollte nach Ansicht der Experten ohnehin eine andere Option höchste Priorität erhalten: «Bevor man überhaupt anfängt, sollte erst mal der Bedarf gesenkt werden», sagt Ostermeier. «Bei den heutigen Verbräuchen macht der Einsatz von Biokraftstoffen gar keinen Sinn.» Ein Mittelklassewagen verbrauche derzeit im Durchschnitt sieben Liter Kraftstoff je 100 Kilometer, erklärt der UBA-Experte. Möglich seien und das sofort mittels technischer Änderungen drei Liter. «Man kann wie bisher zwei Millionen der insgesamt 50 Millionen jährlich benötigten Tonnen Diesel durch Biodiesel ersetzen oder aber man verbraucht einfach 30 Millionen Tonnen davon erst gar nicht.» (dpa)