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10.03.2010 | 06:57 | Internationale Tagung 

Die Grenzen der weltweiten Viehwirtschaft

Zollikofen - Die weltweite Viehwirtschaft befindet sich in rasantem Wandel und Wachstum - mit zunehmenden Risiken für Mensch und Umwelt.

Die Grenzen der weltweiten Viehwirtschaft
An einer internationalen Tagung der Schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft SHL wurde ein neuer Report vorgestellt und nach Lösungen gesucht.

Das Umfeld und die Rahmenbedingungen für die Viehwirtschaft haben sich in den letzten Jahren weltweit drastisch verändert, sodass sich die Nutztierhaltung und die Produktion tierischer Produkte selber stark gewandelt haben. Der jetzt von Island Press herausgegebene Report «Livestock in a Changing Landscape» analysiert die Veränderungen und  zeigt mögliche Lösungsansätze für die Zukunft auf. Unter den Autoren sind Forscher der Schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft SHL.

Die Publikation wurde am 4. März 2010 an der SHL in Zollikofen vorgestellt. Tags darauf diskutierten 60 ausgewiesene Fachleute aus 14 Ländern mögliche Zukunftsszenarien, wobei die Handlungsfelder für möglichst konkrete Verbesserungen identifiziert werden sollten. Organisiert wurde die Tagung von der SHL mit finanzieller Unterstützung vom Globalen Programm Ernährungssicherheit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA).


Eine Milliarde leben von der Viehwirtschaft

Die globale Bedeutung der Viehwirtschaft ist groß: Ein Viertel der Erdoberfläche wird als Weideland und ein Drittel des verfügbaren Ackerlandes zum Anbau von Tierfutter genutzt. Rund eine Milliarde Menschen leben zumindest teilweise von der Viehwirtschaft, gerade in den Entwicklungsländern bietet sie vielen armen Familien das einzige kleine Einkommen. Die Nachfrage nach tierischen Produkten steigt rasant, insbesondere in den Schwellenländern. Experten rechnen, dass sich der Fleischkonsum zwischen 2000 und 2050 verdoppeln wird. Die Intensivierung der Viehwirtschaft hat vielerorts negative Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima. Zudem ist das Verfüttern von Getreide an Tiere bedenklich, solange Millionen Menschen hungern.

Die Diskussion an der Fachtagung konzentrierte sich auf die drei Themenbereiche: Vieh und Umwelt/Klima, Gesundheit für Tier und Mensch, sowie Viehwirtschaft als Grundlage zur Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern. Alle Teilnehmenden waren sich einig, dass es gilt, angesichts des weiteren Wachstums, die Belastungen der Viehwirtschaft für Umwelt und Klima, so tief wie möglich zu halten. Die Viehhalter müssen für Umweltanliegen stärker sensibilisiert werden. Anstrengungen braucht es auch auf institutioneller und politischer Ebene. Für die Forschung gilt es, Land- und Viehwirtschaftssysteme noch besser zu verstehen. Die von der Viehwirtschaft verursachten Treibhausgasemissionen sind beträchtlich und Lösungen in diesem Bereich sind gefordert. Umgekehrt wird es in Zukunft für viele Viehhalter von existenzieller Bedeutung sein, ob und wie sie in der Lage sein werden auf die Auswirkungen des veränderten Klimas auf die Tiere und deren Haltung zu reagieren.


Brisante gesundheitliche und soziale Fragen

Die vermehrte Betrachtung der Viehwirtschaft unter dem Gesichtspunkt von deren Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen hat in den letzten Jahren zum «One Health»-Ansatz geführt. So hat uns die Vogelgrippe die engen Wechselbeziehungen zwischen Tierhaltung, Tiergesundheit und unserem eigenen Wohlergehen vor Augen geführt. Und Krankheiten wie Tuberkulose und Brucellose, sind noch immer große Risiken für Mensch und Tier in vielen Entwicklungsländern. Auch bei der Bewältigung der  Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen die Strukturen und Kapazitäten in ärmeren Ländern im Vordergrund. Dabei scheint es immer wichtiger zu sein, dass wie im «One Health»-Ansatz aufgezeigt, Synergien zwischen der medizinischen Versorgung der Leute und der Tiergesundheit identifiziert und aktiv genutzt werden.

Wo es um Verbesserung der Lebensgrundlagen und Armutsbekämpfung geht, fällt oft der Begriff "Livelihood". Mit fast einer Milliarde armer Leute, die ganz oder teilweise von der Viehhaltung leben, fällt der Viehwirtschaft eine große Rolle in der Verbesserung ebendieser Existenzgrundlage zu. Nicht alle armen, kleinbäuerlichen Viehhalter haben gleichermaßen von der Revolution im Viehwirtschaftsbereich profitiert und ihre wirtschaftliche Situation nachhaltig verbessert. Dennoch bedeutet die Viehhaltung für viele eine Möglichkeit extremer Armut zu entkommen und in der Not auf ihre Tiere zurückzugreifen. Die Rahmenbedingungen sind so zu gestalten, dass diese Leute sich auch künftig auf diese Existenzsicherung abstützen können.


Fleischkonsum reduzieren

Fritz Schneider, Mitherausgeber der Publikation und Vizedirektor der SHL, ist mit dem Tagungsverlauf zufrieden: „Wir haben Diskussionen in Gang gebracht, die weit über die Veranstaltung hinaus dauern werden.“ Die in den Workshops vertieften sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Fragestellungen erwiesen sich allerdings für rasch greifbare Lösungen als zu komplex. „In der Produktion von tierischen Nahrungsmitteln gibt es noch ein großes Optimierungspotenzial; allerdings steht für mich fest: über kurz oder lang müssen wir unseren Fleischkonsum deutlich reduzieren!“, so das persönliche Résumé von Schneider. Möge der Report zum hierfür notwenigen Bewusstseinswandel beitragen. Er kann, solange Vorrat, bei der SHL bezogen werden: silvia.leibundgut@bfh.ch. (shl)
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