Der Nil ist die Lebensader Ägyptens. Er deckt mehr als 95 Prozent der Wasserversorgung des Landes. Deshalb schrillten in Kairo im vergangenen Mai ganz laut die Alarmglocken, als Äthiopien und andere Staaten am Oberlauf des Weißen und Blauen Nils ankündigten, sie wollten künftig mehr Wasser aus dem Fluss entnehmen als bisher.
Vor allem in Äthiopien, dessen Quellen 86 Prozent des Nilwassers liefern, will man Wasserkraftwerke und Bewässerungsanlagen bauen. Einige Ägypter denken deshalb inzwischen sogar laut über Militäraktionen zur Sicherung der Wasserversorgung nach. Zwar hat sich die Lage seit Mai wieder etwas entspannt, weil Kairo einige Nilanrainer-Staaten mit Gefälligkeiten und entwicklungspolitischen Versprechungen umgarnt hat. Doch die Regierung von Präsident Husni Mubarak hat gemerkt, dass sie das Problem nicht einfach aussitzen kann.
Der ägyptische Wasserminister Mohammed Nasreddin Allam und seine Berater arbeiten deshalb inzwischen notgedrungen an neuen Konzepten. Sie haben einigen Ländern am Oberlauf des Nils Hilfe beim Bau von Brunnen und Bewässerungsanlagen angeboten. Diese sollen im Gegenzug darauf verzichten, die angedrohte Steigerung ihres Nilwasser-Anteils in die Tat umzusetzen.
Gleichzeitig denken die Ägypter über die Erschließung neuer Wasserquellen nach - selbst über den Bau teurer Meerwasserentsalzungsanlagen, wie in den reichen Golfstaaten. Da dies aber voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die rapide wachsende ägyptische Bevölkerung auf Dauer mit Wasser und Nahrungsmitteln aus heimischer Produktion zu versorgen, muss man im Land der Pharaonen jetzt notgedrungen lernen, sparsamer als bisher mit der Ressource Wasser umzugehen.
«Die Betreiber von begrünten Hotelanlagen und künstlich bewässerten Golfplätzen wollen wir künftig stärker zur Kasse bitten», erklärt Allam. Ein entsprechender
Gesetzentwurf soll in der kommenden Legislaturperiode vom Parlament verabschiedet werden. Außerdem will der ägyptische Staat laut Allam die Bauern dazu bringen, künftig weniger Reis anzubauen, weil dafür besonders viel Wasser benötigt wird.
Ausländische Experten, die Ägypten in Fragen des Wassermanagements beraten, sind trotzdem skeptisch. Denn das zweite große Problem neben der Bevölkerungsexplosion - 1990 lebten rund 53 Millionen Menschen in Ägypten, heute sind es mehr als 80 Millionen - ist die enorme Wasserverschwendung. Die Bewässerungsmethoden in der Landwirtschaft sind zum Teil archaisch. Hinzu kommen marode Leitungen und die künstliche Bewässerung von Gärten in den neuen Villenvierteln vor den Toren von Kairo.
Doch eine deutliche Anhebung der Gebühren für Wasser wäre politisch schwer durchsetzbar. Denn in Ägypten gilt das Nilwasser schon seit der Herrschaftzeit von Cheops und Ramsis II. als «Geschenk Gottes», für das man nicht bezahlen muss. (dpa)