Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft

04.06.2007 | 14:36 | Erneuerbare Energie 

Bioenergieerzeugung boomt auch in der Europäische Union

Bonn - Der weltweiten Bioenergieerzeugung wird für die kommenden Jahre ein eindrucksvolles Wachstum vorausgesagt.

Weizen
(c) proplanta
Vorreiter dieser Entwicklung sind die Vereinigten Staaten, in denen bereits mehr als ein Fünftel der Maisernte für die Bioethanolgewinnung eingesetzt wird. Doch auch bei uns fließt immer mehr Getreide in den Bioenergiesektor. Dies hat zur Folge, dass der Wettbewerb um die benötigten Rohstoffe wie Weizen und Roggen in Zukunft deutlich schärfer wird als bisher.

Die Diskussionen über schwindende Rohölreserven, Unabhängigkeit bei der Energieversorgung und die Folgen des Klimawandels geben dem Bioenergiesektor weiterhin kräftigen Aufwind. In Europa wird der Bioenergieboom seit einigen Jahren durch politische Rahmenbedingungen wie die Europäische Förderrichtlinie für Biokraftstoffe gefördert, die bis zum Jahr 2010 einen Biokraftstoff-Mindestanteil in Höhe von 5,75 Prozent am Gesamtkraftstoffmarkt vorsieht.

In Deutschland wird der Biokraftstoffsektor darüber hinaus durch zwei Gesetze maßgeblich beeinflusst: das Energiesteuergesetz sowie das Biokraftstoffquotengesetz. Während Ersteres eine stufenweise Erhöhung der Steuerbelastung für reinen Biodiesel und Pflanzenöl vorsieht, wird im Biokraftstoffquotengesetz eine Quotenverpflichtung für den Diesel- und Ottokraftstoffmarkt sowie die Einführung einer Gesamtquote für Biokraftstoffe festgelegt. Die Auswirkungen dieser jungen Regelungen sind bereits am Markt zu spüren: So engt die Besteuerung von Biodiesel in Verbindung mit vorübergehend sinkenden Mineralölpreisen die Kalkulationen der Hersteller erheblich ein und beeinträchtigt hierdurch insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit von "reinem" Biodiesel.

Durch das Biokraftstoffquotengesetz wird hingegen eine stetig steigende Absatzmenge garantiert, die insbesondere dem Bioethanolsektor zu Gute kommt. So werden für die Erfüllung der für 2007 festgeschriebenen Bioethanolquote von 1,2 Prozent am Ottokraftstoff hierzulande rund 430.000 Tonnen Bioethanol benötigt, das entspricht etwa der Produktionsmenge des Jahres 2006. Bis zum Jahr 2010 werden zur Quotenerfüllung in Deutschland schätzungsweise rund 1,1 Millionen Tonnen Bioethanol gebraucht. Hinzu kommen noch etwa 1,6 Millionen Tonnen aus der Gesamtquote, deren Zusammensetzung aus Biodiesel, Bioethanol oder anderen Biokraftstoffen der Mineralölwirtschaft überlassen bleibt.

Deutschland bedeutendster Bioethanolhersteller in der EU Deutschland ist in Europa Spitzenreiter bei der Herstellung von Bioethanol. Derzeit sind sieben Anlagen mit einer Kapazität von knapp 570.000 Tonnen in Betrieb. Für rund 80 Prozent der Produktionsmenge wird Getreide als Rohstoff verwendet. Im vergangenen Jahr flossen geschätzte 1,6 Millionen Tonnen Getreide in diesen neuen Verwendungsbereich. Davon entfielen etwa 41 Prozent auf Weizen, 38 Prozent auf Roggen, 16 Prozent auf Triticale und fünf Prozent auf Gerste. Sechs Anlagen mit einer Produktionsleistung von insgesamt 340.000 Tonnen befinden sich derzeit im Bau, weitere Kapazitäten für 1,26 Millionen Tonnen sind in Planung. Diese Betriebe sollen nahezu ausschließlich auf Getreidebasis arbeiten. Langfristig könnten damit in Deutschland Bioethanolkapazitäten von rund zwei Millionen Tonnen entstehen, aus denen sich ein Getreidebedarf in Höhe von sechs bis sieben Millionen Tonnen ergibt.

Roggennachfrage hierzulande größer als das Angebot
Hierzulande wird bereits ein Fünftel der hiesigen Roggenernte zu Bioethanol verarbeitet, Tendenz weiter steigend. Im laufenden Wirtschaftsjahr dürfte mit mindestens 500.000 Tonnen ebensoviel Roggen in die Bioethanolherstellung wie in die Mischfuttererzeugung gegangen sein, in 2007/08 dürfte die Roggenverwendung im Bioenergiesektor die Verarbeitung in den Mischfutterwerken dann klar überholen. Auch im Vergleich zur jährlichen Vermahlung von rund 900.000 Tonnen lässt sich die gestiegene Bedeutung dieser Verwendungsrichtung ermessen.

Aufgrund der regen Nachfrage des Bioethanolsektors übertrifft der Roggenverbrauch 2006/07 voraussichtlich erneut das Inlandsangebot. Bereits 2005/06 lag der Selbstversorgungsgrad nach offiziellen Angaben bei lediglich 81 Prozent. Wird die Erzeugung im nächsten Wirtschaftsjahr nicht deutlich gesteigert, dürfte es bei der Roggenversorgung noch enger werden.

Anteil von Ethanolweizen wächst
Anders stellen sich die Verhältnisse beim Weizen dar. Er ist bei uns zwar der mit Abstand wichtigste Rohstoff für die Ethanolproduktion, der Anteil des Ethanolweizens an der Ernte ist mit knapp drei Prozent jedoch deutlich geringer als bei Roggen. Wichtigster Verwendungsbereich ist traditionell die Verarbeitung in den Mühlen mit rund 6,7 Millionen Tonnen, gefolgt vom Einsatz im Mischfutter mit ungefähr 4,5 Millionen Tonnen und der Vergärung in der Bioethanolindustrie mit knapp 650.000 Tonnen. Sollten die ehrgeizigen Ziele hinsichtlich des Ausbaus der Produktionskapazitäten jedoch tatsächlich verwirklicht werden, könnte sich der Bioethanolbereich in einigen Jahren zu einem mengenmäßig ebenso wichtigen Absatzkanal entwickeln wie der Mühlen- und Futtersektor.

Wachsende Erzeugung von Biokraftstoffen in der EU
Doch nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen europäischen Ländern werden immer mehr Biokraftstoffe aus Getreide hergestellt. Spanien produzierte 2006 gut 310.000 Tonnen Bioethanol, davon ungefähr 50 Prozent aus Weizen, 25 Prozent aus Gerste und 25 Prozent auf der Basis von Weinalkohol. In Frankreich ist dagegen die Zuckerrübe der wichtigste Rohstoff für die Bioethanolerzeugung. Von den im vergangenen Jahr produzierten 200.000 Tonnen entfielen knapp die Hälfte auf Zuckerrüben und rund 30 Prozent auf Weinalkohol.

Der Getreideanteil lag bei rund 20 Prozent, das entspricht einer geschätzten Menge von 140.000 Tonnen. In Schweden flossen 2006 - neben anderen Rohstoffen - etwa 250.000 Tonnen, in Polen knapp 50.000 Tonnen Weizen in den Bioethanolsektor. Für die Bioethanolproduktion Ungarns wird vorwiegend Mais eingesetzt. Bei einer geschätzten Erzeugung von 27.000 Tonnen belief sich der Rohstoffeinsatz im vergangenen Jahr auf rund 100.000 Tonnen.

Bezogen auf die Weizenerzeugung in Europa spielt der Verbrauch des Bioethanolsektors mit umgerechnet knapp zwei Prozent beziehungsweise 1,7 Millionen Tonnen noch eine untergeordnete Rolle. Bei Gerste liegt der Anteil deutlich unter einem Prozent. Ganz anders ist die Situation beim Roggen: Aufgrund der überragenden Stellung Deutschlands bei Produktion und Verbrauch im Bioethanolsektor fließen 25 Prozent der EU-Ernte in diese Verwendung.

Viele neue Anlagen im Bau oder in Planung
Der EU-Bioethanolmarkt dürfte in den kommenden Monaten stark in Bewegung bleiben. Denn viele neue Anlagen, die sich derzeit im Bau oder in Planung befinden, dürften im Laufe dieses Jahres ihren Betrieb aufnehmen und für zusätzliche Rohstoffnachfrage sorgen. So könnten bis Ende 2007 europaweit bereits rund 2,5 Millionen Tonnen Weizen in diesen Verwendungsbereich fließen, das entspricht einem Anstieg um rund 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Bei Roggen wird eine Verbrauchszunahme um 25 Prozent auf 0,8 Millionen Tonnen prognostiziert. Voraussetzung dafür dürfte jedoch sein, dass die EU-Roggenerzeugung 2007 deutlich höher ausfällt als im Vorjahr. Vor dem Hintergrund der Dürre im April stehen - trotz kräftiger Flächenausdehnung in Deutschland - hinter den optimistischen EU-Ernteschätzungen für Roggen allerdings große Fragezeichen.

Die Verwendung von Gerste im Bioethanolsektor dürfte in den kommenden Jahren wieder an Bedeutung verlieren, da dieser Rohstoff bei den geplanten Anlagen kaum noch eine Rolle spielt. Der Verbrauch von Mais wird angesichts neuer Anlagen in Frankreich und Österreich bis Ende 2010 hingegen auf rund 350.000 Tonnen zunehmen.

Ziel sind EU-weit bis zu zehn Millionen Tonnen Bioethanol
Um den von Brüssel angestrebten Anteil von 5,75 Prozent Biokraftstoffen zu erreichen, werden bis zum Jahr 2010 rund neun bis zehn Millionen Tonnen Bioethanol benötigt. Viele Marktbeobachter rechnen jedoch damit, dass die tatsächliche Produktionsmenge niedriger ausfällt und dieses ambitionierte Ziel daher verfehlt wird. Aus derzeitiger Sicht erscheint eine Erzeugung von etwa fünf Millionen Tonnen Bioethanol in der EU realistisch.

Bei vier Fünfteln davon dürfte Getreide als Rohstoffbasis dienen, bei einem Fünftel Zuckerrüben. Der Weizenverbrauch im Bioethanolsektor steigt dabei auf geschätzte zehn bis elf Millionen Tonnen. An Roggen könnten bis zu drei Millionen, an Mais gut eine Million Tonnen und an Gerste 0,4 Millionen Tonnen eingesetzt werden. Sollten diese Prognosen zutreffen, legte der Anteil des zu Bioethanol verarbeiteten Getreides gemessen am gesamten EU-Getreideeinsatz von derzeit einem Prozent auf knapp sieben Prozent zu; das entspräche rund 16 Millionen Tonnen.

Flächenkonkurrenz nimmt zu
Bei Betrachtung des EU-Getreidebilanz ist angesichts von Exporten in Höhe von rund 20 Millionen Tonnen, Endbeständen von 45 bis 50 Millionen Tonnen und einem Selbstversorgungsgrad von deutlich über 100 Prozent keine dramatische Angebotsverknappung aufgrund des Bioethanolbooms in Sicht. Gleichwohl führt der rasch wachsende Bedarf zumindest in Ländern mit hoher Bioethanolproduktion auf Getreidebasis wie Deutschland, Spanien und Schweden zu einer erheblichen Belebung des Wettbewerbs um den Rohstoff und damit zu kräftiger Unterstützung der Preise. Hinzu kommt, dass durch die Nachfrage nach anderen Bioenergiearten wie Biodiesel und Biogas zusätzlicher Wettbewerb um Anbauflächen entsteht. Von dieser Entwicklung werden insofern auch die Märkte für Getreidearten, die gar nicht im Bioenergiesektor eingesetzt werden, immer stärker beeinflusst. (ZMP)
 
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken