11.08.2010 | 20:00 | Fragen & Antworten
Experte: Brände verteilen Radioaktivität über größeres Gebiet
München - Die Brände um die Stadt Brjansk können radioaktive Teilchen aufwirbeln, die noch vom Reaktorunglück in Tschernobyl 1986 stammen. |
Das ist zwar aktuell nicht sehr gefährlich, sagte Peter Jacob, Leiter der Arbeitsgruppe Risikoanalyse am Helmholtz Zentrum München. Aber langfristig kann radioaktives Cäsium auf bisher nicht kontaminierte Felder gelangen.
Welche Gefahr droht, wenn radioaktiv kontaminierte Wälder brennen?
Jacob: «Für die Leute, die dort wohnen, würde ich Entwarnung geben. Die Gefahr, die dort durch Radioaktivität auftritt, dürfte sehr gering sein, weil das Cäsium überwiegend über die Nahrungskette wirkt. Das Einatmen selber spielt nicht so eine große Rolle.»
Was geschieht mit den Feuerwehrleuten?
Jacob: «Die Feuerwehrleute, die jetzt da im Rauch stehen, die haben andere Probleme als das Cäsium. Die atmen Rauch ein und kämpfen mit der Hitze. Ich nehme an, dass Radioaktivität dort eine untergeordnete Rolle spielt.»
Können radioaktive Stoffe durch das Feuer bis Deutschland kommen?
Jacob: «Das halte ich für extrem unwahrscheinlich. Dazu wäre ein Transport über eine große Entfernung nötig. Das Feuer wird keinen so starken Auftrieb haben, dass das passiert, und große Stürme haben wir ja im Moment nicht.»
Und wenn der Wind dennoch mal stark von Osten bläst?
«Deutschland ist eines der Länder, die am besten ausgerüstet sind. Wir haben das sogenannte IMIS mit 2.000 Messstationen, die über das Land verteilt sind. Und wenn hier irgendwo Radioaktivität ankommt, wird das sofort online gemeldet.»
Gibt es langfristige Risiken?
«Ich sehe die Gefahr darin, dass sich die radioaktiven Stoffe ausbreiten. Das Cäsium ist sowieso da, nur ist es jetzt im Wald und durch das Feuer kann es zum Beispiel in ein Dorf oder auf Äcker getragen werden.»
Sollte man die Gebiete wegen des radioaktiven Cäsiums sperren?
Man kann den Boden auch einfach umpflügen, dann ist es in tieferen Bodenschichten. Im Notfall müsste man kontaminierten Boden abtragen. Aber das kann erst im Ernstfall entschieden werden. (dpa)
Hintergrund:
Radioaktivität
Radioaktivität ist ein spontaner Zerfall von instabilen Atomkernen. Dabei ändern sich Masse und Kernladung, und es wird Energie freigesetzt. Diese wird als ionisierende Strahlung abgegeben. Sie hat eine direkt schädigende Wirkung auf die Zelle als kleinste biologische Einheit. Deshalb kann die Strahlung beispielsweise Krebs auslösen und je nach Stärke sogar tödlich sein. Einen unteren Schwellenwert gibt es nicht. Für die Art der Gesundheitsgefährdung durch Radioaktivität ist die empfangene Dosis entscheidend.
Seit 1986 ist hierfür das Sievert (Sv) die international gültige Maßeinheit. Auch eine sehr geringe Strahlendosis kann unter ungünstigen Umständen Gewebe zerstören oder eine Tumorentwicklung anstoßen. Es gibt natürliche und künstliche Radioaktivität. Auf natürliche Weise kommt sie zum Beispiel durch kosmische Strahlung oder in Gesteinen vor. Je nach Region kann die Belastung erheblich schwanken.
Künstliche Radioaktivität entsteht etwa in Atomreaktoren und beim Röntgen. Die gesamte natürliche Strahlenbelastung in Deutschland beträgt dem Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter zufolge durchschnittlich 2,1 Millisievert (mSv) im Jahr. Je nach Wohnort, Ernährungs- und Lebensgewohnheiten reicht sie im einzelnen von 1 bis zu 10 Millisievert. Ein Arbeiter eines Atomkraftwerkes nimmt im Laufe von zehn Jahren eine Strahlendosis von etwa 50 bis 200 mSv auf.
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