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10.06.2008 | 19:00 | Zeckenbekämpfung 

Neue Bio-Methoden zur Zeckenbekämpfung entwickelt

Hohenheim - Toben auf dem Waldspielplatz, schwitzen auf dem Trimm-Dich-Pfad, Würste brutzeln auf dem Grillplatz - doch über jeder grünen Idylle schwebt immer ein Hauch von Furcht.

Zecke
(c) proplanta
Wo es Naturfreunde hinzieht, tummeln sich gern auch Zecken. Als Träger unterschiedlicher Krankheitserreger kann ihr Biss gefährliche Folgen haben. Laut des Borreliose- und FSME-Bundes Deutschland erkranken bundesweit jährlich 240.000 Menschen an Lyme-Borreliose und 300 an Hirnhautentzündung (FSME). Doch mit Hilfe gezielt ausgesetzter Fressfeinde könnten Eltern, Sportler und Freizeitgriller dem Traum eines zeckenfreien Naherholungsgebietes wesentlich näherkommen. Drei Jahre lang haben Biologen der Universität Hohenheim die aussichtsreichsten Zeckenfeinde ermittelt und getestet. Die Ergebnisse sind Teil des Forschungsprojekts "Borreliose-Prävention", das von der Landesstiftung Baden-Württemberg in Auftrag gegeben wurde.

Die Extremitäten sind verkrampft, der Panzer überwuchert mit wattigem Flausch, aus Gelenken brechen glasige Fäden hervor. Ein Bild, das Prof. Dr. Ute Mackenstedt lächeln lässt: "Diese Pilze bilden einfach ästhetisch wunderschöne Wucherungen."

Die Mikroskop-Aufnahme zeigt eine verendete Zecke, der Flausch, der sie überwuchert, ist einer der erfolgversprechenden Versuchs-Pilze in Aktion. Innerhalb eines Monats durchseucht der Pilz die Zecken von innen heraus. Im Forschungsprojekt "Borreliose-Prävention" haben sich einige Pilzsorten als besonders effizient herausgestellt: Bis zu 85 Prozent betrug - je nach Entwicklungsstadium - die Sterblichkeit unter Zecken, gut einen Monat nach dem Pilzbefall.

Der Vorteil der Zeckenbekämpfung durch Pilze & Co: Es handelt sich um natürliche Feinde, die in Deutschland seit jeher heimisch sind. Speziell gezüchtet und in Naherholungsgebieten ausgesetzt, könnten sie die Zeckengefahr wirkungsvoller bekämpfen als chemische Keulen.


Zunehmende Resistenzen gegen die chemische Keule

"Erfahrungen mit der chemischen Zeckenbekämpfung gibt es vor allem aus der afrikanischen Rinderzucht", erklärt Prof. Dr. Mackenstedt. Dort würden Kühe regelmäßig durch Gift-Wannen getrieben, doch für Waldspielplätze erscheint das kein probates Mittel - außerdem werden die Parasiten inzwischen zunehmend resistent.

Mit einer umfangreichen Inventur der natürlichen Zeckenfeinde hatte die Forschergruppe der Universität Hohenheim deshalb ihr Projekt begonnen. Exotische Organismen hatten die Biologen dabei von vornherein ausgeschlossen: "Die Auswirkungen auf das heimische Ökosystem wären zu unberechenbar".

Um sicher zu gehen, dass der Organismus sich exakt den selben Lebensraum wie die Zecke teilt, durchkämmten die Forscher Stuttgarter Büsche und Wiesen auf der Suche nach kranken Zecken, isolierten Pilze und Rundwürmer aus siechen Zeckenkörpern und gaben ihnen ideale Zuchtbedingungen in den Brutschränken ihrer Labore. Derweil summte es im Nachbargebäude, wo Prof. Dr. Johannes Steidle die gleichen Experimente mit winzigen Schlupfwespen durchführte.

Der Praxistest erfolgte dann schrittweise: "Erst haben wir Fressfeind und Zecke in sterilen Glasschalen zusammengebracht, dann unter naturähnlichen Bedingungen in einem Terrarium", erzählt Prof. Dr. Mackenstedt.


Pilze gegen Jung-Zecken, Rundwürmer gegen erwachsene Blutsauger

Dabei erwies sich der Pilz als besonders vielversprechend. "Für die Praxis bietet sich auch die Kombination mit anderen Feinden an", erklärt die Parasitologin. Denn Zecken haben eine ausgesprochen komplexe Biologie mit mehrjährigen Entwicklungsstadien. "Unsere Pilze und Mini-Wespen sind besonders bei Zecken im Nymphen-Stadium erfolgreich. Rundwürmer machen vor allem ausgewachsenen Zecken den Garaus."

Doch nicht nur die Biologie der Blutsauger macht die biologische Zeckenbekämpfung zum kaum betretenen Neuland für die Forschung. "Es ist ein hochkomplexer Vorgang, zwei Organismen in natürlicher Umgebung so zusammenzubringen, dass der eine den anderen vernichtet", erklärt Projektleiterin Prof. Dr. Mackenstedt. "Außerdem müssen wir sicherstellen, dass keine weiteren Arten Schaden nehmen."

Nach den vielversprechenden Laborergebnissen wollen die Biologen die Macht von Pilzen, Würmern & Co nun gerne unter Realbedingungen testen. "Der erste Studienabschnitt wurde uns durch die Landesstiftung Baden-Württemberg ermöglicht. Nun hoffen wir eine Folgefinanzierung zu finden, um das Konzept auch zur Anwendungsreife weiterentwickeln zu können." (PD)
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