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24.06.2007 | 20:49 | Tierseuchen 

Vogelgrippe in Nürnberg - gefährlicher H5N1-Virus nachgewiesen (Themenspezial)

Nürnberg - Bei sechs in Nürnberg gefundenen toten Wildvögeln wurde das auch für den Menschen gefährliche H5N1-Virus bestätigt.

Huhn
(c) proplanta
Dies teilte das nationale Referenzlabor am Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems (Mecklenburg-Vorpommern) am Sonntag mit. Bei den betroffenen Tieren handelte es sich um fünf Schwäne und eine Gans. Bei drei weiteren verendeten Wildvögeln habe sich der Verdacht nicht bestätigt. Im Nürnberger Stadtgebiet waren bis Sonntag an drei Fundorten nahe städtischer Seen insgesamt 14 verendete Vögel mit dem Verdacht auf die Seuche gefunden worden. Zu den restlichen Tierkadavern lägen noch keine Untersuchungsergebnisse vor.

Zuvor war der letzte Vogelgrippe-Fall in Deutschland im August 2006 bekannt geworden, damals war ein Schwan im Dresdner Zoo infiziert. «Wir sind immer davon ausgegangen, dass das Virus noch vorhanden ist, wir es aber nur nicht aktiv sehen», sagte die Sprecherin des Instituts, Elke Reinking. Im Frühjahr 2006 war das Vogelgrippe-Virus erstmals in zahlreichen Bundesländern aufgetreten. Etliche Geflügelfarmen waren betroffen, Hunderttausende Tiere mussten getötet werden.

Horst Seehofer (CSU), Bundesminister für Landwirtschaft und Verbraucherschutz, sagte dem «Münchner Merkur» (Montagausgabe), es gebe keinen Anlass zu Panik oder Hysterie. «Fest steht: Das Virus ist nicht verschwunden, sondern in der Umwelt immer noch präsent. Deshalb ist weiterhin Vorsicht geboten.» Tote Tiere sollten auf keinen Fall angefasst werden. Bayerns Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf (CSU) bezeichnete den Ausbruch der Vogelgrippe Ende Juni als ungewöhnlich, da keine Zugvögel unterwegs seien. Bei warmen Temperaturen könne das Virus nur eine Woche überleben, bei kühler Witterung dagegen vier Wochen, sagte er in Kronach der Deutschen Presse-Agentur dpa. Für den Menschen bestehe derzeit keine Gefahr.

Das Virus könnte nach Einschätzung des Loeffler-Instituts aus Tschechien eingeschleppt worden sein. Auf Grund der geographischen Nähe wäre eine solche Annahme möglich, sagte Reinking. Im tschechischen Tisova sei die Vogelgrippe vor wenigen Tagen auf einer Truthahnfarm nachgewiesen worden. Das Virus könnte aber ebenso noch im deutschen Wildvogelbestand vorhanden gewesen sein.

Im Osten Nürnbergs wurde ein Sperrbezirk mit einem Radius von vier Kilometern um die Fundorte eingerichtet. In dem Gebiet müssen Geflügelhalter dafür sorgen, dass sich ihre Tiere in einem abgedeckten Gehege befinden. Hunde und Katzen dürfen im Sperrgebiet nicht frei herumlaufen.

Sollte es bei den Einzelfällen in Mittelfranken bleiben, gibt es aus Sicht des Loeffler-Instituts zunächst keine Notwendigkeit, das Übertragungsrisiko in Deutschland wieder hochzustufen, sagte Reinking. Das Institut hatte das Risiko im Frühjahr auf «mäßig» herabgestuft. Die Bundesländer sollten nun ihre derzeit bestehenden Risikogebiete überprüfen, in denen wegen einer möglichen Einschleppung des Virus in Geflügelbestände keine Freilandhaltung erlaubt ist, riet das Institut. Der Präsident, Professor Thomas C. Mettenleiter, warnte vor Panikmache. Die Vogelgrippe sei in erster Linie eine Geflügelpest und könne nur bei engem Kontakt zu infizierten Tieren in seltenen Fällen auf den Menschen überspringen.

Seit dem ersten Ausbruch von H5N1 im Jahr 2003 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit 313 Infektionen bei Menschen registriert, von denen 191 tödlich verliefen, die meisten davon in Asien. In Deutschland hat sich noch kein Mensch infiziert. (dpa)


Hintergundinformation

Vogelgrippe, Geflügelpest, Hühnerinfluenza - die Tierseuche hat viele Namen. Der historisch entstandene Begriff Geflügelpest unterstreicht die Schwere der Krankheit - «Pest» steht umgangssprachlich für einen Seuchenzug mit zahlreichen Todesfällen, unabhängig vom Erreger. Da die Erreger der Klassischen Geflügelpest Grippeviren sind, haben sich die Tiermediziner international auf die Bezeichnung Aviäre Influenza geeinigt, übersetzt «Vogelgrippe» (englisch «bird flu»).

Je nach betroffener Geflügelart wird auch von beispielsweise Hühner-, Gänse- oder Enteninfluenza gesprochen. Bei der Aviären Influenza unterscheiden die Fachleute schwach-, mittel- und hochpathogene (krank machende) Erreger. Seuchenzüge hochpathogener Erreger wie des Vogelgrippevirus H5N1 werden im deutschen Sprachraum häufig auch weiterhin als Klassische Geflügelpest bezeichnet. Das Virus H5N1 ist auch für den Menschen gefährlich.


Der Seuchenzug der Vogelgrippe
Das aggressive Vogelgrippevirus H5N1 wurde bereits 1997 in Hongkong beobachtet. Der Seuchenzug begann Ende 2003. Seitdem hat sich der Erreger vor allem über Südostasien bis nach Europa ausgebreitet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) registrierte weltweit bislang 313 H5N1-Fälle bei Menschen, in Europa wurden vier Vogelgrippe-Tote in der Türkei statistisch erfasst.

Dezember 2003: Als erstes Land informiert Südkorea am 12. Dezember 2003 die UN-Organisation für Tiergesundheit (OIE) über den Ausbruch einer «hoch pathogenen aviären Influenza». Der bei Geflügel isolierte Erreger stellt sich später als H5N1 heraus. 

Januar 2004: Die WHO registriert elf H5N1-Infektionen bei Menschen, acht davon in Vietnam, drei in Thailand. Acht der Infizierten sterben.

Oktober 2005: In Rumänien, in Kroatien, im europäschen Teil Russlands und im asiatischen Teil der Türkei wird das Virus H5N1 nachgewiesen. In Deutschland und Österreich muss alles Geflügel in Ställen untergebracht werden, damit es nicht von Zugvögeln infiziert w
ird.

Januar 2006: Erstmals stirbt außerhalb Südostasiens ein Mensch an Vogelgrippe. Drei Tage nach dem Tod eines 14-Jährigen in der osttürkischen Stadt Van erklären die türkischen Behörden, dass der Junge an der Vogelgrippe gestorben sei. Zunächst war eine Lungenentzündung als Todesursache angegeben worden. Die internationale Staatengemeinschaft sammelt derweil auf einer Konferenz in Peking rund 1,6 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Vogelgrippe.

Februar 2006: Die Tierseuche erreicht Deutschland und Afrika: Zunächst meldet Nigeria 40 000 tote Tiere auf einem Geflügelhof. Auf der Insel Rügen entdecken Urlauber vier verendete Schwäne. Am 16. Februar wird das H5N1-Virus bei den toten Schwänen endgültig bestätigt. Ende Februar wird das Virus erstmals in Deutschland bei einem Säugetier festgestellt, einer Hauskatze auf Rügen.

April 2006: In einem Geflügelbetrieb bei Leipzig bricht die Vogelgrippe erstmals in Deutschland bei Nutzgeflügel aus. 30 000 Tiere werden in der betroffenen Geflügelzucht und in rund 90 weiteren Betrieben in der Drei-Kilometer-Sperrzone getötet.

August 2006: Erstmals seit knapp drei Monaten wird in Deutschland wieder ein Vogelgrippefall bei einem Wildvogel nachgewiesen. Ein toter Schwan aus einem Teich im Dresdner Zoo wird positiv auf H5N1 getestet.

Januar 2007: Erstmals seit dem Fund im Dresdner Zoo wird in der EU wieder das H5N1-Virus nachgewiesen - auf einem ungarischen Geflügelhof. Auch Großbritannien und Tschechien (Juni) melden Einzelfälle.

April 2007: Das zuständige Bundesinstitut stuft das Übertragungsrisiko von Vogelgrippe durch Wildvögel herab. Das Risiko ist nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) nur noch «mäßig» und damit eine Stufe niedriger als im Februar. Die veränderte Risikolage ermögliche eine «zeitnahe Lockerung» der derzeit geltenden Stallpflicht.

Juni 2007: Zum ersten Mal seit zehn Monaten wird in Deutschland wieder das H5N1-Virus nachgewiesen. Im Nürnberger Stadtgebiet waren zuvor an zwei Seen sechs Schwäne, eine Wildgans und eine Ente tot gefunden worden. Im Osten Nürnbergs wird ein Sperrbezirk eingerichtet. In dem Gebiet müssen Geflügelhalter dafür sorgen, dass sich die Tiere in einem abgedeckten Gehege befinden.

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