Die Befürchtung, dass sie auf dem Acker besser überdauern könnten, hat sich demnach nicht bestätigt. Das ist eines der Ergebnisse der biologischen Sicherheitsforschung, die sich mit möglichen Umweltauswirkungen der Cyanophycin-Kartoffel beschäftigt hat.
Die Kartoffel wurde von Wissenschaftlern der Universitäten Rostock, Berlin, Bielefeld und Tübingen entwickelt, in langjährigen Gewächshausversuchen optimiert und schließlich auch im Freiland getestet. An dieser Kartoffel wurde beispielhaft geprüft, inwieweit sich Pflanzen als sichere Produktionssysteme für Bio-Kunststoffe und andere industrielle Rohstoffe einsetzen lassen. BioSicherheit sprach mit Inge Broer von der Universität Rostock.
bioSicherheit: Frau Broer, Sie haben gemeinsam mit verschiedenen anderen Forschungseinrichtungen eine Kartoffel entwickelt, die den Grundstoff für einen biologisch abbaubaren Kunststoff liefert. Was ist das für eine Kartoffel und was will man damit?
Inge Broer: Das ist eine Stärkekartoffel, die normalerweise für die Produktion von Stärke angebaut wird. Wir haben in diese Kartoffel ein Gen aus Cyanobakterien eingebaut. Das sind
Grünalgen, die wir normalerweise in der Ostsee und vielen anderen Gewässern finden. Sie produzieren einen Stoff, den man als Ersatz für feuchtigkeitsbindende Polyacrylate einsetzen kann, wie sie etwa in Beton oder auch in Windeln vorkommen. Auch Phosphat in Waschpulver wird dadurch ersetzt. Es ist also ein Stoff, der in großen Mengen gebraucht wird, den man aber normalerweise aus Erdöl herstellt. Wir können ihn aber auch aus den Bakterien oder aus den Kartoffeln gewinnen. Die Kartoffeln sind durch die gentechnische Veränderung in der Lage, relativ große Mengen von diesem Kunststoff zu produzieren.
bioSicherheit: Die Kartoffel lässt sich also als eine Art Bioreaktor nutzen, um industrielle Rohstoffe herzustellen. Lohnt sich das im Vergleich mit anderen Verfahren, z. B. Herstellung durch Mikroorganismen?
Inge Broer: Das lohnt sich dann, wenn der Kunststoff als Beiprodukt gewonnen wird. Die Kartoffeln werden vorrangig angebaut, um Stärke herzustellen und aus den Abfällen dieser Kartoffeln kann dann noch ein Stoff rausgeholt werden, der viel teurer ist als die Stärke selber. Wenn wir Cyanophycin mit Hilfe von Bakterien gewinnen, müssen wir diese aufwändig unter Zugabe von Nährstoffen und Energie kultivieren. Bei der Kartoffel macht das alles die Sonne und der Acker und wir brauchen keinen Quadratzentimeter mehr an Fläche.
bioSicherheit: Gibt es bei solchen Pflanzen, die industrielle Rohstoffe bilden, spezielle Risiken?
Inge Broer: Nein, man muss die Risiken für die einzelne Eigenschaft betrachten und für die einzelne Kulturpflanze, in der diese Stoffe hergestellt werden. Das kann man nicht kategorisieren. Je nachdem, welche Eigenschaft übertragen wurde, sind die Risiken unterschiedlich. Das muss man immer einzeln bewerten.
bioSicherheit: Welche Risiken könnten bei der Cyanophycin-Kartoffel eine Rolle spielen?
Inge Broer: Das Einzige, was wir uns vorstellen konnten war, dass diese Kartoffeln anders im Boden verrotten, weil der Zuckerstoffwechsel verändert ist. Dieser ist wichtig für die Verrottung.