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11.04.2009 | 04:31 | Lebensmittelhandel  

Lidl: Handelsriese und Geheimniskrämer

Neckarsulm - Die Ordnung in den Gängen der Lidl-Märkte ist den Kunden wohlbekannt - die Konzernwelt des Handelsriesen gilt hingegen seit jeher als undurchsichtig.

Lidl
(c) proplanta
Nun kratzt ein neuer Datenskandal am Image des Discount-Giganten. Nach Bekanntwerden der Mitarbeiter-Bespitzelungen durch Privatdetektive vor rund einem Jahr sorgen geheime Krankenakten über die Belegschaft für Empörung. Gewerkschafter und Datenschützer sehen sich bestätigt in ihrer Kritik - sie bemängeln seit langem, dass es an demokratischen Grundprinzipien mangele. Doch was hat es mit der Lidl-Welt eigentlich auf sich? Ein Überblick über die Struktur des Neckarsulmer Konzerns.


Wie wurde Lidl zum Handelsriesen?

Die Discounter-Kette Lidl ist in gut drei Jahrzehnten rasant gewachsen und steht in Deutschland hinter Marktführer Aldi auf Platz zwei. Der erste Lidl öffnete seine Türen 1973 in Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz). Nach Angaben der Lidl-Zentrale in Neckarsulm bei Heilbronn gibt es mittlerweile gleichmäßig über ganz Deutschland verteilt mehr als 3.000 Filialen. Europaweit kämen noch einmal 5.000 Märkte hinzu. Lidl expandiert kräftig: Vor wenigen Tagen öffneten die ersten 13 Filialen in der Schweiz, in Kürze wird es Lidl auf den Kanarischen Inseln geben. Doch nicht überall fasst der Discounter problemlos Fuß - aus Norwegen hat er sich im vergangenen Jahr wieder zurückgezogen. Lidl beschäftigt nach eigenen Angaben bundesweit mehr als 50.000 Angestellte. Davon seien knapp 2.000 Auszubildende.


Wie ist Lidl aufgestellt?

Das Konzerngeflecht ist undurchsichtig. Lidl gehört zur Schwarz- Gruppe, zu der auch Kaufland zählt. Unter dem Dach der Lidl Dienstleistung GmbH & Co. KG firmieren 34 regionale Gesellschaften als GmbH. Außerdem ist eine Stiftung mit im Spiel. Mehr verrät Lidl nicht. «Die Stiftung ist im Rahmen der Entwicklung des Unternehmens entstanden», heißt es lediglich aus der Pressestelle, die sich stets zugeknöpft zeigt - und übrigens erst seit 2006 besteht. Schweigsam gibt sich das Unternehmen auch bei den Geschäftszahlen. «Das würde ja nur den Mitbewerbern dienen und nicht den Kunden», heißt es zur Begründung. Branchenkenner und Marktbeobachter nennen folgende Zahlen: Lidl habe 2008 in Deutschland 14,75 Milliarden Euro Umsatz gemacht - die Schwarz-Gruppe insgesamt 26,5 Milliarden. Konkurrent Aldi setze in etwa doppelt so viel um, Lidl wachse hingegen massiver.


Warum steht Lidl in der Kritik?

Kritiker beklagen die fehlende Transparenz bei Lidl und vermuten System hinter dem verästelten Konzerngeflecht. Die Gewerkschaft ver.di spricht von einer Atmosphäre des Misstrauens, die Mitarbeiter stünden unter Generalverdacht. Lidl bestätigt, dass der Handels- Gigant in ganz Deutschland nur acht Betriebsräte zähle. Bundesweit in die Negativ-Schlagzeilen geriet Lidl Anfang 2008, als das Nachrichtenmagazin «Stern» von systematischen Bespitzelungen der Mitarbeiter berichtete. Für die Verfehlungen akzeptierte Lidl ein Bußgeld in Millionenhöhe. Seither müht sich Lidl, den Image-Schaden zu begrenzen und lässt den früheren Bundesdatenschutzbeauftragten Joachim Jacob ein neues Datenschutzkonzept erarbeiten.


Was hat es mit dem neuen Skandal auf sich?

Mitten in diese Bemühungen platzte vor wenigen Tagen ein neuer
Skandal: Recherchen des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» deckten auf, dass das Unternehmen die Krankheiten von Mitarbeitern in firmeninternen Unterlagen festhielt. Protokolliert worden seien etwa psychische Probleme oder Behandlungen bei unerfüllten Kinderwünschen.


Welche Konsequenzen zieht der Discounter?

In den eigenen Unternehmensgrundsätzen schreibt Lidl: «Wir verhalten uns so, dass wir als attraktiver Arbeitgeber bekannt und geschätzt sind.» Als Antwort auf den neuen Skandal entließ Lidl am Montag seinen Deutschlandchef Frank-Michael Mros. Ihm folgte mit Jürgen Kisseberth eine hausinterne Neubesetzung.


Wer steht an der Lidl-Spitze?

Neben dem Management und Aufsichtsratschef Klaus Gehrig steht hinter Lidl der Heilbronner Unternehmer Dieter Schwarz - Namensgeber der Schwarz-Gruppe. Der 69-Jährige gilt als Vater des Lidl-Erfolgs. Das «manager magazin» taxierte sein Vermögen kürzlich auf elf Milliarden Euro - was in der Liste der reichsten Deutschen Platz vier hinter den Albrecht-Brüdern (Aldi) und Familie Porsche entspricht. (dpa)
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