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16.05.2016 | 06:27 | Marketing 

Aldi Süd beschreitet neue Wege

München - Der Aldi-Süd-Kunde wird seinen Laden bald kaum wiedererkennen: Tageslicht und Holzverkleidungen sorgen für eine freundliche Atmosphäre.

Aldi-Süd
Die Bundesbürger kaufen wieder mehr im Supermarkt um die Ecke ein. Mit neuem Auftritt halten die Discounter dagegen. Aldi Süd baut jetzt alle Filialen um. Experten sehen eine Gratwanderung. (c) proplanta
Die Paletten sind verschwunden, aufgeräumt stehen die Waren in Regalen, der Obst- und Gemüsestand mit hellgrünen Lampen erinnert an einen Marktstand. Hinter der holzverkleideten Kasse warten Kaffeeautomat und Sitzbank. In drei Jahren soll jede Aldi-Süd-Filiale in Süd- und Westdeutschland so aussehen.

Billig allein reicht nicht mehr. «Für die Kunden sind neben dem Preis viele andere Faktoren wichtig geworden», sagt Geschäftsführerin Jeanette Thull am Mittwoch bei der Vorstellung der «Filiale der Zukunft» in Unterhaching bei München. Das Sortiment ist schon schrittweise verändert worden - jetzt bekommen alle Läden eine Schönheitskur verpasst. «Der Kunde sucht Ruhe, Entschleunigung, ein schönes Ambiente auch beim Discounter», sagt Thull. «Wichtig war, eine entspannte Atmosphäre zu erzeugen, wie es der Kunde vom Vollsortimenter kennt.»

Beim Einkauf von Lebensmitteln geben die Deutschen heute mehr Geld aus. Von Neujahr bis Ostern stiegen die Umsätze der Supermärkte um 3,8 Prozent - die Discounter legten nur um 2,9 Prozent zu. Immerhin sind sie damit wenigstens wieder «im grünen Bereich, wo vor zwölf Monaten noch ein rotes Minus stand», teilte der Markforscher GfK mit.

Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern bringt die Kundenwünsche auf den Punkt: «Billig, frisch, schnell.» Aber das ist noch nicht alles: «Die Masse der Kunden wird zunehmend anspruchsvoller und erwartet mehr», sagt Marketingexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU. «Allerdings sind nur die wenigsten bereit, hierfür mehr zu zahlen.»

Nirgendwo in Europa ist der Konkurrenzkampf auf dem Lebensmittelmarkt so hart, sind die Preise so niedrig wie in Deutschland. «Das liegt letztlich am enorm hohen Marktanteil der Discounter - rund 40 Prozent, das ist weltweit einmalig», erklärt Fassnacht. In Großbritannien oder den USA liege der Anteil der Discounter unter 10 Prozent. «Aldi und Lidl sind Effizienzmaschinen.»

Aber der Umsatzanteil der Billiganbieter ist in den vergangenen Jahren gesunken. Gewinner waren die Edekas und Rewes um die Ecke: Mit eigenen Billigmarken, mit 25.000 statt 1.200 Artikeln im Angebot und mehr Service legten die Supermärkte zu.

Inzwischen bieten die Discounter Frischfleisch, Fisch und backfrisches Brot aus dem Automaten. Aldi Süd erwirtschaftet mit Bio-Produkten schon 5 Prozent seines Umsatzes, wie Thull sagt. Von 1.200 Artikeln sind 100 vegetarisch oder vegan. Dazu kommen fast 100 Markenartikel, von Nivea-Creme und Pampers bis Coca Cola und Red Bull. Damit wollen die Discounter junge Kunden in die Läden locken und für Stammkunden den zusätzlichen Gang in den Supermarkt überflüssig machen.

In der «Filiale der Zukunft» leuchten LED-Strahler taghell, die Gänge sind breit. Neu sind auch ein eigenes Snackregal mit Sandwiches, Salaten und gekühlten Getränken sowie Kundentoiletten. Die von der Decke hängenden Preisplakate sind Vergangenheit. Die neuen Schilder sind am Regal befestigt und aus Papier, aber noch nicht elektronisch. Zu teuer, sagt Thull. Bezahlen kann der Kunde schnell im Vorbeigehen, kontaktlos mit Smartphone oder EC-Karte.

«Die Unterschiede zwischen Discounter und Supermarkt verschwimmen.», sagt Handelsverbandsmann Ohlmann. Aldi habe Nachholbedarf und passe sich den Trends an, meint auch GfK-Experte Wolfgang Adlwarth. Der Kunde wolle schnell und günstig einkaufen in einer angenehmen Atmosphäre: «Er will heute nicht mehr zwischen ollen Paletten runkrabbeln.» Aber es gibt Grenzen.

«Sie dürfen ihre DNA als Discounter nicht verlieren. Man kann sich auch zu chic machen», betont Marketingexperte Fassnacht die Eigenheiten der Discounter. Lidl spreche von der Optimierung des Einkaufserlebnisses und nähere sich schon zu sehr den Supermärkten an: «Damit riskieren sie ihren Markenkern», warnt Fassnacht. Wenn das weitergehe, «entfernen sie sich zu sehr von ihren Wurzeln». Denn: «Die Leute gehen zum Discounter, weil er in ihren Augen günstig ist.»

Marktführer Aldi Süd wagt die Gratwanderung. «Wir sind optisch näher an die Vollsortimenter gerückt», sagt Thull. «Aber wir sind nicht zu edel geworden, alles ist noch authentisch.» Die Waren im Regal stehen noch in Kartons, was Holz scheint, ist teilweise Kunststoff. Und die Preise würden nicht erhöht, betont Thull. Das Ziel bleibe «Qualität zum besten Preis - wir werden nur ein bisschen schöner.»

Die Inszenierung des Obst- und Gemüseangebots sei nicht vergleichbar mit der in einem Supermarkt, sagt Adlwarth. Aber die etwas gefälligere Präsentation hat sich in Testmärkten schon gelohnt: Beim Umsatz gebe es einen deutlichen Zuwachs, betont Aldi-Filialchef Lars Linschied.
dpa
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