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09.02.2014 | 11:02

Immer mehr Waschbären und Marderhunde in Deutschland

Waschbären
(c) proplanta

Waschbär und Marderhund: Pelzige Einwanderer breiten sich aus



Hier ein Fiepen in einem alten Dachsbau, dort ein nächtliches Rascheln im Schilf entlang der Elbe. Ein Knurren, Winseln und Miauen - jetzt werden sie aktiv, die Hunde, die nicht bellen können. Marderhunde verzichten auf ihre Winterruhe, wenn es nicht zu kalt ist und im Februar beginnt die Paarungszeit.

Nach etwa neun Wochen kommen sechs bis acht Welpen zur Welt, manchmal sind es auch doppelt so viele. Die aus Ostasien stammenden Allesfresser mit der hohen Geburtenrate erobern immer mehr Reviere, sie sind bescheiden und anpassungsfähig.

Genaue Zahlen gibt es nicht, Rückschlüsse erlauben nur das Wildtier-Informationssystem (WILD) und die Streckenzahlen der Jäger. Nach vier Jahren liefen danach erstmals wieder deutlich mehr vor die Flinten und bei den Waschbären gab es sogar Rekordwerte.

«Im Jagdjahr 2012/2013 wurden erstmals mehr als 100.000 Waschbären erlegt, 47 Prozent mehr als im Jahr zuvor», sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagverband (DJV) in Berlin. Innerhalb von nur zehn Jahren habe sich die Zahl der erlegten Kleinbären aus Nordamerika damit verdreißigfacht.

Fast 18.600 Marderhunde wurden geschossen, ein knappes Drittel mehr als im Jahr zuvor. «Die durch Räude und Staupe reduzierten Bestände erholen sich», erklärt Reinwald. Innerhalb von nur acht Jahren sei die Zahl der erlegten Tiere zuvor bis zur Rekordstrecke von 2007/2008 von 398 auf rund 35.000 gestiegen.

In Zeiten der Globalisierung breiten sich immer mehr eingeschleppte  Tier- und Pflanzenarten aus, manchmal mit ernsten Folgen für das Ökosystem. Ziemlich rücksichtslos verhalten sich dabei hierzulande eben Waschbären, die auch Enoks genannten Marderhunde und Minke, aus Nordamerika stammende Verwandte des Nerzes.

Der seit 1928 systematisch als Pelztier im Westen der damaligen Sowjetunion angesiedelte Enok machte sich von dort auf den Weg Richtung Atlantik. 1962 wurde der erste in der Bundesrepublik geschossen, nicht weit von Osnabrück. Hierzulande ist die Zahl ihrer Feinde gering, nur Jäger, Autos und eben Parasiten können ihm gefährlich werden - manchmal schlägt auch ein Uhu zu. Selten wird über die Tiere berichtet, nur im vergangenen Januar gab es kurz Schlagzeilen, als sich ihr Fell als Bommel an Strickmützen fand.

«Weil Marderhunde und Waschbären nachtaktiv sind, ist die Fallenjagd unverzichtbar», betont DJV-Sprecher Reinwald. Die negativen Folgen der Ausbreitung von Waschbär, Marderhund und Mink für heimische Arten bestätige auch die jüngste Wildtiererfassung in den deutschen Jagdrevieren.

Zoologen wie Artenschutz-Experte Janosch Arnold von der Umweltorganisation WWF sehen in der Ausbreitung der drei Arten ebenfalls eine zusätzliche Gefahr. Heimische Wasservögel, Sumpfschildkröten und seltene Amphibien seien von den Allesfressern bedroht. «Eine stärkere Bejagung von Waschbär, Mink und Marderhund kann gefährdete Arten aber nur stützen. Damit allein lässt sich das Problem jedoch nicht lösen», betont Arnold. Zum Schutz der heimischen Arten müsse auch die Landschaft weniger intensiv bewirtschaftet werden.

«Der Marderhund stellt dabei nach derzeitigem Wissen von den drei Arten das geringste Problem dar», sagte Arnold. Ursache sei unter anderem die Vorliebe des Tieres für pflanzliche Kost.

Ähnlich sieht es auch der Rostocker Zoologe Ragnar Kinzelbach, Experte für Neozoen. «Gefährlicher als der Waschbär ist nur der Mink», bestätigt der Professor. «Er frisst uns entlang der Gewässer die Vogelgelege weg.» Betroffen seien hier vor allem die Rallen und Enten. «Man müsste versuchen, den Mink mit Fallen komplett wegzufangen, zumindest in Schwerpunktgebieten des Naturschutzes», fordert Kinzelbach. «Ursache der Zunahme waren vor allem die emotional motivierten Befreiungsaktionen aus Pelzfarmen durch Tierschützer. Seitdem hat sich der Mink fest eingebürgert.»

Reelle Chancen auf ein Zurückdrängen sieht Kinzelbach nicht: «Wir werden mit dem Mink und den anderen Neubürgern wohl oder übel leben müssen.» Langfristig könnte der Mink sich einfügen wie sein vor 100 bis 150 Jahren bei uns ausgerotteter Verwandter, der europäische Nerz, hofft Kinzelbach. (dpa)
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