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11.09.2013 | 15:37 | Strommarkt 

Kraftwerke vom grünen Strom bedrängt

Essen/Düsseldorf - Strom aus Wind und Sonne lässt die Börsenpreise purzeln. Weil die Erneuerbaren bei der Einspeisung Vorfahrt haben, gehen Kraftwerke vom Netz. Die Branche wartet ungeduldig auf eine Reform der Strommarktgesetze.

Kraftwerk
(c) proplanta
Das Rheinland zwischen Mönchengladbach, Aachen und Bonn gilt als größter Braunkohletagebau Europas. Hier wühlen sich riesige Schaufelbagger durchs Erdreich. Das begehrte «braune Gold» aus den gigantischen Abbaugebieten Garzweiler, Hambach und Inden stillt den Hunger der Kraftwerke des Essener Energieriesen RWE. 24 Kraftwerksblöcke betreibt das Unternehmen dort mit einer Leistung von 10.000 Megawatt - mehr als ein Zehntel des bundesweiten Verbrauchs.

Auf sichere Profite hatten die Energiemanager bundesweit vertraut, als sie die Pläne für die Braunkohle-, Kohle- und Gaskraftwerke entwarfen und Milliardensummen in die Hand nahmen. Nun verbucht nur noch die vergleichsweise «schmutzige» Braunkohle schwarze Zahlen. Ausgerechnet die umweltfreundlichen und vergleichsweise kostspieligen Gaskraftwerke sind dagegen schwer in die Bredouille gekommen: Der Ausbau von Sonnen- und Windstrom bringt sie unter Wettbewerbsdruck.

«Die Lage ist dramatisch», sagt Matthias Hartung, Chef der für konventionelle Stromerzeugung zuständigen RWE-Gesellschaft RWE-Generation. «Ich bin froh, dass ich heute nicht über Investitionen entscheiden muss». Viele Kraftwerke ob bei RWE, Eon und anderen stehen nicht mehr im Geld, heißt es im Fachjargon der Kraftwerker. Die bundesweite Erzeugungskapazität an erneuerbaren Energien - Wind-, Bio- und Sonnenstrom - von mehr als 65 Gigawatt (2012) würde an manchen Tagen theoretisch allein ausreichen, um den deutschen Strombedarf zu decken. Das gilt vor allem an Wochenenden.

Ist zu viel Strom vorhanden, geht der Preis in den Keller. Allein von Anfang 2012 bis Juli 2012 fiel der Großhandelspreis von rund 55 Euro pro Megawattstunde auf 36 Euro. Nach Angaben von RWE bedeuten 1 Euro weniger im Schnitt Erlöseinbußen von 70 Millionen Euro im Jahr bei der Braunkohle und 24 Millionen Euro bei der Kernkraft. Einstweilen profitieren die Erzeuger beim Stromverkauf noch von längerfristigen Verträgen. Doch von Jahr zu Jahr schmelzen die Vorteile dahin. «In zwei bis drei Jahren trifft uns die Krise in voller Wucht», prophezeit Hartung.

Auch Eon-Chef Johannes Teyssen wettert schon seit Monaten: «Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie unsere Kraftwerke dauerhaft rote Zahlen schreiben». Das Unternehmen wolle nicht «Lastesel» der Energiewende sein. Und die kommunalen Energieversorger stimmen in das Klagelied mit ein. Deutschlands größter Stadtwerkeverbund Trianel befürchtet Rückschläge bei der Energiewende. Allein das nagelneue Steinkohlekraftwerk im westfälischen Lünen werde inklusive Kapitaldienst im ersten vollen Betriebsjahr 2014 rund 100 Millionen Euro Verlust erwirtschaften, prognostizierte Sven Becker, Chef von Deutschlands größtem Stadtwerkeverbund Trianel, vor kurzem.

Die Betreiber versuchen, nicht lukrative Kraftwerke vom Netz zu nehmen. Aktuell sei die Stilllegung von 19 Kraftwerksblöcken mit zusammen rund 5,5 Gigawatt bei der Bundesnetzagentur angezeigt worden, sagt ein Sprecherin. Bei zehn Blöcken prüft die Behörde, ob sie für die Stabilität des Netzes wichtig sind. Fachleute erwarten mögliche Probleme vor allem in Süddeutschland. Bei Systemrelevanz kann die Netzagentur eine Abschaltung verbieten.

Wirklich Abhilfe kann erst eine Änderung der politischen Rahmenbedingungen schaffen. Dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit seinem Einspeisevorrang und der kräftigen Förderung für Wind- und Sonnenstrom schnell reformiert werden muss, damit der Strompreis nicht explodiert, unterschreibt praktisch die gesamte Branche. Doch wie das neue Strommarktdesign aussehen soll - darüber streiten die politischen und Interessenlager heftig. Sicher ist nur eins: Es wird teurer. Die EEG-Umlage wird voraussichtlich von derzeit 5,28 Cent pro Kilowattstunde auf knapp 6,5 Cent steigen.
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