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23.07.2016 | 15:12 | Dachgarten 

Oase in Gaza - Gemüsebau ohne Erde

Gaza - Vom Dach seines Hauses blickt Said Abu Nasser auf das Betonmeer von Gaza. Auf den umliegenden Dächern gibt es keine Sitzecken, keine Sonnenschirme, kaum Pflanzen.

Gemüsebau ohne Erde?
Der Platz ist knapp im Gazastreifen - die stetig wachsende Bevölkerung braucht trotzdem Nahrung. Die Vereinten Nationen fördern deswegen Projekte, wo Pflanzen ohne Erde wachsen. (c) proplanta
Hinter Abu Nasser gedeihen dagegen in blauen Plastikbottichen grüner und roter Pfeffer und Minze. Sechs Stockwerke tiefer, neben seinem Haus hat der 53-Jährige zudem eine kleine Oase mit Auberginen, Pfeffer und Salat angelegt - und alles ohne Erde.

Der Hobbygärtner züchtet seit rund sechs Jahren Pflanzen im Wasser und will damit Gaza lebenswerter machen. «Nun tragen meine Pflanzen das erste Mal Früchte», sagt Abu Nasser zwischen meterlangen Plastikbecken, Wasser plätschert. «Ich bin so glücklich, aber ich will es wirklich noch besser machen.»

Der Gazastreifen ist ungefähr so groß wie das Bundesland Bremen, doch leben dort mehr als drei Mal so viele Menschen - und die Bevölkerung wächst rasant. Aktuell sind es 1,9 Millionen. Landwirtschaftliche Flächen müssen Häusern weichen. Auch die Vereinten Nationen (UN) suchen daher nach Alternativen zum klassischen Anbau von Gemüse.

219 Haushalte mit Dachgärten und dem Anbau von Pflanzen ohne Erde hat die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO) in den vergangenen Jahren im Gazastreifen unterstützt. Abu Nasser hat umgerechnet mehr als 4.800 Euro plus Schulungen erhalten.

«Solche Initiativen sind besonders wichtig in Gaza, weil sie innovative Technologien einbringen, die weniger natürliche Ressourcen nutzen, wie Wasser und Land», sagt eine Sprecherin. Außerdem würden durch sie weniger Insektenvernichtungsmittel und Dünger eingesetzt.

Im grauem Anzug und gestreiftem Hemd sieht Abu Nasser nicht unbedingt aus wie das Klischee eines Hobby-Gärtners. Im Alltag arbeitet er im Innenministerium der radikalislamischen Hamas, die im Gazastreifen herrscht. Israel und Ägypten haben aus Sicherheitsbedenken die Grenzen weitgehend abgeriegelt.

«Das Wasser in Gaza passt nicht und braucht eine besondere Behandlung», erklärt er das einfache Prinzip seiner Tätigkeit. Die Pflanzen stecken in Styroporplatten, die in den Becken schwimmen. Die Wurzeln hängen ins Wasser. Dem Wasser wiederum fügt Abu Nasser verschiedene Mineralien hinzu, wie Magnesium und Calcium - und beobachtet, wie die Pflanzen reagieren.

Am Anfang wuchs der Salat beispielsweise nicht. Mittlerweile habe er schon 2.000 Salatköpfe an Freunde und seine Familie verschenkt, rund 200 Kilogramm Auberginen und 100 Kilogramm grünen Pfeffer, erzählt Abu Nasser. «Es ist eine saubere und gesunde Art von Salat.» Der Strom für die Pumpen kommt von Sonnenkollektoren auf dem Dach.

Auch Mahmud al-Adschus, Professor für Landwirtschaftliche Pflanzenproduktion von der Al-Azhar-Universität in Gaza, arbeitet mit Abu Nasser an seinem Projekt. «In Gaza haben wir von Tag zu Tag weniger Wasser für die Leute, weil es völlig versalzt», sagt al-Adschus, der sich auf Pflanzenvernichtungsmittel spezialisiert hat. Beim Pflanzenanbau ohne Erde werde im Vergleich zur Landwirtschaft Wasser gespart, weil es mehrfach verwendet werde. Außerdem brauche der Anbau der Pflanzen so weniger Platz und weniger Zeit.

«Grundsätzlich können wir bis zu 4.000 Salatköpfe auf 1.000 Quadratmetern anbauen, beim erdelosen Anbau sind es 30.000.» Abu Nasser experimentiert mit al-Adschus auch mit Pflanzen, die auf Steinen wachsen - der Dünger dazu stammt vom Kot von Fischen.

Abu Nasser kam die Idee mit seinem Wassergarten, als sein Nachbar versuchte, Pflanzen in Wasserrohren zu züchten. Seine Freunde belächelten ihn. Doch der Hobby-Gärtner denkt schon weiter, er will expandieren, andere schulen. Auch die UN wollen ausbauen. «Eines Tages wird jeder verpflichtet sein, diese neue Technologie zu nutzen», träumt Abu Nasser. Dann könnte das Betonmeer von Gaza Grün erblühen.
dpa
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