«Die suchen sich jetzt ihre Schlafplätze im Plagefenn-Moor oder am Wesensee», erklärt die Naturschützerin. Kraniche bevorzugten Nist- und Schlafplätze im flachen Wasser, um sich vor Feinden wie Fuchs,
Wildschwein oder Marderhund zu schützen.
«Jetzt im Herbst sammeln sie sich in den Morgen- und Abendstunden auf Feldern, um vor dem Winter in den wärmeren Süden zu ziehen, etwa nach Frankreich oder Spanien», erklärt Blahy, Mitglied der Brandenburger AG Kranichschutz. Beim Blick durch das Fernglas zählt sie die Kranichgruppen - etwa 400 Vögel sind aufgeflogen, 70 Tiere stehen noch auf dem Acker, darunter zehn Prozent Jungvögel, wie die Expertin erkennt.
«Das ist gar kein so schlechter Schnitt.» Allerdings seien viele der gerade gezählten Kraniche wohl keine Einheimischen, sondern aus nördlicheren Gebieten Europas zugezogen. Um die Population der uckermärkischen Exemplare macht sie sich hingegen Sorgen.
Blahy und ihr Partner, der frühere Brandenburger
Umweltminister Eberhard Henne, betreuen seit Jahren ein etwa 25 Quadratkilometer großes Monitoring-Gebiet rings um Angermünde. 24 der äußerst standorttreuen Kranichpaare seien dort zuhause, 18 von ihnen brüteten. Nur drei Küken wurden zunächst groß, ein einziger Jungvogel ist mit den Altvögeln inzwischen gen Süden aufgebrochen.
Die zwei anderen sind verschwunden - wahrscheinlich seien sie Opfer von Fuchs oder Marderhund geworden, vermuten die Kranichexperten. «Es ist das dritte trockene Jahr in Folge, eine Katastrophe für die größte europäische Vogelart, deren Lebensraum so eng an Moore, Bruchlandschaften oder Feldsölle gebunden ist», macht Henne deutlich.
Obwohl es in diesem Sommer viel geregnet habe, habe sich der in den Vorjahren stark gesunkene Grundwasserspiegel nicht erholt, geeignete Brutplätze seien Mangelware. Das kann auch Dirk Treichel, Leiter des Nationalparks Unteres Odertal, bestätigen. Die Auenlandschaft profitiere zwar davon, dass entlang der Oder immer Flächen leicht überflutet seien.
«Aber angestammte Brutplätze beispielsweise in unseren Erlenbruchwäldern oder Randquellmoore sind trocken. Das Wasserdefizit der vergangenen Sommer ist spürbar, die Tendenz eindeutig», sagt der Ökologe. Insgesamt etwa 50 Kranichbrutpaare gebe es seit Jahren im Nationalpark Unteres Odertal. Wie erfolgreich die diesjährige Brutsaison war, sei noch nicht ausgewertet, so Treichel.
Bei einer derart «katastrophalen Reproduktionsrate», wie sie Blahy und Henne festgestellt haben, sei es nur eine Frage der Zeit, bis in der Uckermark - bisher klassisches Kranichland mit der einst höchsten Brutdichte deutschlandweit - kaum noch Exemplare der imposanten Schreitvögel zu finden seien. «Schon jetzt ist zu beobachten, dass sie nach Norden abwandern, denn Skandinavien wird nicht so schnell trocken fallen», ergänzt Blahy.
Sie ist schockiert über die so schnellen Auswirkungen des Klimawandels in der Uckermark, wie sie sagt. Thüringen und Bayern, wo ein besonderes Augenmerk auf die Wiedervernässung von Mooren gelegt werde, sowie Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen verzeichneten Kranichzuwächse.
In den Südbrandenburger Bergbaufolgelandschaften in der Lausitz entstehen nach Informationen der Naturschützer ebenfalls neue Lebensräume für Kraniche, in denen bereits große Gruppen von Zugvögeln Schlafgäste sind. Das bestätigt Ralf Donat, Sprecher der Brandenburger AG Kranichschutz und Mitarbeiter der Heinz Sielmann Stiftung in der Naturlandschaft Wanninchen (Dahme-Spreewald).
«Der stark kritisierte Bergbau wird nach seinem Ende zum Hotspot für die Artenvielfalt. Der Kranich hat die Region für sich entdeckt, vor allem die entstandenen Flachwasserbereiche. Wir haben auch schon einige Brutpaare», sagt er.
Keine Aussage könnten die Naturschützer jedoch über jene Flächen treffen, die zunächst noch bergbautechnisch gesichert werden müssen und derzeit nicht betreten werden dürfen. «Da ist spannend, was sich an Flora und Fauna dort ungestört entwickelt», sagt Donat.
Solche Geheimnisse gibt es in der Uckermark nicht. Blahy und Henne kennen die bevorzugten Kranich-Rastplätze in der Region: In der Morgen- oder Abenddämmerung machen sich die beiden Naturschützer auf zum Kranichzählen, um neben Brut- auch Rastdaten zu erfassen. Nicht alle Exemplare, die sich mit Artgenossen derzeit auf den Feldern sammelten, zögen tatsächlich in den Süden, sagt Blahy. «Kraniche haben durch die vergangenen milden Winter gelernt, dass sie diese Kräfte zehrende, gefahrvolle Reise in die Überwinterungsgebiete gar nicht machen müssen», sagt sie.
Das kann auch AG-Sprecher Donat bestätigen. «Solange die Vögel ausreichend Nahrung auf den Äckern finden, spielt die Kälte keine Rolle. Problematisch wird es nur, wenn die Schneedecke zu hoch oder der Boden zu hartgefroren ist.»