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17.10.2016 | 08:30 | CO2-Ausstoß 

Städte sind für Großteil der Treibhausgasemissionen verantwortlich

Quito - Kurt Tucholsky hat den flüchtigen Moment in der Großstadt wunderbar beschrieben.

Treibhausgase in der Stadt
Rund 40.000 Teilnehmer diskutieren beim dritten UN-Stadtgipfel über die rasanten Zuzug in den Großstädten, die Ausbreitung der Slums, Wege gegen den hohen CO2-Ausstoß. Denn der Trend verschärft sich. (c) proplanta
«Wenn du zur Arbeit gehst am frühen Morgen; wenn du am Bahnhof stehst mit deinen Sorgen: da zeigt die Stadt dir asphaltglatt im Menschentrichter Millionen Gesichter: Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupillen, die Lider - Was war das? Vielleicht dein Lebensglück. Vorbei, verweht, nie wieder.»

Das Gehetzte, die Enge des Raums: das hat sich seit Tucholsky in den vergangenen fast hundert Jahren potenziert. Weltweit. Die Großstadt von heute hat oft wenig romantisches, gerade in den Entwicklungs- und Schwellenländern platzt sie aus allen Nähten. Slums überall, fehlende Wasser- und Stromversorgung.

Und es stinkt, weil eine vernünftige Kanalisation und Abwasserentsorgung fehlt - das konnten jüngst viele Olympiagäste in Rio de Janeiro riechen. Der CO2-Ausstoß ist enorm, Peking das Synonym für Dauersmog. Und die Stunden im Stau reduzieren die Zeit für die Familie, sei es in Johannesburg oder Mexiko-Stadt.

Allein in China gibt es heute rund 50 Städte mit über einer Million Einwohnern, weltweit sind es bereits rund 420. Ecuadors Hauptstadt Quito mit ihren 1,6 Millionen Einwohnern kommt da fast provinziell daher. Hier, unweit des Äquators, wird von Montag bis Donnerstag beim dritten UN-Weltsiedlungsgipfel (Habitat III) eine der großen Fragen unserer Zeit diskutiert und Handlungsempfehlungen werden entworfen: Wie können Großstädte und Megacitys lebenswert bleiben? Hier liegt auch der Schlüssel, um die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten.

Rund 40.000 Teilnehmer werden erwartet zu der Konferenz, die nur alle 20 Jahre stattfindet. 1976, bei der ersten Konferenz in Vancouver, lebten erst 37,9 Prozent der globalen Bevölkerung in Städten. 1996, als Habitat II in Istanbul stattfand, waren es 45,1 Prozent. 2016 sind es 54,5 Prozent - bis 2050 wird mit einem Anteil von 70 Prozent gerechnet. Der Klimawandel kann gerade in Afrika die Landflucht sogar noch weiter verstärken - und die Metropolen zum Zufluchtsort von Klimaflüchtlingen werden, die die Landwirtschaft aufgeben mussten.

Die Städte sind heute schon für 70 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Daher spielen umweltfreundliche Müllentsorgung, große Radverkehrnetze wie zum Beispiel in Kopenhagen und mehr Elektroautos eine Schlüsselrolle. Und kreative Ideen: in Boliviens Metropole La Paz, von starken Höhenunterschieden gekennzeichnet, sorgt das größte urbane Seilbahnnetz der Welt für Furore und Entspannung - CO2-frei.

Es geht in Quito um eine neue urbane Agenda, die für die lokalen Ebenen Zukunftslösungen liefern soll. So gibt es zum Beispiel in Rio de Janeiro seit 2015 ein mit Hilfe eines Kölner Abfallunternehmens gestartetes Großprojekt für eine Kompostierung von Grünabfällen. In Sachen Mülltrennung und Wiederverwertung, auch zur Energiegewinnung in Biogasanlagen, liegt in Städten großes Potenzial. Ebenso in großflächigen Solarpanelen auf den Dächern der Häusermeere.

In Quito geht es auch um den Kampf gegen Verdrängung, um bezahlbaren Wohnraum, neue architektonische Lösungen. Das bischöfliche Hilfswerk Misereor unterstützt Projekte, um Wohn- und Bleiberechte der armen Bewohner zu stärken, deren Behausungen oft weichen müssen für neue Autobahnen oder Luxushochhäuser.

Zum Beispiel in São Paulo: Hier findet seit 2010 eine der größten Hausbesetzungen der Welt statt. In einem Hochhaus im Zentrum, dort war früher eine Kleidungsfabrik, wohnen auf engstem Raum 480 Familien, es gibt über 2.000 Bewohner. Sie wollen nicht weichen - aber ob die Stadt sie dauerhaft dulden wird?

«Viele Arme leben ohne bürgerliche Rechte und Eigentumstitel in der ständigen Gefahr, vertrieben zu werden», betont die in Quito beim Habitat-III-Gipfel anwesende Misereor-Expertin für städtische Entwicklung, Almuth Schauber. «Mit unseren Partnerorganisationen, Architekten, Sozialarbeitern und Juristen unterstützen wir die Menschen dabei, ihre Häuser zu verbessern, ihre Rechte gegenüber der Stadtverwaltung durchzusetzen und gegen ihre Vertreibung zu kämpfen».
dpa
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