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14.04.2011 | 01:43 | 20-jähriges Bestehen 

Germanwatch - Pilotfisch in der Umweltpolitik

Bonn/Berlin - Ursprünglich war Germanwatch eine Entwicklungshilfeorganisation. Heute steht der Klimawandel im Fokus, weil er die armen Länder besonders trifft. Dabei klettern die Mitglieder nicht auf Schornsteine, sondern setzen auf Überzeugungskraft - seit 20 Jahren.

Germanwatch
(c) proplanta
Klimagipfel rauben nicht nur Diplomaten den Schlaf. Als zugelassene Beobachter sitzen auch Sven Harmeling (33) und Christoph Bals (50) oft tage- und nächtelang in den Verhandlungssälen. Die Mitarbeiter der Organisation Germanwatch sind zugleich gefragte Berater, die auch mal von Verhandlungschefs gerufen werden, wenn alles stockt. «Es ist wirklich erstaunlich, wie sehr es Germanwatch im Klimabereich in kurzer Zeit gelungen ist, eine Stimme zu werden, die gehört wird wegen ihrer Fachlichkeit», sagt die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann.

An diesem Donnerstag feiert die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch in Berlin ihr 20-jähriges Bestehen. Zugesagt haben auch Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. «Germanwatch ist ein sehr wichtiges Zugpferd, um Klimaschutz mit innovativen Ideen voranzubringen», sagte Trittin der Nachrichtenagentur dpa. «Wir (...) hoffen, dass Germanwatch nicht aufhört, sich unbequem für mehr Klimaschutz und insgesamt für eine gerechtere Welt einzusetzen.»

Nach dem Mauerfall mussten sich Entwicklungsländer im Weltgefüge neu orientieren, Deutschland erhielt größeres politisches Gewicht. Das war am 24. Februar 1991 Anlass für rund 100 Menschen, die deutsche Politik und Wirtschaft besonders in die Verantwortung zu rufen. «Wir haben aber sehr früh gesagt, es ist nicht die Politik alleine, die wir in den Blick nehmen müssen, sondern auch die Wirtschaft», betont der Germanwatch-Vorsitzende Klaus Milke (60).

Besonders wichtig sei der Finanzbereich. So habe die Organisation dazu beigetragen, dass die Fondsmanager für die Riesterrente berichten müssen, ob und wie «grün» ihre Fonds seien. Das werde zwar leider noch nicht kontrolliert, habe aber zu einer neuen Diskussion in der Finanzwelt geführt. So sei der Passus in die Regelungen für Pensionsfonds übernommen worden.

«Man hat als Mini einen großen Effekt erzielt», sagt Milke. Die Organisation hat nur 35 hauptamtliche Mitarbeiter und rund 500 zahlende Mitglieder. Sie finanziert sich laut Milke zudem aus Spenden und einer Stiftung, vor allem aber durch Analysen und Bildungsprojekte, die von Ministerien, der EU, Stiftungen oder Kirchen bezuschusst werden. Die Befristung der Arbeit sei bedrückend, «da wir für viele Mitarbeiter nach ein bis zwei Jahren wieder neue Projekte formulieren müssen».

«Das, was wir tun, soll eine größtmögliche Hebelwirkung haben.» Dabei setze Germanwatch auf Kooperation statt Konfrontation. «Wir haben uns anfangs gefragt: Wo sind die entwicklungspolitischen Schornsteine? Weil wir natürlich Greenpeace als ein tolles Beispiel vor uns hatten», meint Milke. «So symbolträchtig können wir bei vielen komplexen Nachhaltigkeitsthemen aber nicht arbeiten.» Germanwatch versuche, sich in die Logik der Akteure hineinzudenken. «Den Politikern Machtorientierung vorzuwerfen, ist verkehrt - das ist doch der Treibriemen für die Politik.» Germanwatch biete einem Politiker daher eher ein gutes Argument an oder dem Unternehmen Hilfen im Bereich Klima und Energie.

So war Germanwatch 2005 maßgeblich am Entstehen der gemeinnützigen GmbH atmosfair beteiligt. Dort kann sich jeder Fluggast ausrechnen lassen, wie viel Kohlendioxid er produziert und dann Klimaschutzprojekte finanzieren. Bei der 2009 mitinitiierten Kampagne makeITfair seien Vodafone, E-Plus und Telekom nach der Lieferkette von Rohstoffen für Handys gefragt worden, erläutert Milke. «Das hat zu einem Aufweckprozess in den Unternehmen geführt und ein verstärktes Rücknahmebewusstsein angeregt.»

«Wir sind ein Pilotfisch, (...) der auskundschaftet und guckt, wo er andere Fische anstoßen kann.» Zudem hat Germanwatch ein Netz von Kooperationen. Dazu zähle eine Kleinbauernorganisation in Sambia ebenso wie eine Beraterin in Peking.

Doch nicht alles lief nach Plan. «Wir hatten 2001 in der Initiative Emission 55 zusammen mit dem WWF rund 200 Unternehmen zusammengeführt, um erfolgreich die Umsetzung des Kyoto-Protokolls zu unterstützen», erläutert Milke. «Das Projekt ist mit den Anschlägen am 11. September abgestürzt, denn dann hatten die Unternehmen andere Sorgen.» Ein einziges Mal organisierte Germanwatch eine große Straßenaktion in mehreren Städten, die «Klima-Ausbadekampagne» 2002 mit symbolischer Badewanne, in die sich auch Politiker hineinsetzen sollten. «Aber wir haben gelernt dabei, dass wir keine Straßenkampagnen-Organisation sind.» Dazu brauche man viele Unterstützer und Mitarbeiter in vielen Städten.

Derzeit versucht Germanwatch mitzuhelfen, weitere Unternehmen für die 2-Grad-Initiative zu gewinnen. Die Teilnehmer sehen sich dem Ziel verpflichtet, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Die Deutsche Bahn etwa und Puma sind schon dabei. Der Gründer der Initiative und Aufsichtsratsvorsitzende der Otto-Group, Michael Otto, lobt die «ausgewogenen und ambitionierten Konzepte» von Germanwatch und die hohe fachliche Kompetenz. «Das macht die Organisation zu einem starken Lobbyisten für den Klimaschutz, vor allem auch in der Wirtschaft.»

Motor für viele Germanwatch-Mitarbeiter ist eine Passion für Gerechtigkeit und Klimaschutz. Klimaexperte Bals gibt zu bedenken: «Das, was vor uns liegt, ist von der Größenordnung her so etwas wie die Abschaffung der Sklaverei.» (dpa)
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