Die wenigen Trauben, die noch an den Rebstöcken hängen, sind braun und verschrumpelt. Es ist eisig kalt in den Weinbergen in Unterfranken und noch sehr früh am Tag. Mit Handschuhen, Mützen, Scheren und Stirnlampen stapfen dennoch mehrere
Winzer an diesem Montagmorgen in die Weinberge - sie wollen den
Eiswein des Jahrgangs 2014 lesen. «Eine gute Handvoll Winzer hat gepokert und die Trauben bis jetzt hängen lassen», sagte am Montag etwa Hermann Schmitt, Geschäftsführer des Fränkischen Weinbauverbandes in Würzburg. Bei Temperaturen bis zu minus elf Grad Celsius hätten sie die gefrorenen Trauben nun von den Weinstöcken geschnitten
.Die Eiswein-Lese ist für die Winzer oft ein Wettlauf mit der Zeit und ein Hoffen auf stetig kaltes Wetter und gute Wettervorhersagen. «Die Temperaturen stiegen gegen vier Uhr wieder leicht an. Deshalb mussten wir uns heute Morgen richtig beeilen, aber der Aufwand hat sich gelohnt. Wir sind mit dem Ergebnis zufrieden», sagte Paul Glaser von der Winzergemeinschaft Divino Nordheim am Montag. Gemeinsam mit 18 Helfern hat er etwa 150 Liter Eiswein gepresst. Sie haben einen Zuckergehalt von etwa 162 Grad Oechsle. Mindestens 125 Grad Oechsle muss ein Eiswein haben.
Der Eiswein gilt als Königsdisziplin - für den hochwertigen Wein werden die besten Trauben so lange hängen gelassen, bis es zuverlässig mehrere Tage Temperaturen unter minus sieben Grad Celsius gibt. Weil die Trauben noch gefroren gepresst werden, ist der Zuckergehalt sehr hoch. Gerade für renommierte Weingüter ist der sehr teure Eiswein ein wichtiges Aushängeschild.
Die
Eisweinlese sei schon etwas Besonderes. «Es macht Spaß, aber es wird auch immer kostspieliger», sagt Glaser, der bei Divino Nordheim für die
Qualitätssicherung zuständig ist. Mit den Trauben, die nun rund 150 Liter Eiswein bringen, hätte die Winzergemeinschaft deutlich mehr Geld einfahren können: «Grob gerechnet hätten wir daraus im Spätsommer auch etwa 2000 Flaschen guten Silvaner machen können.»
Das Risiko werde aufgrund der Klimaveränderung größer: «Der
Klimawandel macht die Eisweinlese schwieriger. Es wird mehr und mehr zu einem Lotteriespiel», sagte Weinbauverbands-Geschäftsführer Schmitt. Im vergangenen Jahr konnten die Winzer aufgrund des milden Winters kein Eiswein lesen.
Eisweinlese im Kaiserstuhl
Bei minus zehn Grad haben Winzer in Südbaden am Montagmorgen Trauben für den Eiswein gelesen. In Vogtsburg im Kaiserstuhl (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) begaben sich die dickeingepackten Helfer kurz nach 7.00 Uhr in die Weinberge.
Mit Handschuhen und umgehängten Taschenlampen lasen sie zur Morgendämmerung die Trauben der Sorten Weißburgunder und Ruländer. «Beim Weißburgunder haben wir ein Mostgewicht von 194 Grad Oechsle erreicht, das war ein krönender Abschluss des Weinjahres 2014», sagte Leopold Laible, Kellermeister des Winzervereins Oberrotweil zufrieden. 320 Liter konnten aus den hartgefrorenen Trauben gepresst werden. Auch in anderen Orten in Südbaden wurde am frühen Morgen Eiswein gelesen. Dieser wird gerne zum Dessert angeboten.
Schlechte Aussichten für rheinland-pfälzischen Eiswein 2014
Die Eisweinlese des Jahrgangs 2014 wird in den rheinland-pfälzischen Anbaugebieten nach Einschätzung von Experten weitgehend ausfallen. «Das wird wohl dieses Jahr eher nichts», sagte ein Sprecher des Deutschen Weininstituts am Montag in Mainz.
Ausnahmen seien allerdings möglich. Für eine erfolgreiche Lese müsse die Eiseskälte über mehrere Tage anhalten. «Das war bisher nicht der Fall.» Der Experte bezweifelte, dass viele Winzer größere Mengen an Trauben für die Eisweinlese an den Reben hängen gelassen haben. Im Oktober sei es teilweise sehr nass gewesen, da hätten die Weingüter wegen der drohenden Fäulnis die Ernte lieber schnell eingefahren.
Unter anderem in Franken, im Odenwald und in Baden hatten Helfer zuletzt Trauben für die süße Rarität gelesen. Dafür muss es über längere Zeit kälter als minus sieben Grad Celsius werden.
