Diese falsche Einschätzung führt laut dem emeritierten Prof. Harald von Witzke zu politischen Entscheidungen, die das Gegenteil von dem bewirken, was vorgeblich damit erreicht werden soll. „Dies ähnelt sehr dem VW-Dieselskandal, bei dem das Unternehmen die Klimagasemissionen ihrer Dieselmotoren falsch gemessen hat und dafür zu Recht bestraft worden ist“, so von Witzke in einem Kurzbeitrag über die korrekte Messung der Nachhaltigkeit.
Ein
Ausbau der Ökolandbaus sowie die Umsetzung des Green Deal würden die heimischen Klimaemissionen senken, aber ebenso die Agrarproduktion. Das wiederum würde zu einer zusätzlichen Ausdehnung der
Agrarflächen in anderen Teilen der Welt führen, was erheblich mehr an zusätzlichen
Treibhausgasemissionen zur Folge hätte als hierzulande eingespart würde. Per Saldo würden die globalen Klimagasemissionen zu- statt abnehmen.
Von Witzke stellt dabei heraus, dass die Emissionen der Flächenausdehnungen ein Vielfaches derer auf den bereits genutzten Arealen betragen. In der Literatur fänden sich Angaben, die zwischen 180 t und mehr als 1.000 t
CO2 je Hektar lägen. Die Messung der externen Kosten durch die Politik sei methodisch inkorrekt. Dies habe fatale Folgen, warnt von Witzke.
Konsumenten, Landwirte, Steuerzahler und auch die Medien würden durch die politische Mär von den positiven Klimawirkungen und anderen Dimensionen der
Nachhaltigkeit einer weniger produktiven Wirtschaftsweise in die Irre geführt.
Wenn man aber die Klimagasemissionen der Landwirtschaft korrekt messe und die Konkurrenz um den immer knapperen Boden und die dadurch verursachten weltweiten negativen Effekte auf die
Biodiversität und das Klima einbeziehe, ergibt sich eindeutig, dass eine durch Produktivitätswachstum und Innovation bestimmte
Agrarproduktion zu bevorzugen ist.
Zeitalter der KnappheitDas Mitglied im Vorstand des Thaer Forums für Agrikultur (TFFA) moniert, dass von der Politik nur die direkten Emissionen vor Ort betrachtet werden. Dann erhalte man als Resultat, dass sowohl die Ökolandwirtschaft als auch politische Maßnahmen wie etwa der Green Deal einer produktiven und innovativen Landwirtschaft vorzuziehen seien. Eine solche Einschätzung möge der Politik zu Zeiten des Überflusses in der Weltlandwirtschaft und den Überschüssen in der Europäischen Union und anderswo plausibel erschienen sein.
Im neuen Zeitalter der Knappheit in der Agrarwirtschaft der EU und der Welt insgesamt sei dies jedochmethodisch falsch, betont von Witzke. Er weist darauf hin, dass die Europäische Union per Saldo mittlerweile im Jahr 17 Mio. ha bis 34 Mio. ha außerhalb ihrer Grenzen zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse im
Agrarbereich nutze. Deutschland trage mit 6 Mio. ha bis 7 Mio. ha erheblich dazu bei.
Hohe Kosten schon bei ein Prozent weniger Ertrag Untersuchungen des TFFA hätten gezeigt, dass jeder Prozentpunkt Rückgang der Agrarproduktion in der Europäischen Union die weltweite Ausdehnung der Flächen um 1,2 Mio. ha beschleunige, erklärt der Agrarökonom. Gleichzeitig gingen somit 1,2 Mio. ha natürliche oder naturnahe Flächen und deren Biodiversität verloren. Die damit verbundenen zusätzlichen Emissionen liegen laut von Witzke bei 220 Mio. t und die Klimakosten bei 44 Mrd. Euro. Allein die Klimakosten je Prozent Ertragsminderung beliefen sich auf 250 Euro/ha.
Umgekehrt bedeute jedes Prozent an Steigerung der Flächenerträge also eine Verringerung der weltweiten Flächenausdehnung um 1,2 Mio. ha. Dadurch würden somit 220 Mio. t an Klimagasemissionen vermieden. Der Klimanutzen durch die Steigerung der Flächenerträge in Höhe von 44 Mrd. Euro beziehungsweise 250 Euro/ha muss dem Agrarwissenschaftler zufolge der Landwirtschaft auch als Beitrag zum
Klimaschutz angerechnet werden.
In den Dokumenten der EU zum Green Deal und auch im Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) würden diese externen Kosten beziehungsweise Nutzen für die Welt insgesamt aber nicht einmal erwähnt.