Wäre das Klimaziel einer
Erderwärmung von nicht mehr als zwei Grad Celsius dann schon erfüllt?
Wenn Fatih Birol, Chefökonom der Internationalen Energieagentur (IEA), sein Szenario vorstellt, sieht der Kampf gegen die Menschheits-Geißel
Klimawandel beinahe aus wie ein Kinderspiel.
Derlei Reißbrett-Empfehlungen mögen etwas abgehoben wirken - viele Beobachter dürften sie auch für unrealistisch halten. Doch unmöglich ist es nicht. «Wir brauchen eine veränderte Investment-Landschaft», fordert Birol.
Es müsse nicht wesentlich mehr Geld ausgegeben werden, sondern das vorhandene Geld müsse anders ausgegeben werden. Bleibt die Welt auf dem bisher eingeschlagenen Pfad, wird sich dem Szenario zufolge das Weltklima um verheerende vier Grad Celsius aufheizen.
Die Investitionen müssten weg von den fossilen Energieträgern und hin zu den erneuerbaren Energien fließen. Mindestens 14 Billionen US-Dollar müssten in den nächsten 20 Jahren allein in die Energieeffizienz investiert werden - also in sparsamere Motoren, die Dämmung von Häusern und bessere Kraftwerke. In Europa floss bereits in den vergangenen Jahren der weitaus größte Teil der Energieinvestitionen in die Erneuerbaren.
Dass dies nicht noch viel stärker passiert, hängt vor allem an der Struktur der Gewinnmargen. Wie ernst manche Energieunternehmen in staatlicher wie in privater Hand den Klimawandel nehmen, lässt sich am Kohleverbrauch etwa in den USA ablesen. Er sank in den vergangenen Jahren bis 2012 stetig ab.
2013 legte er dagegen wieder deutlich zu, wie Birol vorrechnet. Der Gaspreis war gestiegen - und die Verbrennung der deutlich klimaschädlicheren Kohle die wesentlich günstigere und somit gewinnträchtigere Alternative. Zum Vergleich: Flüssiges Erdgas (LNG) kostet das 2,2-fache von Kohle.
Dennoch: Mit den USA versucht Präsident Barack
Obama gerade einen der weltweit größten Klimasünder auf den Pfad der Tugend zu führen. Der Anteil der Kohle an der Stromerzeugung soll deutlich reduziert werden. Und selbst in China tut sich etwas. «China wird in den nächsten Jahren der Meister der Erneuerbaren werden», glaubt Birol.
Die Investitionen in die Kraft von Wind, Wasser und Sonne werden den Berechnungen der Energieagentur zufolge im Reich der Mitte größer sein als in den USA, Europa und Japan zusammengenommen.
Unter diesem Gesichtspunkt sehen die Energiewächter, die weltweit Regierungen in Energiefragen befragen, auch die deutsche Politik ausgesprochen kritisch. Nicht nur die Rücknahme von Subventionen für erneuerbare Energien stoßen ihnen auf. «Die deutsche Energiewende hat eine grüne Hand - und viele Menschen vergessen, dass es auch eine schwarze Hand gibt», sagt IEA-Generaldirektorin Maria van der Hoeven.
So ist Deutschland noch immer der mit großem Abstand weltweit führende Produzent von Braunkohle, deren Verbrennung noch etwas klimaschädlicher ist als diejenige der Steinkohle. Die Stromerzeugung aus deutscher Braunkohle war im vergangenen Jahr so hoch wie seit dem Wendejahr 1990 nicht mehr.
«Die Stromkunden zahlen die Rechnung für die Energiewende», sagt van der Hoeven. Aber diese Rechnung geht in Sachen
Klimaschutz bisher nicht besonders gut auf. (dpa)