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16.03.2013 | 08:04 | Lebensmittel-Skandale 

Lebensmittelhändler kämpfen um Verbrauchervertrauen

Köln - «Jeden Tag ein bisschen besser.» Jahrelang warb der zweitgrößte Lebensmittelhändler in Deutschland, die Rewe, mit diesem Werbespruch um die Gunst der Konsumenten.

Lebensmittelsicherheit
(c) proplanta
Das vor etwa einem halben Jahr von einer neuen Kampagne abgelöste Firmenmotto ist eigentlich aktueller denn je. Nach dem Pferdefleisch-Funden in Fertigerichten und Zweifel am Bio-Status von Eiern stehen große Lebensmittelhändler vor der Herausforderung, verloren gegangenes Verbrauchervertrauen zurückzugewinnen. Während die Bilder von den gestoppten Artikeln im Internet verschwinden, stehen Veränderungen im Laden erst am Anfang.

Beispiel Rewe: Die Kölner Handelsgruppe will mit Rindfleisch aus Deutschland in den Fertiggerichten ihrer Eigenmarken wie «Rewe», «Ja» und «Penny» die Hürden für Betrüger jetzt noch höher legen. In den kommenden Monaten werden rund 50 Fertiggerichte auf ausschließlich deutsches Rindfleisch umgestellt, weil die Nachverfolgbarkeit und Sicherheit nach Rewe-Auffassung dadurch besser ist. Bislang hatten die Hersteller der Fertiggerichte keine Vorgaben von Rewe, welches Rindfleisch verwendet werden soll. Die Umstellung startet mit zwei Artikeln, die Rewe vor Wochen aus dem Verkauf genommen hatte.

Die Pferdefleisch-Funde in Fertiggerichten wie Tiefkühl-Lasagne schlagen so manchen Kunden auf den Magen. Jeder dritte Verbraucher will künftig auf den Kauf fleischhaltiger Fertiggerichte verzichten, wie eine GfK-Umfrage Ende Februar ergab. Beobachter vermuten, dass die Nachfrage nach fleischhaltigen Fertiggerichten rings um Tiefkühl- Lasagne im vergangenen Monat bundesweit einbrach. Die GfK wertet zwar die Verbraucherdaten für Februar noch aus. Die Rewe-Vorstände Manfred Esser und Jan Kunath können das für einzelne Fertiggerichte aber bestätigen. Sogar Gemüse-Lasagne, die als eine Alternative stärker gefragt sein müsste, blieb links liegen, schildert Penny-Chef Kunath.

Der Pferdefleisch-Skandal kostet nicht nur Vertrauen, sondern auch Geld und Managementkapazitäten, die aber kein Handelsriese bislang beziffert. Mehrere große Lebensmittelhändler kündigten als Reaktion auf Pferdefleisch-Funde verschärfte Kontrollen an. So hat der Edeka- Verbund die DNA-Tests bei Fleischprodukten auf Pferd erweitert. Lidl fordert von Herstellern, ihre Produkte systematisch auf Pferde-DNA zu prüfen. Rewe-Vorstand Esser beziffert den Umfang der Eigenkontrollen in der Branche bereits jetzt auf insgesamt 2,5 Millionen im Jahr.

Der Lebensmittelhandel ist wie kaum eine andere Branche auf Vertrauen angewiesen. «Die Eigenkontrollen des Handels sind von hoher Qualität und Sicherheit. Wir überprüfen aber derzeit, wie wir Betrügern und Kriminellen das Leben noch schwerer machen können», erklärte in dieser Woche Franz-Martin Rausch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels (BVL). Auf dem Prüfstand stünden dabei die Qualitätsprozesse, insbesondere die Ausweitung der Analytik auf weitere Prüfparameter. Außerdem geht es um eine bessere Zusammenarbeit mit den Behörden bei Verdachtsfällen.

Verbraucherschützer, die verstärkte Eigenkontrollen des Handels einfordern, reichen die bisherigen Ankündigungen allerdings noch nicht aus. «Wichtig ist auch, dass der Verbraucher Transparenz auf dem Etikett vorfindet», sagt Lebensmittel-Experte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Bei Fertiggerichten sollte die Herkunft der Hauptzutaten auf dem Produkt erkennbar sein. Und das gelte nicht nur für Fleisch. Auch bei Eiern sei Transparenz auf der Verpackung gefragt. «Verbraucher, die frische Eier aus Kleingruppenkäfigen ablehnen, wollen diese auch nicht in Fertiglebensmitteln», meint er.

Drastische Veränderungen bei den Essgewohnheiten erwarten Experten nicht. Dass jeder Dritte auf fleischhaltige Fertiggerichte verzichten will, ist nach Einschätzung von Konsumpsychologe Stephan Grünewald vom Institut Rheingold als Drohgebärde an die Industrie zu verstehen. Motto: «Ich kündige euch jetzt offiziell die Gefolgschaft, damit ihr euch endlich auf die Hinterbeine setzt und die Qualität garantiert.» Wenn Ekel oder Irritation abklingen, kehre der gewohnte Trott zurück.

GfK-Konsumforscher Wolfgang Adlwarth sieht das ähnlich. Nach acht bis zehn Wochen kehrten Verbraucher erfahrungsgemäß zu ihren alten Kaufgewohnheiten zurück. Das habe auch die EHEC-Krise 2011 gezeigt, die mit 40 Todesopfern durch den Darmkeim eine ganz andere Dimension darstellte. Regionale Produkte lägen ohnehin im Trend. Und Käufer von Bio-Produkten ließen sich von Betrugsfällen nicht abschrecken.

Ist der Kunde letztlich selbst schuld an den Skandalen, weil er billig einkaufen will? Auf diese Frage hatte Rewe-Aufsichtsratschef Heinz-Bert Zander in dieser Woche eine klare Antwort: «Der Kunde ist nicht schuld.» Natürlich gebe es Qualitätsunterschiede und niemand dürfe erwarten, dass er für den billigsten Preis die beste Qualität bekomme. Andererseits müsse aber auch Billigware in Ordnung sein. (dpa)
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