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09.07.2017 | 10:09 | Deutschlands Handelsketten 
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Gutes Gewissen beim Einkauf - Tierschutz gewinnt an Bedeutung

Düsseldorf / Großenkneten - Der Umgang mit Schweinen, Hühnern und Rindern in manchen Mastbetrieben verdirbt vielen Verbrauchern den Appetit.

Kükentöten beenden
Deutschlands Handelsketten haben ihre Einkaufsmacht schon öfter genutzt, um den Tierschutz voranzutreiben. Um das millionenfache Töten von männlichen Küken zu beenden, wagt sich der Handelsriese Rewe auf völlig neues Terrain. (c) proplanta
Egal ob es um das Schnabelkürzen bei Hühnern, die Kastration ohne Betäubung bei Schweinen oder die Tötung von jährlich rund 45 Millionen männlichen Küken am ersten Lebenstag geht - verbreitete Praktiken der Agrarindustrie stoßen auf Empörung. Das spüren auch die deutschen Lebensmittelhändler. Und sie versuchen Abhilfe zu schaffen. Es ist geradezu ein Wettlauf ums gute Gewissen entbrannt.  

Der jüngste Vorstoß kommt dabei von Deutschlands zweitgrößtem Lebensmittelhändler Rewe. Der Handelsriese hat sich auf ein für ihn völlig neues Terrain vorgewagt und zusammen mit holländischen Bruttechnik-Experten ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Dessen einziges Ziel ist es, eine von der Universität Leipzig entwickelte Grundlagen-Technologie zur Praxisreife zu entwickeln, die der millionenfachen Tötung gerade geschlüpfter männlicher Küken ein Ende machen soll.

«Unser Anspruch ist es, grundsätzlich das Kükentöten zu eliminieren», sagt Ludger Breloh, Bereichsleiter Strategie und Innovation im Agrarsektor von Rewe. Der Hintergrund: Pro Jahr werden rund 45 Millionen männliche Küken der Legehennenrassen unmittelbar nach dem Schlüpfen getötet, da sie keine Eier legen und es unwirtschaftlich wäre, sie zu mästen.

Eine neue Technik soll dem nun ein Ende machen. Dabei soll das Geschlecht der künftigen Küken bereits vor dem Ausschlüpfen noch im Ei bestimmt werden. Fertig ausgebrütet würden dann nur noch die Eier, aus denen Hennen schlüpfen. Die übrigen Eier würden zu Tierfutter verarbeitet - zu einem Zeitpunkt, an dem die Hühnerembryos laut Breloh noch kein Schmerzempfinden haben. Der Manager hofft, dass die neue Technik in ein bis zwei Jahren serienreif sein wird.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt besichtigte am Donnerstag die Anlage in einer Brüterei im niedersächsischen Großenkneten. «Was wir heute sehen, ist der Einstieg in den Ausstieg aus der Praxis des Tötens männlicher Eintagsküken», sagte der CSU-Politiker.

Es ist nicht das erste Mal, dass einer der Handelsriesen versucht, Auswüchsen der Massentierhaltung Grenzen zu setzen. Schon vor Jahren verbannten die Discounter Aldi und Lidl die Käfigeier aus ihren Regalen und läuteten damit das Ende zumindest dieser besonders qualvollen Art der Hühnerhaltung ein.

Auch im Kampf gegen das betäubungslose Kastrieren von Schweinen waren Supermärkte und Discounter deutlich schneller als der Gesetzgeber, der ein Verbot dieser Praxis erst ab 2019 vorsieht. Und bei der Beendigung des Schnabelkürzens bei Legehennen drücken Aldi, Lidl, Rewe und Co. gleichfalls aufs Tempo.

Wie beim Preis herrscht längst auch beim Thema Nachhaltigkeit und Tierschutz eine regelrechter Wettbewerb zwischen den Ketten. «Wenn einer einen weiteren Schritt macht, dann wird das sehr schnell von allen anderen Handelsunternehmen nachgemacht», meint Breloh.

Breloh betonte aber auch, dass der Branche die Möglichkeit gegeben werden müsse, das neue System schrittweise einzuführen. Obwohl das Schreddern von Eintagesküken laut Tierschutzgesetz in Deutschland verboten sei, werde es mangels Alternativen von den Gerichten noch toleriert. Wenn wegen der neuen Technik das Kükentöten mit einem Schlag verboten werde, drohe die Abwanderung der deutschen Brütereien ins Ausland. «Bei uns ist das Töten von Küken ohne Grund verboten - in Holland ist es das nicht», sagte er.

Für Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU ist das Engagement der Händler auch eine Antwort auf veränderte Kundenerwartungen: «Von Einzelhändlern wird heute viel mehr verlangt, als nur gute Ware zu einem günstigen Preis. Die Käufer erwarten, dass die Unternehmen auch bei gesellschaftlichen Themen und in Umweltfragen Flagge zeigen. Dem müssen Firmen wie Aldi, Lidl oder Rewe Rechnung tragen», meint er.

Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, findet durchaus lobende Worte für die Initiativen der Handelsketten. «Es ist gut, wenn der Handel Verantwortung übernimmt», meint er. Schließlich spiele er mit seiner Einkaufspolitik eine Schlüsselrolle beim Thema Tierschutz.

Doch das heißt nicht, dass der Tierschutzpräsident wirklich zufrieden ist. Im Gegenteil: «Die Einkaufspolitik des Handels ist immer noch viel zu sehr geprägt von Billigeinkauf und Preiskampf - und viel zu wenig auf mehr Tierwohl ausgerichtet», beklagt er.

Solange weiterhin massiv für Billigfleisch geworben werde, wirkten die Bemühungen der Händler scheinheilig. Denn niedrige Preise für Landwirte verhinderten bessere Haltungsbedingungen.
dpa
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Kommentare 
BauerBernhard schrieb am 11.07.2017 18:34 Uhrzustimmen(19) widersprechen(18)
Ist die Verbraucher-Subvention für Fleisch noch zeitgemäß?

Bekanntlich wird Fleisch wie auch andere Lebensmittel nicht mit 19%, sondern mit nur 7% Mehrwertsteuer belegt. Da die Lebensmittelkosten in den letzten Jahrzehnten für die Verbraucher einen immer geringer werdenden Anteil an den gesamten Lebenshaltungskosten ausmachen und das Wort "Billigfleisch" die Runde macht, stellt sich die Frage, ob diese Form der Subvention noch zeitgemäß ist.
Der Ruf nach mehr Wohl der Tiere wird immer lauter, dabei sind die Tierhalter bereit, mehr für die Tiere zu tun und zu investieren, wenn es denn bezahlt wird.
Da erscheint es doch nahe liegend, einen Teil dieser Subvention dafür zu verwenden, dass es den Tieren in den Ställen noch besser geht. Obwohl in den deutschen Ställen schon ein höherer Standard als in den meisten umliegenden Ländern vorhanden ist, sollte der Ruf der Verbraucher nicht überhört werden.
Die "Initiative Tierwohl" ist dabei ein guter Ansatz, doch leider können hier wegen der Kosten nicht alle Tierhalter und auch nicht alle Handelsketten mitmachen.
Wenn es der Politik ernst ist mit der Unterstützung des Tierwohls, so ist es nicht mit der Einführung eines neuen staatlichen Labels getan, sondern es müssen Gelder fließen dahin, wo es den Tieren direkt zugute kommt.
Eine Abgabe von nur zwei bis drei Prozent auf alles verkaufte Fleisch könnte hier sehr viel bewirken, wenn dieses Geld direkt beim Tierhalter oder Landwirt für nachgewiesene Verbesserungen zum Wohl der Tiere an käme!
Klaus schrieb am 10.07.2017 19:10 Uhrzustimmen(19) widersprechen(23)
Fleisch, Eier und Milch sind der Krankmacher Nummer eins unserer verfetteten Gesellschaft. Und dass der Tier"schutz"bund lobende Worte dafür findet, dass die Legehennen nach einem Jahr quälerischen Eierlegens weiterhin wie Abfall entsorgt und umgebracht werden dürfen, weil sie nicht mehr "rentabel" sind und nur die Bruderküken nicht mehr geschreddert werden, ist ein Skandal, Herr Schröder! Jeder Konsum von Tierprodukten bedeutet immenses Tierleid, selbst wenn es mit einem Bio-Siegel gehübscht wird.
cource schrieb am 09.07.2017 10:09 Uhrzustimmen(24) widersprechen(16)
das ist doch nur eine nebelkerze für den unbedarften konsumtrottel/schinder, der glaubt, wenn das nutzvieh artgerecht gehalten wird, kann er bedenkenlos ohne jegliche konsequenz alles fleisch einwerfen, weit gefehlt spätestens mit 50ig wird er unter allen erdenklichen ernährungsbedingten krankheiten leiden/dahinsiechen---selber schuld
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