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24.02.2011 | 05:41 | Biogasproduktion  

Biogasrat: WWF-Studie unter Niveau- "Biogas federt Strukturwandel in der Landwirtschaft ab"

Berlin - "Die Studie des WWF zu den Auswirkungen der Biogasproduktion auf die Landwirtschaft bleibt völlig unter dem Niveau, das wir sonst von dieser Umweltorganisation gewohnt sind."

Biogas
Bedauert der Geschäftsführer des Biogasrat e.V. Reinhard Schultz. "Schließlich ist der WWF die Organisation, die in verschieden Reports den Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare Energien für möglich hält".

Die agrar-romantische Parteinahme für die traditionelle "gute" und zugleich "kleine" Landwirtschaft blende aus, dass es immer schon den Wettbewerb und darauf folgend Strukturwandel im Agrarsektor gegeben hat. "Die von früheren Bauernpräsidenten geprägte Formel "Wachsen oder Weichen" sei nicht von der Biogaswirtschaft erfunden worden, sondern beschreibe eine Gesetzmäßigkeit, die mit technischem Fortschritt, sich verändernden Märkten und der unterschiedlichen Finanzkraft der Marktteilnehmer zu tun hat. "Extrem sichtbar wird dieses Prinzip in Veredelungsregionen", erklärt Schultz. "Der Boom der Veredelungswirtschaft mit der Massentierhaltung führt zu Flächenbedarf und verschärft den Wettbewerb um die Fläche. Da die Zahl von Schweinen und Rindern, die ein Landwirt halten darf, an die Größe der Fläche gebunden ist, auf die er die Gülle verbringen kann, führt das Wachstum dieser Branche zu immer größeren Betrieben, während die kleineren verschwinden", betont Schultz und verweist auf eine Befragung der Landwirte durch das Landwirtschaftministerium in Schleswig-Holstein. "Mit dieser Entwicklung hat die Erzeugung von Biogas so gut wie nichts zu tun."

Die vom WWF unterstellten EEG-Vergütungen in Höhe von 750.000 Euro für eine 600 KW-Biogasanlage sind nicht mit den Zuschüssen zur landwirtschaftlichen Produktion vergleichbar: Denn das EEG vergütet ausschließlich die durchschnittlichen Mehrkosten der Strom- und Wärmeerzeugung aus Biogas gegenüber den Marktpreisen für Strom. Der Gewinn ist oft bescheiden und hängt von der Gesamteffizienz der Anlagen ab. Im Übrigen werden die aller meisten Biogasanlagen in dieser Größenordnung von Landwirten betrieben.

Der Boom der Veredelungswirtschaft in 15 von über 400 Landkreisen in Deutschland, wie in Nordniedersachsen, Schleswig-Holstein, Teilen des Münsterlandes und in Teilen von Bayern und Baden-Württemberg hat dazu geführt, dass teilweise 70 Prozent der Anbauflächen mit Mais als Futtermittel bepflanzt sind. "Das sich in diesen Regionen Tierveredeler und Fleischwirtschaft in ihrem Wachstum durch Biogasanlagen gestört fühlen, ist aus Sicht dieser Unternehmen verständlich, lenkt aber davon ab, dass sie selbst die eigentlichen und einzigen Verursacher des Drucks auf Flächen und Pachtpreise sind." Schultz versteht grundsätzlich auch die Landwirte, die Opfer dieser Entwicklung sind, weil sie Pachtflächen verlieren. "Aber die Schuld nur bei anderen zu suchen, verstellt den Blick auf die Wirklichkeit und diskreditiert eine ganze Branche. Im Übrigen sind die WWF-Angaben zum Anstieg der Maisanbauflächen sind irreführend. Auf das gesamte Bundesland Niedersachsen bezogen, liegt der Anteil der landwirtschaftlichen Fläche, die für den Anbau von Biomasse zur Biogaserzeugung genutzt wird, nur geringfügig über dem Anteil der Flächen, die vor 2005 stillgelegt waren (EU Programm zum Abbau der Produktionsüberschüsse).

Über die Auswirkungen von Massentierhaltung und überbordenden Fleischverzehr könne man sich sehr gut streiten, meint Reinhard Schultz. "Aber das Umweltorganisationen wie der WWF jetzt Massentierhalter vor Biogas in Schutz nehmen, ist schon merkwürdig. Biogas leistet einen hohen Beitrag zur CO2-Reduzierung und Versorgungssicherheit. In Veredelungsregionen hilft die Vergärung von Gülle darüber hinaus, den Boden und das Grundwasser durch ein kluges Nährstoffmanagement zu entlasten. Wer die Ziele der EU und der Bundesregierung zum Ausbau Erneuerbarer Energien und zum Klimaschutz ernst nimmt, muss den Anstieg der Biogasproduktion fördern und darf ihn nicht verhindern."

Das Ziel der Biogasbranche ist es, möglichst flächenschonend und kosteneffizient Biogas für die Erzeugung von Strom, Wärme und Kraftstoffversorgung zur Verfügung zu stellen. Dabei spielt die Landwirtschaft eine zentrale Rolle. Aber auch für sie gilt: Wettbewerb und technischer Fortschritt bestimmen die Spielregeln. Wer Subventionen abbauen will, muss für eine möglichst wirtschaftliche Biogasproduktion sein. "Das geht nicht mehr mit Kleinstanlagen, ebenso wie der Umbruch großer Ackerflächen nicht mehr mit einem Gespann aus Ochsen und Holzpflug bewerkstelligt werden kann", unterstreicht Reinhard Schultz. "Unwirtschaftliche Kleinstanlagen erhalten im Übrigen eine deutliche höhere Förderung als effiziente größere Anlagen. Das ist ökonomischer Schwachsinn."

Nicht nur nach Auffassung des Biogasrat e.V. stehen sowohl für die Lebensmittelproduktion als auch für die Biogaserzeugung genügend Flächen zur Verfügung. "Aber auch hier wird es Strukturwandel geben. Ölsaaten, wie Raps, für die Biodieselproduktion werden wegen ihrer schlechten CO2-Bilanz Mitte des Jahrzehnts der Biogasproduktion weichen. Hier werden große Flächen frei", ist sich Schultz sicher. Auf mittlere Sicht wird Biogas auch nicht mehr überwiegend aus Mais erzeugt werden. Eine große Rolle wird die Zuckerrübe spielen. Gemeinsam mit den Pflanzenzüchtern will der Biogasrat auch andere Energiepflanzen zum Durchbruch verhelfen. "Damit sorgen wir für biologische Vielfalt" - ein Leitziel des Biogasrat e.V. "Und unabhängig von nachwachsenden Rohstoffen werden biologische Abfälle in Zukunft eine größere Rolle bei der Biogasproduktion spielen. "Weit über 50 Prozent der erzeugten Lebensmittel werden weggeworfen, z.T. schon während der Produktion, zum Teil vom Handel und der Rest in den Haushalten. Da wollen wir ran", fordert Schultz, der daher auch für eine vom Einsatzstoff unabhängige Vergütung der Biogasproduktion eintritt.

Im Übrigen unterstreicht der Biogasrat, dass eine Politik zur Förderung Erneuerbarer Energien in erster Linie Energiepolitik sein muss und nicht eine Fortsetzung der Agrarsubventionen mit anderen Mitteln. "Wenn sich die Landwirtschaft aus guten Gründen mit der Biogasproduktion ein zusätzliches Standbein schafft, dann spielt sie auf mehreren Märkten und wird so krisenfester. Biogas federt den Strukturwandel in der Landwirtschaft ab. Diese Rechnung geht jedoch nur auf, wenn sie an die Energieerzeugung dieselben Wirtschaftlichkeitsmaßstäbe anlegt, wie an die Lebensmittelproduktion. Leistungsfähigkeit und Nachhaltigkeit sind kein Gegensatz", appelliert Schultz an Marktteilnehmer und Politik.

Der Biogasrat fordert daher, dass bei der Neuausrichtung des EEG hohe Maßstäbe für Umwelt- und Kosteneffizienz der Biogasanlagen die Grundlage für die Förderung werden. Alle Sondervergüten sollen zugunsten einer einheitlichen Marktprämie verschwinden. Marktprämie bedeutet: Nur Mehrkosten werden durch die Förderung abgedeckt, der Rest muss am Markt erwirtschaftet werden. Ausnahmen soll es nur für die Förderung der Kraft-Wärmekopplung und für die Biogaserzeugung aus Gülle geben. Neben der Verstromung soll auch die Wärmeerzeugung und der Kraftstoffmarkt für Biogas erschlossen werden.

Der Biogasrat tritt für wasserdichte Nachhaltigkeitsnachweise ein, die aber- im Gegensatz zum WWF - nicht nur die Biogasproduktion, sondern auch die jeweiligen Wettbewerbsproduktionen mit einbeziehen müssen. Also den Mais für Futtermittel genauso wie für Biogas. "Das würde für Klarheit sorgen und manche regionalen Fehlentwicklungen transparent machen." (ots)
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