Diesem Ziel hat sich die
EU-Kommission mit ihrer neuen Strategie verschrieben, die sie am Dienstag in Brüssel vorgelegt hat. Der Mensch sei auf die
Artenvielfalt angewiesen, sagte EU-Umweltkommissar Janez Potocnik - «ob es um unser Essen, Trinkwasser, frische Luft oder ein stabiles Klima geht». Die Artenvielfalt sei das «natürliche Kapital» der Menschen. «Wir verbrauchen es zu schnell.» Eigentlich wollte die EU das
Artensterben schon bis zum vergangenen Jahr unter Kontrolle bekommen. «Das haben wir nicht geschafft», sagte Potocnik.
Rund ein Viertel der europäischen Tierarten - darunter Säugetiere, Amphibien, Reptilien, Vögel und Schmetterlinge - sind heute vom Aussterben bedroht, sagte Potocnik. Bei Fischen in der EU sei die Lage dramatischer: 88 Prozent der Fischbestände sind entweder überfischt oder erheblich dezimiert. Nur 17 Prozent der untersuchten Lebensräume und Arten seien in guter Verfassung. «In Europa sterben Arten in einem beispiellosen Tempo aus», hieß es in Brüssel.
In ihrem Strategiepapier nennt die Kommission sechs Ziele, mit denen vor allem die Gefahren für die Artenvielfalt bekämpft werden sollen. Neben nachhaltiger Landwirtschaft, Fischerei und Forstwirtschaft gehört dazu auch die Bekämpfung eingewanderter Arten und die vollständige Umsetzung bestehender Naturschutzvorschriften zum Erhalt von Lebensräumen.
Schuld am Artensterben sei vor allem der Mensch. Die Kommission macht keinen Hehl daraus, dass wirtschaftliche Interessen die Ursache des Übels sind: Überfischung, Überdüngung und Umweltverschmutzung treiben ebenso das Artensterben voran wie die Abholzen der Wälder, Monokulturen auf den Äckern, Naturzerstörung für Gewerbegebiete oder Straßen und die unkontrollierte Verbreitung fremder Arten.
Dabei hat der Verlust der Artenvielfalt erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen. So wird zum Beispiel der wirtschaftliche Wert der Insektenbestäubung in Europa auf 15 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Doch der «Fleiß» der Insekten lasse dramatisch nach. Außerdem sei einer von sechs Arbeitsplätzen in der EU - direkt oder indirekt - an Umwelt oder Artenvielfalt geknüpft.
Die Naturschutzorganisationen
WWF hält die EU-Strategie für nicht weitgehend genug: «Die Biodiversität-Strategie ist ein Schritt in die richtige Richtung», sagt Alberto Arroyo vom WWF. «Aber sie hat nicht die wirkliche Kraft um den Verlust der
Biodiversität zu stoppen.»
Mit dem Wort «Biodiversität» scheinen die meisten Europäer kaum etwas anfangen zu können. Der Begriff bezeichnet die Vielfalt allen Lebens und der Lebensräume insgesamt sowie die Vielfalt innerhalb der Arten. Laut einer Eurobarometer-Umfrage wissen das aber nur 35 Prozent der Befragten. Erklärt man ihnen was dahinter steckt, halten 85 Prozent Artensterben für ein bedeutendes Problem in der EU. (dpa)