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03.12.2009 | 20:04 | Klimapoliitk  

Greenpeace will mehr Klima-Engagement von Merkel und Obama

Hamburg - Greenpeace fordert vom Klimagipfel in Kopenhagen ein Abkommen, das fair, ambitioniert und verbindlich ist.

Greenpeace will mehr Klima-Engagement von Merkel und Obama
Dazu sollte US-Präsident Barack Obama nicht nur in der ersten Woche wie geplant eine Rede halten, sondern auch in der Abschlussrunde mit den anderen rund 100 Staats- und Regierungschefs verhandeln und entscheiden, sagte der Leiter internationale Klimapolitik von Greenpeace, Martin Kaiser, in Hamburg. In einem Interview mit der Deutschen Presse- Agentur dpa forderte er zudem von Bundeskanzlerin Angela Merkel mehr Courage, um Obama zu weitreichenden Klimazielen zu bewegen.


Wann ist Kopenhagen aus Ihrer Sicht ein Erfolg?

Kaiser: «In Kopenhagen muss es ein historisches Abkommen zum Klimaschutz geben, das Abkommen selber muss fair sein, es muss ambitioniert sein, und es muss rechtlich verbindlich sein. Fair heißt, dass die am stärksten betroffenen Entwicklungsländer finanziell von den reichen Industrie-Nationen in der Größenordnung von 110 Milliarden Euro unterstützt werden.

Es muss ambitioniert sein, um nach den Vorgaben der Wissenschaft den globalen Klimawandel einigermaßen eindämmen zu können. Das heißt, Industrieländer müssen 40 Prozent der Treibhausgasemission bis 2020 reduzieren, um mit einer großen Wahrscheinlichkeit die globale Erwärmung weit unter 2 Grad halten zu können. Und drittens muss es rechtlich verbindlich sein. Es darf nicht ein zahnloser Tiger sein, sondern muss international verbindliche Ziele für die USA, für Europa und die anderen Industrieländer enthalten. Zudem müssen international verbindliche Regeln vereinbart werden, wie die Umsetzung kontrolliert werden kann.»


Was sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel tun, um das Ziel zu erreichen?

Kaiser: «Von Bundeskanzlerin Merkel erwarten wir in Kopenhagen ein großes persönliches Engagement in dem Kreis der Staats- und Regierungschefs, um das Notwendige möglich zu machen. Ein rechtlich verbindliches Abkommen mit ambitionierten Reduktionszielen muss von Seiten der Europäischen Union eingefordert werden, um tatsächlich auch die USA in dieser Frage deutlich zu bewegen. Ein Schmusekurs mit den USA würde sich hingegen auf das gesamte Anspruchsniveau negativ auswirken. Die USA sind diejenigen, die den Klimaverhandlungsprozess derzeit am meisten verzögern. Da muss Bundeskanzlerin Merkel die Courage zeigen, um mit Präsident Obama in dieser Frage hart zu verhandeln. Es gibt jetzt in den USA ein historisches Zeitfenster, das sich aber sehr schnell wieder schließen wird, wenn die Kongresswahlen zur halben Amtszeit von Obama im November anstehen werden.»


Was erwarten Sie von US-Präsident Barack Obama?

Kaiser: «Präsident Obama hat Anfang des Jahres eine Führungsrolle im internationalen Klimaschutz versprochen, zu diesem Wort muss er jetzt stehen. Er muss sich deutlich über das hinaus bewegen, was derzeit bei ihm im Senat als Reduktionsziel der USA diskutiert wird. Das bisherige Ziel von Obama, die US-Treibhausgase bis 2020 um 17 Prozent im Vergleich zu 2005 zu reduzieren, ist völlig unakzeptabel. Das bedeutet minus 4 Prozent im Vergleich zu 1990, und ist somit weit unter dem, was der Weltklimarat mit 25 bis 40 Prozent fordert. Obama müsste den Mut in Kopenhagen aufbringen, ein viel höheres Reduktionsziel zu präsentieren.

Damit könnte er auch die Schwellenländer wie China und Indien überzeugen, einem Abkommen beizutreten. Wenn ihm dies gelänge, könnte er dann auch zu Hause ein sehr viel höheres Reduktionsziel der USA gut vertreten und durchsetzen. Wichtig wäre, dass Obama nicht nur am Anfang der Klimakonferenz kommt und eine Rede hält, sondern dass er noch mal am Ende erscheint, um mit den anderen Staats- und Regierungschefs zu verhandeln und zu entscheiden.»


Was ist die Aufgabe der Schwellenländer wie China oder Indien?

Kaiser: «Gerade China, Indien, Brasilien und Indonesien sind ja mittlerweile mit die größten Verschmutzer der Atmosphäre. Historisch gesehen, haben sie aber wenig Verantwortung für den globalen Klimawandel. In einem Abkommen für die nächsten Jahre, um die es in Kopenhagen ja vor allem geht, müssen diese Länder mit in die Verantwortung genommen werden, Treibhausgase zu reduzieren, aber noch nicht in die Verpflichtung. Schon heute haben diese Länder vielversprechende Angebote für ihre Beteiligung am globalen Klimaschutz. Die ambitionierten Ziele und nationalen Maßnahmen zum Klimaschutz sollten sie mit Unterstützung der Industrieländerländer erreichen können.»


Was heißt das konkret?

Kaiser: «Indonesien hat beispielsweise angekündigt, bereits 25 bis 41 Prozent weniger zu emittieren, als das vorhergesagt wird. Aber auch ein Land wie China, in dem die CO2-Emission derzeit steigt, will bis 2020 - gemessen am Wirtschaftswachstum - 40 bis 45 Prozent weniger emittieren als 2005. Insofern ist Bewegung in die Verhandlungen gekommen, und mit ambitionierteren Zielen der Industrieländer, glaube ich, können diese Schwellenländer in Kopenhagen auch noch mehr einbringen. China kann ganz klar noch nachlegen.»


Und was benötigen die ärmeren Entwicklungsländer?

Kaiser: «Die Entwicklungsländer, gerade die am wenigsten entwickelten, sind ja zum einen mit den größten Folgen des Klimawandels schon jetzt konfrontiert. Überschwemmungen und Dürren mindern die Ernte-Erträge. Diese Länder sind bereit, ihren eigenen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Sie fordern auf der anderen Seite von den Industrieländern ganz klar, die Treibhausgase deutlich zu reduzieren und finanzielle Unterstützung auch für die armen Länder verlässlich bereitzustellen. Denn die finanzielle Unterstützung alleine wird nicht viel nützen, wenn nicht gleichzeitig die Treibhausgase drastisch reduziert werden. Gerade die kleinen Inselstaaten haben gefordert, die Treibhausgase der Industrieländer sollen mindestens um 45 Prozent von 1990 bis 2020 reduziert werden, damit wir weit unter einer Erwärmung von 1,5 Grad bleiben. Sie sind mit ihren Forderungen also noch ein Stück weiter gegangen als die übrigen Länder. Denn bei ihnen geht es um Leben und Tod.»


Was benötigen die ärmsten Länder noch?

Kaiser: «Neben der drastischen Reduktion der Treibhausgase durch die Industrieländer und der finanziellen Unterstützung in den Bereichen Anpassung an den Klimawandel, Minderung der Emissionen und Waldschutz fordern sie als drittes den Transfer von Umwelttechnologien. Damit könnte die Ausbreitung von erneuerbaren Energien in solchen Ländern sehr schnell und sehr effektiv vonstattengehen.»


Was fehlte bislang noch beim internationalen Klimaschutz?

Kaiser: «Durch die rapide Globalisierung der Weltmärkte hat gerade der Verkehr durch Flugzeuge und durch Schiffe immens zugenommen, damit aber leider auch die Treibhausgasemission. Die Emissionen sind im bisherigen Klimaschutzabkommen noch nicht erfasst und müssen bei einem zukünftigen Abkommen in Kopenhagen unbedingt mit aufgenommen werden. Nötig sind klare Ziele für deren Reduktion. Wenn es um die Finanzierung von Klimaschutz in Entwicklungsländern geht, wäre auch eine Besteuerung des internationalen Flug- und Schiffsverkehrs eine vielversprechende Möglichkeit, einen internationalen Klimaschutzfonds zu speisen. Das würde helfen, die 110 Milliarden pro Jahr, die für Entwicklungsländer notwendig sind, zu realisieren.»


Ein weiterer Punkt auf dem Klimaparkett ist seit einigen Jahren der Waldschutz. Gibt es Fallstricke dabei?

Kaiser: «Etwa ein Fünftel der globalen Treibhausgasemissionen stammt aus der rapide fortschreitenden Entwaldung der tropischen Urwälder. In Kopenhagen muss dem ein Riegel vorgeschoben werden, damit die Entwaldung bis 2020 gestoppt werden kann. Mit einem Urwaldschutzfonds, könnten Waldländer wie Brasilien, Indonesien und Kongo wirkungsvoll unterstützt werden.

Eine große Gefahr ist, dass die Hauptverschmutzer der Atmosphäre, die Kohleindustrie und die Ölindustrie, darauf drängen werden, den Waldschutz über billige Zertifikate in den globalen Kohlenstoffhandel einzubeziehen. Damit könnten Sie ihre eigenen Verpflichtungen zur Emissionsreduktion billig umgehen, zulasten des Klimaschutzes. Dabei könnte auch der Preis für Verschmutzungszertifikate im Emissionshandel zusammenbrechen. Das wäre fatal. So sind Deutschland und die Bundeskanzlerin Merkel gefordert, dass Urwaldschutz Teil des Klimaschutzes wird und nicht ein Ablasshandel für die Hauptverschmutzer.»


Der Geschäftsführer von Greenpeace, Kumi Naidoo, tritt für Hungerstreik im Kampf für den Klimaschutz ein. Möchte Greenpeace weiter den Schwerpunkt auf inhaltliche Arbeit setzen oder wird wieder mehr protestiert?

Kaiser: «Inhaltliche Arbeit und die Proteste haben für uns schon immer zusammengehört. Greenpeace hat den Klimaschutz für die nächsten zehn Jahre als Top-Priorität festgelegt, denn es gibt keine Alternative dazu. Es ist die größte Herausforderung, die die Menschheit im Bereich Umwelt je hatte. So wird sich Greenpeace weiterhin über inhaltliche Konzepte, politische Arbeit und Kampagnen stark engagieren. Und wir werden gemeinsam auch mit anderen Organisationen und zivilgesellschaftlichen Akteuren sowohl der Politik als aus der Industrie folgendes deutlich machen: Jeder Euro, der in Kohle, Öl oder Atom investiert ist, bedeutet eine Investition in die Vergangenheit.» (dpa)
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