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27.11.2012 | 15:31 | Projekt Desertec 

Wüstenstrom mit Hindernissen

München - Die hochfliegenden Pläne der Wüstenstrom-Initiative Desertec sind auf dem harten Boden der Tatsachen angekommen. Nach einigen Rückschlägen gibt es jetzt aber auch wieder positive Neuigkeiten.

Solarstrom
(c) proplanta
Endlich mal eine gute Nachricht für das Wüstenstrom-Projekt Desertec: Die bundeseigene KfW-Bank hat für den Bau des ersten großen Solarthermie-Kraftwerks in Marokko 100 Millionen Euro Kredit zugesagt. Und für den weiteren Ausbau des Kraftwerkparks am Rande des Atlas-Gebirges stellt sie «eine vielfach höhere Finanzierung in Aussicht». Vielleicht fließt ab dem Jahr 2016 tatsächlich der erste Sonnenstrom nach Europa.

Im Augenblick ist es noch umgekehrt: Marokko importiert den größten Teil seines Stroms aus Europa. Aber die Desertec-Stiftung und die von Konzernen wie RWE, Eon, ABB, Deutscher Bank und Munich Re vor drei Jahren gegründete Desertec-Industrie-Initiative dii hat eine große Vision: Bis zum Jahr 2050 sollten 400 Milliarden Euro investiert werden und 15 bis 20 Prozent des europäischen Strombedarfs von Wind- und Sonnenkraftwerken in Nordafrika gedeckt werden. Die Umsetzung der hochfliegenden Pläne ist allerdings mühsamer als gedacht.

Die dii sollte ihre Arbeit eigentlich schon Ende dieses Jahres erledigt haben und aufgelöst werden. Inzwischen wurde sie um zwei Jahre verlängert. Zuletzt häuften sich die negativen Schlagzeilen: Siemens und Bosch stiegen aus. Siemens-Chef Peter Löscher sagte, langfristig sei die Vision richtig, aber im Moment müsse Europa sparen und habe wichtigere Probleme, als Stromleitungen von Afrika zu bauen. Der dreitägigen dii-Jahreskonferenz in Berlin gab kein Bundesminister die Ehre. Trotz Ankündigung konnte nicht einmal eine Absichtserklärung für ein späteres Rahmenabkommen unterzeichnet werden.

Mit großen Augen schaut man bei Desertec auf die Milliarden-Subventionen, mit der Photovoltaik und Windräder innerhalb Deutschlands angeschoben werden. Nach dem deutschen Einspeisegesetz wird nur inländischer Ökostrom gefördert. Würde man nur einige Milliarden in Pilotprojekte in der Wüste investieren, könnten die Kosten entscheidend gesenkt werden, sagt Desertec-Sprecher Michael Straub. «Klimaschutz ist ein globales Thema, und natürlich kann man für die Reduzierung des CO2-Ausstoßes am meisten tun, wenn man das Geld dort einsetzt, wo mit erneuerbaren Energien besonders viel sauberer Strom erzeugt wird.»

Die Sonne strahlt in der Sahara intensiver als in Deutschland, der Wind bläst so heftig wie an der Nordsee - und die Anlagen stören in den dünn besiedelten Gebieten viel weniger. Zudem können Solarthermie-Kraftwerke Wärme speichern und Strom dann einspeisen, wenn er gebraucht wird. Bei einem Stromverbund mit Nordafrika würden die Europäer rund 40 Prozent oder 33 Milliarden Euro im Jahr sparen, wirbt die dii.

Aber auch in Nordafrika sind noch viele Hürden zu überwinden. Die Stromerzeugung ist in staatlicher Hand, gesetzliche Grundlagen für private Stromerzeugung und -export fehlen. «Der Gang durch die Behörden und Ministerien ist mühsam», sagt Straub. Dii-Sprecher Klaus Schmidtke hofft, dass Marokko, Spanien, Frankreich, Italien und Deutschland nächstes Jahr ein Rahmenabkommen unterzeichnen.

Zwei Pilotprojekte sollen ab 2016 Strom nach Europa liefern: Das eine von Marokko nach Spanien, das andere von Tunesien nach Italien. Dabei geht es erst einmal um kleine Mengen. Die Anlagen starten mit annähernd 150 Megawatt Leistung. Aber sie sollen zeigen, dass die Vision machbar ist und keine Fata Morgana.

Bauherr des tunesischen Solarkarftwerks Tunur ist die britische Projektgesellschaft Nur Energy gemeinsam mit tunesischen Firmen. Noch fehlt die gesetzliche Grundlage für Stromexport. Aber der erste Spatenstich soll 2014 erfolgen, über neue Seekabel soll der Strom ab 2016 nach Rom fließen.

Die Preise seien mit denen von Windkraft aus der Nordsee vergleichbar; mit Stromversorgern und Großkunden werde verhandelt, sagt Straub. Ein Pilotprojekt wie Tunur könne auch zeigen, dass Sandstürme einer Anlage nichts anhaben könnten und die Bevölkerung vor Ort profitiere. In Tunur sollen bis zu 20.000 Arbeitsplätze in der Zuliefer- und Bauindustrie entstehen.

Wer in Marokko das erste 150-Megawatt-Kraftwerk für den Stromexport nach Europa bauen und betreiben wird, das muss die staatliche Energiebehörde noch entscheiden. Die dii-Mitgliedsfirmen haben sich bereiterklärt, 200 Millionen Euro zu investieren. Und die Leitung nach Gibraltar existiert bereits.

«Da ist noch einiges an Hausaufgaben zu erledigen», sagt Straub. Aber «wenn erst Pilotprojekte laufen, wenn die Beamten wissen, wie sie damit umgehen müssen, dann ist der Durchbruch geschafft.» (dpa)
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