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19.06.2009 | 09:13 | Milchwirtschaft  

Milchbauern protestieren in Brüssel

Brüssel - Unter großem Applaus, Gejohle und dem lauten Schlagen von Kuhglocken rollen die Traktoren ein.

Protest von Milchbauern
(c) proplanta
Eine schwarze Rauchwolke steigt in den Himmel - Autoreifen brennen. «Gerechtigkeit für uns Bauern» und «Quotenkürzung jetzt - es reicht schon lange» steht auf den Fahnen. Hunderte Milchbauern aus Deutschland, Belgien, Frankreich und den Niederlanden haben sich am Donnerstag im Brüsseler Europaviertel versammelt. Am Rande eines zweitägigen Gipfeltreffens der EU-Staats-und Regierungschefs wollten sie auf ihre Lage aufmerksam machen und für höhere Milchpreise demonstrieren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte das Thema bei dem zweitägigen Gipfel ansprechen. Mitten unter den Bauern ist Wilhelm Maier. Rund 720 Kilometer ist der 52-Jährige aus dem baden-württembergischen Neustetten (Kreis Tübingen) gefahren - mit seinem alten roten Trekker auf dem Tieflader. «Wir kämpfen für einen Milchpreis, von dem wir leben können», erklärt er. Zehn Stunden hat die Fahrt gedauert. Einer seiner drei Söhne wolle den Betrieb mit 70 Milchkühen gerne übernehmen - überlege es sich aber sehr gut.

Etwa 25 Cent bekommen die Milchbauern im Moment je Liter Milch - inklusive Mehrwertsteuer. Sie bräuchten aber eigentlich 43 Cent, sagen sie. Gisela Webs, Teamleiterin beim Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) betont, dass Betriebe mit 400 Kühen jeden Monat teilweise bis zu 30.000 Euro Verlust machen.

Doch an ihrer Misere, das weiß man auch in Berlin, sind die Bauern teilweise selbst Schuld. Ein großer Teil der Molkereien, die mit den mächtigen Handels-Riesen wie Aldi oder Lidl die Preise aushandeln, gehören als Genossenschaften den Bauern selbst. Sie gingen regelmäßig nicht bis zum Äußersten, um angemessene Preise zu erzielen - in dem Wissen, das Problem an die Höfe «durchreichen» zu können, kritisieren Regierungsexperten. Angesichts des Export-Einbruchs von Milchprodukten wirft Agrarstaatssekretär Gerd Müller (CSU) der Branche mangelndes Engagement bei der Exportförderung vor. Die Branche sei «sehr schlecht aufgestellt», schimpft er.

Auch haben deutsche Milchbauern im europäischen Vergleich ihre Angebote und Sorten zu wenig ausgebaut und veredelt. Französischem Camembert oder italienischem Parmigiano haben die Deutschen vielfach schlicht den Liter Vollmilch entgegen zu setzen - eine Einladung an Preisdumping, meint Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel. Sie sieht außerdem wachsende Nachfrage nach europäischen Milchprodukten vor allem in Asien. Auf ihren Druck hin haben die EU-Staaten im vergangenen Herbst das Auslaufen der Milchquote 2015 beschlossen.

Mit der Obergrenze für die Milchproduktion versucht die EU seit 1984, die «Milchseen» einzudämmen und die Preise künstlich stabil zu halten. Jetzt sollen sich die Landwirte in mehr Markt üben. Dafür bekommen sie ohnehin schon deutlich mehr Subventionen als andere Landwirte. Und ein zusätzliches Schutzprogramm namens «Milchfonds» mit einer jährlichen Größenordnung von bis 2013 jährlich 350 Millionen Euro soll bei Restrukturierungsmaßnahmen helfen.

Das reicht nach Einschätzung von BDM-Chef Romuald Schaber nicht. «Die Bauern sehen keine Zukunft mehr», warnt er. Die Quotenregel müsse wieder angewendet werden. «Das kostet kein Geld, wirkt sofort und braucht nur einen politischen Beschluss.» Ganz so einfach ist es freilich nicht. In anderen Ländern wie Italien produzieren die Bauern weit kostengünstiger. Die Milchquote doch noch beizubehalten, sei völlig ausgeschlossen, heißt es in Kommissionskreisen. Mehr als eine Feinjustierung dürfte Merkel somit kaum erreichen. Doch selbst wenn die ebenfalls bereits beschlossene, schrittweise Erhöhung der Quote von einem Prozent pro Jahr bis 2013 doch nicht automatisch kommen sollte, wie Merkel fordert: Die Deutschen schöpfen ihre Quote ohnehin nicht aus. An den Preisen würde sich nichts ändern, betont Fischer Boel. (dpa)
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