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02.12.2010 | 04:22 | Ölpest von Mexiko 

2010 als Jahr der Ölpest: Schock in USA nicht überwunden

Washington - Das schwarze Gold wurde 2010 für die Menschen an der amerikanischen Golfküste zum schwarzen Gift. Die schlimmste Ölpest der US-Geschichte hat viele verunsichert. Die Leute sehnen sich nach Normalität.

toter Fisch
David Camardelle hat keine speziellen Wünsche für das neue Jahr. Es soll nur nicht so werden wie das alte. Voller Schrecken blickt der Bürgermeister von Grand Isle auf die vergangenen acht Monate zurück, in denen seine kleine Inselstadt im Süden des US-Staates Louisiana ins Zentrum einer Umweltkatastrophe geraten war. Einer gewaltigen Ölpest, die Amerika verängstigte und in der Welt Bestürzung auslöste. Und deren Folgen längst nicht bewältigt sind.

Grand Isle ist das Musterexemplar einer Stadt an der Golfküste, für die am 20. April eine beispiellose Tragödie begann. Der Tag, an dem die Bohrinsel «Deepwater Horizon» des britischen Konzerns BP nach einem Unfall in Flammen aufging. Elf Arbeiter starben, die Plattform versank zwei Tage später im Golf von Mexiko. Bei ihrem Untergang riss sie eine Leitung in 1.500 Metern Tiefe auf. Aus den Lecks schossen 780 Millionen Liter Rohöl ins Meer. Erst nach drei Monaten und heftigen Fehlschlägen konnte BP die unheilvolle Quelle schließen.

Zeitweise verseuchte die Brühe mehr als 1000 Kilometer Küste, bis heute sind die Ölflecken und Teerklumpen nicht überall verschwunden. Die schönen Strände von Grand Isle zählten zu den ersten, an die das braune Gift schwemmte. Für eine Insel, die wie die ganze Region von Fischfang, Tourismus und eben der Ölförderung lebt, war das der GAU. Fischer durften nicht aufs Wasser, Urlauber blieben verschreckt weg. Viele der 1.500 Einwohner leben noch heute von BP-Schecks.

Diese Notfallzahlungen sind Ende November ausgelaufen. Wer mehr Geld benötigt, muss eine Abfindung beantragen - oder gegen BP klagen, meint der Regierungsbeauftragte Kenneth Feinberg. Er verwaltet den 20 Milliarden Dollar (etwa 15 Milliarden Euro) schweren Schadenersatztopf, den BP auf Drängen von US-Präsident Barack Obama einrichten musste. Bislang flossen daraus rund 2,2 Milliarden Dollar an 150.000 Betroffene.

Auf das Geld können die Fischer, Gastronomen oder Hoteliers nicht verzichten, doch vor allem sehnen sie sich nach Normalität. «Wir brauchen unsere Touristen zurück. Wir wollen einen sauberen Strand haben und wir wollen, dass die Meeresfrüchte in Ordnung sind», sagt Camardelle. Ob das ausreicht, damit die Amerikaner bald wieder Urlaub in Louisiana, Florida, Alabama und Mississippi machen oder sorglos Shrimps von dort kaufen, das mag kaum jemand vorhersagen.

Eine gewaltige Herausforderung sei es, das Bild von der Region zu korrigieren, sagt Kim Chapman, der PR-Arbeit für Badeorte in Alabama macht. Obwohl dort kaum Öl an die Strände kam, blieben die Gäste weg. Vielerorts ging das so. «Manche Medien berichteten, dass die ganze Golfküste betroffen ist», klagt Chapman. 23 Milliarden Dollar verlor allein die Tourismusbranche im Süden der USA deswegen, berechnete das britische Wirtschaftsinstitut Oxford Economics.

Im Dezember will eine von Obama gebildete Untersuchungskommission ihre Sicht über die Ursachen der Katastrophe vorlegen. BP entlastete sie vorab von einem schweren Vorwurf: Der Konzern habe nicht - wie oft behauptet - aus Profitgier die Sicherheit bei der Bohrung in der Tiefsee vernachlässigt. Verantwortlich sei er aber trotzdem. Wie die ganze Ölbranche sei BP zu schlecht auf solche Unfälle in der Tiefsee vorbereitet. «Es verängstigt uns alle, dass wir es nicht schaffen, die Quelle zu schließen», gab auch BP-Top-Manager Doug Suttles auf dem Höhepunkt der Krise im Mai unumwunden zu.

Miserabel fällt auch das Zeugnis für die Obama-Regierung aus: Über Wochen habe Washington die Bevölkerung über das wahre Ausmaß der Krise im Dunkeln gelassen. «Die Regierung erweckte den Eindruck, dass sie nicht völlig ehrlich zum amerikanischen Volk war, was die Reichweite des Problems betraf», lautet das harte Urteil der Kommission. Obwohl Forscher und Regierungsbehörden früh merkten, dass pro Tag zehntausende Tonnen Öl aus dem BP-Leck ins Meer strömen, sprach das Weiße Haus lange weiter von 1.000. Immer wieder musste es die Zahl später nach oben korrigieren.

Schlimmer noch: Die Regierung habe einen hilflosen Eindruck hinterlassen. Mehr als einen Monat habe sie benötigt, den Kampf gegen die Ölpest richtig zu organisieren, urteilt die Kommission. Interne E-Mails belegen eine chaotische Kommunikation im Umfeld Obamas. Erst nach erschreckenden Berichten von ölverschmierten Vögeln, verseuchtem Marschland im Mississippi-Delta und Fangverboten in Küstengewässern machte der Präsident die Krise zur Chefsache. «Die schlimmste Umweltkatastrophe, der sich Amerika je stellen musste», klagte er - und versprach eine harte Regulierung der Branche.

Doch echte Folgen sind schwer auszumachen: Ein halbes Jahr nach Beginn der Katastrophe ließ die Regierung wieder Tiefsee-Bohrungen zu. Wichtige Fortschritte habe die Branche gemacht, die Risiken zu reduzieren, hieß es in Washington. Die Macht der Ölindustrie sei in den USA eben auch für Obama zu groß, entgegneten Kritiker.

Sein Dilemma: Er will die Abhängigkeit der USA von importiertem Öl verringern. Da kann er die Industrie nicht zugleich mit schärferen Regeln aus dem Land vertreiben. Die USA hat starke Konkurrenz in der Welt: Das Desaster im Golf von Mexiko war noch in vollem Gange, da kündigte Brasilien an, vor der Küste ein Ölfeld anzuzapfen, das 3500 Meter tiefer liegt als das Leck vor der US-Küste. (dpa)
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