Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
15.10.2013 | 10:34 | Essensverschwendung bekämpfen 

Gegenbewegung zu Lebensmittelverschwendung in den USA

New York - Das Hacken der Messer hallt im Pier 57 am Hudson River. Äpfel kullern über die Plastiktische, klein und schrumpelig.

Lebenbsmittel für die Tonne?
(c) proplanta
Die Haut der Tomaten ist aufgeplatzt. Vielleicht vierzig Männer und Frauen schnippeln sie zu Mus.

«Disco Soup» ist zum ersten Mal in New York und kommt ursprünglich aus Deutschland, wo es als «Schnippel Disco» ins Leben gerufen wurde. Organisiert hat es der Engländer Tristram Stuart, der Gründer der Kampagne «Feeding the 5000», die auf die Verschwendung von Lebensmitteln aufmerksam macht. Mit Aktionen wie dieser soll der Essensverschwendung der Kampf angesagt werden.

Ein Drittel der für den menschlichen Verbrauch produzierten Lebensmittel gehen verloren oder landen in der Tonne, heißt es von der UN-Ernährungsorganisation FAO - während eine Milliarde Menschen Hunger leiden. «Ich sage nicht, dass wir alle Essensreste nach Afrika schicken sollten», sagt Stuart. «Aber wenn wir mehr kaufen, als wir brauchen oder es auf Farmen wegschmeißen, verschwenden wir Ressourcen, die wir in Wertvolleres stecken können als in die Tonne.»

Ein paar Tage vor «Disco Soup» ist Rachael Mamane mit einem Lastwagen in den benachbarten Bundesstaat New Jersey getuckert. Eine Tonne Obst und Gemüse hat sie auf Farmen gesammelt - an einem Tag.

Keine großzügigen Spenden, sondern «Müll». Weil ein Apfel zu klein, eine Gurke zu krumm oder eine Tomate geplatzt ist, verschimmeln sie auf den Feldern. Weil Händler ihre Bestellungen in letzter Minute stornieren, bleibt ein Bauer auf einem Feld Wassermelonen sitzen. Und nicht zuletzt weil die Augen oft größer als der Magen sind. «40 Prozent der Lebensmittel, die in den USA hergestellt werden, landen nicht auf dem Teller sondern in der Tonne, auf der Farm, bei der Produktion, dem Händler oder beim Kunden.»

Aber das Problem betrifft nicht nur Obst: «Etikettierung ist in den USA sehr verwirrend für den Konsumenten», sagt Mamane, was dazu führe, dass Joghurts, Milchtüten oder Fleisch weggeschmissen werden, ohne sie überhaupt zu probieren. Eine neue Studie bestätigt, das viele und konfuse Etiketten Lebensmittelabfall verursachen. In den USA gebe es keine einheitliche Regel für das Haltbarkeitsdatum.

Das Label «zu verkaufen bis» etwa sage nichts über die Frische eines Produkts aus. Das führe dazu, dass neun von zehn US-Amerikaner Essen grundlos wegschmeißen, da sie Etiketten missverstehen.

Die Situation in Deutschland sieht ähnlich aus: Jedes achte Lebensmittel, das die Deutschen kaufen, landet im Müll. Das summiert sich im Laufe eines Jahres auf 82 Kilo pro Person, wie eine Studie des Bundesernährungsministeriums herausfand. Dabei ist die Produktion für die Tonne auch noch eine starke Belastung für die Umwelt.

«Das Problem bei Fleisch ist, dass unsere Produktpalette nicht darauf ausgerichtet ist, das komplette Tier zu verwenden», sagt Mamane. Bei den meisten Tieren werde das beste Fleisch herausgeschnitten, der Rest sei Müll.

Erkannt hat das die Metzgerei «Fleisher's» in Brooklyn. Dort schaffen es nicht nur die «besten» Stücke hinter die Theke, sondern auch Innereien, Zunge oder Herzen - «Dinge, die man in einem normalen Supermarkt nicht findet, weil sie im Müll landen», sagt Annie DeWitt von «Fleisher's». Aus dem Tierfett lässt die Metzgerei Seifen machen und die Knochen verkocht sie zu Stärke.

Im Pier 57 köchelt der Auberginen-Eintopf vor sich hin und der Herbstwind trägt den Duft nach draußen. Rebecca Weller achtet darauf, dass ihre beiden Kinder wirklich nur die Auberginen und nicht in ihre Finger schneiden. «Ich finde es wichtig, etwas gegen ein Problem zu tun, an dem wir alle schuld sind», sagt Weller. Passanten halten an und probieren Pizzabrot und Ingwer-Apfelsalat. Die Rezepte stammen von Anthony Fassio, Chef der Slow-Food-Bewegung New York. Er und seine Schüler sind an dem Freitagabend gekommen, um mitzuschnippeln.

«Wir versuchen, beim Kochen keine Abfälle zu produzieren und die ganze Pflanze zu verwenden - samt Blättern und Wurzeln.»

«Lebensmittelabfall ist eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit. Und das, das am leichtesten zu lösen ist», sagt Stuart. Was also kann der Verbraucher tun? «Auf Wochenmärkten einkaufen und lediglich in den Einkaufskorb packen, was man auch wirklich essen wird, ist schon ein guter Anfang», sagt Mamane. «Und wenn es einmal doch zu viel war, kann man es immer noch einfrieren oder verkochen.» (dpa)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Strategie gegen Lebensmittelverschwendung erntet Kritik wegen langsamer Umsetzung

 Österreich: Steuerpflicht bei Lebensmittelspenden soll fallen

 Umweltpolitiker drängen auf strengere Reduktionsziele bei Lebensmittelabfällen

  Kommentierte Artikel

 Wut und Wahlen 2024: Die zunehmend mächtige Gruppe der Nichtwähler

 NRW-OVG verhandelt Streit um ein paar Gramm Wurst zu wenig

 Ruf nach Unterstützung der Imker

 Kein kräftiger Aufschwung in Sicht - Wirtschaftsweise für Pkw-Maut

 Schutz vor Vogelfraß durch Vergrämung?

 Globale Rekord-Weizenernte erwartet

 Immer mehr Tierarten sorgen in Thüringen für Ärger

 Größere EU-Getreideernte erwartet

 Bedarf an hofeigenen KI-Wetterfröschen wächst rasant

 Was will die CDU in ihrem neuen Programm?