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22.09.2020 | 04:35 | Verheerende Brände 
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Waldbrände in Brasilien: Bolsonaro verbittet sich Kritik

Rio de Janeiro - Eine gewisse Ironie ist kaum zu leugnen: Ausgerechnet Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, der die massiven Waldbrände in seinem Land immer wieder herunterspielt, kann mit seinem Flugzeug nicht landen - wegen des Rauchs der Waldbrände.

Verheerende Waldbrände Brasilien 2020
Seit Wochen toben Brände im brasilianischen Pantanal, mehr als ein Fünftel des weltgrößten Binnenfeuchtgebiets ist bereits zerstört. Den Präsidenten scheint das kaum zu kümmern. Kurz vor einem Auftritt bei den Vereinten Nationen weist Bolsonaro erneut Vorwürfe zurück. (c) jelwolf - fotolia.com
Aber deshalb Einsicht beim Staatsoberhaupt? Fehlanzeige. «In diesem Fall war die Sicht nicht sehr gut», sagt Bolsonaro lediglich, nachdem es mit dem Landeanflug auf die Stadt Sinop am Freitag im zweiten Versuch dann doch noch geklappt hat. Am Dienstag soll er nun als einer der ersten Redner die UN-Generalversammlung eröffnen - und sich wohl auch dann wieder jede Kritik an seiner Umweltpolitik verbitten.

Vorwürfe aus dem Ausland weist der Präsident mit dem Hinweis zurück, die Konkurrenz sei eben interessiert daran, das brasilianische Agrargeschäft anzugreifen. Kanzlerin Angela Merkel hatte sich auch angesichts der anhaltenden Abholzung des Regenwaldes skeptisch gegenüber dem Handelsvertrag zwischen EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur geäußert. Auch Frankreich widersetzt sich dem.

Doch auch in Brasilien wächst die Kritik. «Die Auswirkungen auf die Agrarindustrie sind schädlich, unsere Glaubwürdigkeit und Wettbewerbsfähigkeit werden beeinträchtigt», sagte Parlamentspräsident Rodrigo Maia am Montag. Auch eine Koalition aus mehr als 200 Agrarunternehmen und Nichtregierungsorganisationen hatte der Regierung Bolsonaro bereits Vorschläge geschickt, um die Abholzung im Amazonas-Gebiet «schnell und dauerhaft» zu stoppen.

«Wir sehen Ausbrüche von Feuern in ganz Brasilien seit Jahren», sagt Bolsonaro. Was Bolsonaro zum Beispiel nicht sagt: Seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1999 hat es im Pantanal, dem weltgrößten Binnenfeuchtgebiet, nie so schlimm gebrannt wie derzeit. Das geht aus Daten des Nationalen Weltrauminstituts (Inpe) hervor. Alleine in diesem Jahr hat das Inpe dort bereits fast 16.000 Feuer registriert.

Auch im Amazonas-Gebiet toben Brände. Die Brände zerstörten schon ein Fünftel, rund 30.000 Quadratkilometer, des Pantanal-Gebiets in den Bundesstaaten Mato Grosso und Mato Grosso do Sul - eine Fläche größer als Israel. «Es sieht so aus, als ob nur Wasser übrig bleibt», sagt Vinícius Silgueiro von der Umweltschutzorganisation «Instituto Centro de Vida» (ICV) in Alta Floresta der Deutschen Presse-Agentur.

Das Pantanal besteht aus einem verzweigten System von Flüssen und Seen und ist ein einzigartiges Natur- und Touristenparadies. Beheimatet sind dort außerdem die größte Jaguar-Population der Welt sowie Hunderte Vogelarten, darunter der bedrohte Hyazinth-Ara. Doch die Brände verwandeln ihren Lebensraum vielerorts in einen Friedhof. Einen Notfallplan hat etwa der Jaguar-Park «Encontro das Águas» nicht, wie die Zeitung «Folha de S. Paulo» am Montag berichtete - und nur einen Mitarbeiter.

Freiwillige retten und versorgen überlebende Tiere. Es gibt dramatische Berichte von Freiwilligen, die versuchen, Feuer mit Wasser aus Schüsseln zu löschen. «Als die Region der «Transpantaneira» (eine Erdstraße, die durch das Pantanal führt) verbrannt ist, waren es mehrere Tage Feuer, Feuer, Feuer», erzählt Felipe Dias, Direktor der NGO «SOS Pantanal» in Campo Grande.

In dem Feuchtgebiet herrscht die größte Trockenheit in fast 50 Jahren, so dass ein Funke genügt, um einen höllischen Brand zu entfachen. «Die Brände sind eng verbunden mit neuen Fazenda-Eigentümern, die in der Gegend Weideland erschließen», sagt Silgueiro. Alleine in der Gemeinde Cáceres, wo es mit am meisten gebrannt hat, werden circa eine Million Rinder gehalten. Das Reinigen von Feldern mit Feuer - auch ein großer Risikofaktor - ist derzeit per Dekret verboten.

Forstingenieur Silgueiro sagt, nach den Daten seiner Organisation habe es in allen Gemeinden von Mato Grosso dieses Jahr bereits gebrannt. Die Rauchwolken von den Bränden zogen Tausende Kilometer durch Brasilien bis in die Metropolen Rio und São Paulo.

Doch die Antwort der brasilianischen Regierung ließ auf sich warten: Erst in der vergangenen Woche - also mehr als zwei Monate, nachdem die Brände im Pantanal begonnen hatten, sich unaufhaltsam auszubreiten - erklärte sie den Notstand für Mato Grosso do Sul und gab Geld für die Brandbekämpfung frei. Am Montag forderte Mato Grosso die Streitkräfte zum Kampf gegen die Flammen an.

Nach wie vor sieht die Regierung die Brände vor allem als Marketingproblem, viele Mitglieder stellen sogar den vom Menschen verursachten Klimawandel in Frage. Seit seinem Amtsantritt hat Präsident Bolsonaro die Umweltbehörden geschwächt, das Budget für 2021 wurde gekürzt. «Wir erleben das Chaos in der Umweltpolitik, die Vernachlässigung, dass es nicht gelingt, ein Problem wie dieses anzunehmen und zu lösen», kritisiert Silgueiro.

Bolsonaros Besuch in Mato Grosso am vergangenen Freitag diente - als er dann einmal gelandet war - übrigens nicht dazu, sich ein Bild von der Waldbrand-Lage vor Ort zu verschaffen oder gar Beistand zu leisten. Stattdessen wollte er eine Ethanol-Fabrik einweihen, Agrar-Produzenten treffen und Landtitel vergeben.
dpa
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Kommentare 
agricola pro agricolas schrieb am 22.09.2020 08:00 Uhrzustimmen(37281) widersprechen(5)
Unsere deutschen Verbraucher verurteilen das Verhalten von Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro auf das Schärfste, das aber ist an Scheinheiligkeit wohl kaum mehr zu übertreffen.
Wir deuten mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf WEN und vergessen dabei die restlichen 4 Finger komplett.

Wer hierzulande Sojabohnen erzeugt, wird bitterböse überrascht sein, was eben diese Produkte wert sind. Gekauft wird nach dem altbewährten Muster „in erster Linie muss es spottbillig sein und bleiben“. Die deutschen Bauern wissen den wahren Wert des heimischen Sojaanbaus durchaus zu schätzen, diese sind blut- und glyphosatfrei, an der Gosse angekommen, muss deren Erzeugerpreisniveau sich allerdings an Bolsonaros blutbefleckten Sojaprodukten, unter der durchgängigen Glyphosatdusche gewachsen, messen lassen.

Dem ausgebluteten Fleisch aus den heiligen Hallen unserer handverlesenen Milliardäre sieht man schließlich nicht mehr an, dass blutbeflecktes Soja ein wesentlicher Futterbestandteil war; insofern bleibt natürlich dieses Gewissen schneeweiß und absolut rein.

Vor dem Einkauf distanziert man sich natürlich(!) verschreckt abweisend angesichts solcher Missstände, beim Verlassen der Konsumtempel lässt der verstohlene Blick in die Einkaufswagen jedoch weitaus andere Erkenntnisse erstarken.

Insofern bietet der Online-Nahrungsmittelhandel, weg vom Präsenzhandel und der Anonymität der jeweiligen Kundschaft, wirkliche Chancen, mehr Transparenz in dieses Verbraucher-Einkaufsverhalten zu bringen: Bevor der Kauf mit Click bestätigt wird, fällt die Maske „mit Blutsoja gefüttert“, dem Einzelnen kann man damit unmissverständlich vor Augen führen, was den erheblichen Unterschied zwischen Wort und Taten ausmacht. Das NETZ jedenfalls vergisst nichts, Schluss mit dem Vorgaukeln von falschen Tatsachen, zum Wohle von Mensch, Tier und Natur.

Jeder Einzelne, der zu Protesten auf die Straßen zieht im Kampf für mehr Tierwohl sowie Umwelt- und Klimaschutz, muss sich zuerst an seinem „eigenen Gewissen“ messen lassen; die Abstandsregeln in Zeiten von COVID-19 werden sodann sicherlich problemlos einzuhalten sein...
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