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11.07.2023 | 16:53 | Schadschmetterling 

Paintball-Markierer im Einsatz gegen Eichenprozessionsspinner

Saerbeck - Die beiden Männer tragen Schutzbrillen und ihre Plastikgewehre über der Schulter. Die Zielobjekte: Alte Eichen, die sich zu einer Allee aufreihen.

Eichenprozessionsspinner 2023
Die Raupen schaden Baum und Mensch: Eichenprozessionsspinner knabbern die Blätter der Eichen ab und verursachen mit ihren giftigen Härchen Hautausschlag. Eine spezielle Paintball-Munition soll nun ihre Vermehrung verhindern. (c) Stefan Franz - fotolia.com
Schüsse fallen, und die Munitionskugeln zerplatzen in Spritzern an den Baumstämmen. In den pinken Kügelchen steckt eine helle Paste, die einem ganz bestimmten Gegner gilt - dem Eichenprozessionsspinner. Der Beschuss mit Paintballgewehren, sogenannten Markierern, ist eine neue Methode, gegen den Falter vorzugehen.

Auf der Eichenallee im münsterländischen Saerbeck hat der Landesbetrieb Wald und Holz NRW am Dienstag die ungewöhnliche Technik vorgestellt. Die Munition in den Paintball-Markierern soll die männlichen Raupen desorientieren und so die Vermehrung der Tiere verhindern. Dazu seien die Gelatine-Kügelchen mit hochkonzentrierten Pheromonen gefüllt, wie Ole Theisinger, Wissenschaftler am Zentrum für Wald und Holzwirtschaft, erklärte. «Die schießen wir oben in die Bäume rein, damit sich eine Lockstoffwolke bildet.»

Sehen oder riechen kann man diese Wolke aber nicht. Ein Vorteil der Methode gegenüber anderen Verfahren sei, dass sie artspezifisch nur auf die Falter einwirke, sagte Theisinger. Für andere Insekten und Menschen seien die Pheromone unbedenklich.

Schon eine Kugel sende so viele Stoffe aus wie 100.000 Falter-Weibchen, berichtete Nicole Fiegler, Sprecherin des Landesbetriebs. Die Duftstoffe sollten nach und nach ausströmen und die männlichen Tiere davon abhalten, Weibchen zu orten. Die Methode funktioniere deshalb nur während der Paarungszeit der Tiere.

In einem ersten Testlauf werden 70 Eichen in Saerbeck sowie Bäume an sechs weiteren Standorten in NRW mit den Kügelchen beschossen. Darunter sind neben Eichenalleen etwa auch ein Park und ein Friedhof. Jeder Baum wird zunächst mit acht Kugeln behandelt, das wiederholen die Forscher dann noch einmal im August. Ob die Fortpflanzung der Tiere erfolgreich gestört wurde, soll sich im kommenden Jahr zeigen. Zum Vergleich untersucht der Landesbetrieb auch Bäume, die nicht behandelt wurden.

Die Methode sei in Deutschland neu, aber bereits in den Niederlanden erprobt worden, sagte Theisinger weiter. Dort sei ein Rückgang der Nester um bis zu 50 Prozent festgestellt worden. Der Landesbetrieb beschäftige sich schon seit 2019 mit der Idee - bisher habe es aber an den technischen Möglichkeiten gefehlt, die Lockstoffe an die Bäume zu bringen.

Die nun verwendete Munition ist das Ergebnis einer internationalen Zusammenarbeit: Entwickelt wurde sie in Schweden, die Pheromon-Paste stammt aus den USA und wird dort bereits gegen Schädlinge eingesetzt. Zusammengesetzt werden die Kugeln in einer Fabrik für Paintballmunition in Estland. Sie sind nach Angaben des Landesbetriebs ungiftig und biologisch abbaubar. Die pinke Gelatinehülle, die nach dem Schuss zu sehen bleibt, soll sich bei Regen auflösen.

Schießen dürfen nur Mitarbeiter des Landesbetriebs, der dazu eine Sondergenehmigung bei der zuständigen Kreispolizei eingeholt hat. «Wir durften vorher auch mal in einem Paintballpark ein paar Probeschüsse abgeben», erzählt Theisinger, der die Bäume mit seinen Kollegen gemeinsam behandelt.

Die Raupen des Eichenprozessionsspinners bilden giftige Härchen aus, die bei Berührung zu Ausschlägen, Augenreizungen, Atembeschwerden und allergischen Reaktionen führen können. Die Falter schaden aber auch den Eichen, da sie deren Blätter abfressen. Der Landesbetrieb geht davon aus, dass sich der Falter als Gewinner des Klimawandels in den kommenden Jahren weiter ausbreiten wird.

Bisher liege die Verantwortung zur Bekämpfung bei den Kommunen, sagte Theisinger. «Die handhaben das auch sehr unterschiedlich.» In den nordrhein-westfälischen Wäldern seien die Schädlinge bisher noch kein großes Problem. «Aber wenn wir den Blick nach Baden-Württemberg, Bayern oder Brandenburg richten, sehen wir, dass der Eichenprozessionsspinner auch im Wald große Schäden anrichten kann.»

Anhand der Ergebnisse, die im Sommer 2024 feststehen sollen, soll daher ein bundesweites Projekt entstehen, um weitere mögliche Anwendungsbereiche für die Methode zu erforschen. Langfristig sei eine Sprühapplikation des Stoffs vom Hubschrauber aus das Ziel, um auch größere Baumbestände zu behandeln, erzählte Theisinger. Für einzelne Bäume, wie etwa in der Allee in Saerbeck, seien die Paintball-Markierer aber bereits die beste und einfachste Wahl.

Bisher werden die Schädlinge meist durch Absaugen bekämpft, mitunter kommen auch aufgesprühte Biozide sowie Nistkästen für Meisen - natürliche Fressfeinde der Raupen - zum Einsatz. Zum Teil werden die Eichen auch mit kleinen Fadenwürmern besprüht. Die sogenannten Nematoden dringen in die Raupen ein und sind für Menschen und andere Tiere unschädlich.
dpa/lnw
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