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22.09.2015 | 00:04 | Schlachthofmitarbeiter 

Fleischkonzerne wollen Arbeitsbedingungen am Schlachthof verbessern

Berlin - Es ist nicht lange her, da schreckten Berichte über «Waldmenschen» die Öffentlichkeit auf.

Schlachthofmitarbeiter
An verstörenden Bildern von den Lebens- und Arbeitsbedingungen osteuropäischer Leiharbeiter auf deutschen Schlachthöfe mangelt es nicht. Die Fleischbranche verpflichtet sich nun zu besseren Arbeitsbedingungen - vorerst nur freiwillig und auf dem Papier.
Über Menschen überwiegend aus Osteuropa also, die auf Schlachthöfen für Dumpinglöhne arbeiten und im Wald hausen. Mitten in Deutschland. Oder über «Eimermenschen» in der Fleischbranche, die als Leiharbeiter ihr Hab und Gut in einem Eimer verstauen.

Über die Ausbeutung von Billigkräften auf Schlachthöfen, über Menschenhandel, teils mafiöse Strukturen von Subunternehmen wurden schon ganze Romane geschrieben. Um das Image der Fleischbranche - die umsatzstärkste und beschäftigungsintensivste der bedeutenden deutschen Lebensmittelindustrie - ist es schlecht bestellt. Getrieben auch vom Verbraucher, der es immer billiger haben will.

Tausende Menschen arbeiten bisher für Subunternehmen aus Ost- und Südosteuropa, die Angestellte per Werkvertrag in deutsche Schlachthöfe schicken. Nach den Skandalen gibt es Gründe genug, dass jetzt sechs Branchengrößen in einer Selbstverpflichtung dem Sozialdumping den Kampf ansagen. Auf klare Zielgrößen und Quoten wollen sich die sechs Konzerne nicht festlegen. So bleibt es bei Zusagen vorerst auf dem Papier - aber 60 Prozent der Branche würden mit der Selbstverpflichtung erfasst. Andere Unternehmen könnten folgen. Werkvertrags-Arbeiter und ihre Familien, auf die die Branche dringend angewiesen ist, können zumindest hoffen.

Die Fleischwirtschaft soll als Arbeitgeber sowie für die beschäftigten Arbeitnehmer in Deutschland «attraktiv und zukunftssicher weiterentwickelt werden», geben die Manager in ihrer Selbstverpflichtung als Ziel aus. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sagt es so: Alle Menschen, die in Deutschland arbeiten, sollen schrittweise die gleichen Bedingungen haben.

Der Sozialdemokrat selbst räumt ein, dass Selbstverpflichtungen hierzulande ein wenig in Verruf geraten seien. Nicht zuletzt, weil sich nach vollmundigen Versprechen anschließend kaum jemand darum kümmerte, die freiwilligen Regeln auch zu prüfen. Und die Politik ist oft froh, mit solchen Zusagen überhaupt etwas in der Hand zu haben. Gabriel ist fest entschlossen, die Zusagen zu überprüfen - «mit Argusaugen», wie er in Richtung der anwesenden Top-Manager sagt.

Der Vize-Kanzler räumt auch mit einem anderen Verdacht auf. Nämlich mit der Vermutung, dass das umstrittene Koalitions-Thema «Regulierung von Werkverträgen sowie von Leih- und Zeitarbeit» mit dieser Selbstverpflichtung vom Tisch sei. Dies sei kein «Ersatz für gesetzgeberische Aktivitäten», stellt der SPD-Chef klar. Bisher tun sich Union und SPD hier schwer. Auch der Vize-Chef der Gewerkschaft NGG, Claus-Harald Güster, betont, nötig seien belastbare gesetzliche Regelungen zur Verhinderung des Missbrauchs.

Etwa 170.000 Menschen sind in der Fleischbranche tätig, davon schätzungsweise bis zu 20.000 in Schlachthöfen. Immerhin: Seit August 2014 gilt ein Branchenmindestlohn für alle in der deutschen Fleischwirtschaft beschäftigten Menschen. Zunächst 7,75 Euro pro Stunde, ab 1. Dezember 2016 bis zu 8,75 Euro. Davor wurden Löhne teils unter fünf Euro die Stunde gezahlt. Die Gewerkschaft NGG jubelte seinerzeit zwar, blieb aber skeptisch: Die Arbeitgeber müssten noch beweisen, dass sie das «Image als Ausbeuterbranche ernsthaft abstreifen wollen». 

Schon vor Inkrafttreten des Mindestlohns hatte die NGG Hinweise darauf, dass Unternehmen nach Wegen suchten, die Lohnuntergrenze zu umgehen. So würden Kosten für Unterkünfte oder für die Fahrt zum Werk vom Lohn abgezogen, berichten Gewerkschafter. Teils würden die Ausgaben für Handwerksgeräte wie Schlachtemesser in Rechnung gestellt. Mindestlohn-Verstöße würden vom Gesetzgeber geahndet, heißt es. Das sei nicht Sache der Selbstverpflichtung.

Dass es für Verbraucher teurer werden könnte wegen der Zusagen, sieht Gabriel nicht. «Das kostet Geld, keine Frage», räumt er ein. Aber angesichts des Wettbewerbs sei das sicher nicht zu befürchten: «Das, glaub' ich, ist nicht die Sorge.» (dpa)
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