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17.05.2012 | 05:45 | Tierschutzarbeit 

Tierschutz seit 10 Jahren im Grundgesetz

Berlin - Mega-Ställe mit Tausenden Legehennen, Elefanten und Löwen in Zirkuswagen, Ratten als massenhaftes «Versuchsmaterial» für die Forschung.

Tierschutz
(c) proplanta
Tierschützer schlagen hartnäckig Alarm, dass Millionen Geschöpfe in Deutschland leiden - immer noch. Denn seit nunmehr zehn Jahren genießt das Wohlergehen der Tiere höchsten juristischen Schutz als Staatsziel in der Verfassung.

Längst interessieren sich auch mehr Verbraucher für Haltungsbedingungen, obwohl beim Lebensmitteleinkauf der Preis ein schlagendes Argument bleibt. Politik, Landwirte und die Wissenschaft sind sensibilisiert. Doch Tierfreunden reicht das nicht.

Es war nur eine kleine Ergänzung, die hohe Erwartungen weckte. Am 17. Mai 2002 beschloss der Bundestag mit großer Mehrheit, Artikel 20a des Grundgesetzes um drei Worte zu ergänzen: Der Staat schützt die natürlichen Lebensgrundlagen «und die Tiere».

Nach dem Ja des Bundesrats trat die Verfassungsänderung am 1. August 2002 in Kraft und gibt Lebensbedingungen von Tieren seitdem rechtlich mehr Gewicht.

Bis dahin galten Regelungen im Tierschutzgesetz leicht als nachrangig, wenn ihnen andere Grundrechte entgegenstanden - etwa die Freiheit der Wissenschaft, der Kunst, des Berufes oder der Religion.

In den Augen von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hat inzwischen ein gesellschaftliches Umdenken eingesetzt. «Heute ist das Tierwohl eine wichtige Messlatte für ethisches Handeln und wirtschaftliche Entscheidungen.»

Im jüngsten Tierschutzbericht von 2011 listete die Regierung eine Reihe nationaler und europäischer Verbesserungen in den vergangenen Jahren auf - vom EU-Einfuhrbann für Hunde- und Katzenfelle bis zum Verbot herkömmlicher Legebatterien für Hennen, mit dem Deutschland 2010 Vorreiter war.

Tierschützer sehen dagegen keinen Grund zum Feiern. An der realen Situation der Tiere habe sich zehn Jahre nach der Ausrufung des Staatsziels praktisch nichts geändert, lautet das Fazit des Deutschen Tierschutzbunds. Zum Beispiel sollten Ferkel noch viel zu lange ohne Betäubung kastriert werden dürfen.

Jedes Jahr würden nach wie vor Millionen Tiere in Transportern stundenlang über die Straßen Europas gekarrt. «Bestehende gesetzliche Regelungen werden einfach nicht eingehalten», beklagte auch die Linke im Bundestag. So würden täglich Tausende männliche Küken wegen ihres Geschlechts gleich nach der Geburt getötet, weil sie keine Eier legen.

«Der Unterschied zwischen Anspruch des Grundgesetzes und Wirklichkeit im Tierschutzgesetz ist eklatant«, monierte der Präsident des Tierschutzbunds, Thomas Schröder.

Das Staatsziel mit Leben zu erfüllen, mahnt auch die SPD an und sieht vor allem bei Nutztieren Handlungsbedarf. Aigner bereitet derzeit eine Reform des Tierschutzgesetzes mit zahlreichen Neuregelungen für Nutzvieh und Haustiere vor, die in diesem Jahr in Kraft treten soll. Tierschützern gehen die meisten Pläne aber nicht weit genug.

Als Lichtblick werten Kritiker das geplante Aus für Brandzeichen, mit denen Pferde am Schenkel markiert werden. Ein Ende haben soll auch das Ferkel-Kastrieren ohne Betäubung - allerdings erst 2017.

Um qualvollen Züchtungen einen Riegel vorzuschieben, sollen zum Beispiel bizarr kleinwüchsige oder haarlose Hunde nicht mehr bei Ausstellungen gezeigt werden dürfen. Zudem könnte ein Verbot bestimmter Wildtierarten im Zirkus kommen, die unter den ständigen Transporten besonders leiden.

Daneben hat Aigner strengere Vorschriften für die gewerbsmäßige Kaninchenzucht und den ausufernden Antibiotika-Einsatz in der Tiermast angekündigt.

Wege zu mehr Tierschutz sucht auch die Wissenschaft, die wegen umstrittener Massenversuche am Pranger steht. Während Tests für die Herstellung von Kosmetika seit 2009 prinzipiell verboten sind, wurden für medizinische Versuche zuletzt sogar mehr Tiere «verbraucht»: 2010 waren es rund 2,8 Millionen, 80 Prozent davon Ratten und Mäuse.

Aigner plant nun ein «fast vollständiges Verbot» von Menschenaffen in den Labors. Forscher wie etwa an der Tierärztlichen Hochschule Hannover arbeiten derweil an Alternativmethoden. Ob ein Medikament giftig ist, soll sich möglichst immer öfter im Reagenzglas zeigen. (dpa)
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