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27.09.2012 | 11:03 | Energiewirtschaft 

Strombranche befürchtet Jobabbau

Essen - Ein Job bei RWE galt in den goldenen Achtzigern als gut bezahlte Lebensstellung.

Strombranche
(c) proplanta
«Ruhe, Wärme und Erholung», übersetzten Spaßvögel am Stammtisch das Kürzel des Essener Stromkonzerns.

Solche Zeiten sind in der Branche schon lange Vergangenheit. Personalveränderungen liefen bisher aber stets sozialverträglich ab. Milliardenkosten für den abrupten Atomausstieg, der gesunkene Strompreis und hohe Anfangsinvestitionen für erneuerbare Energien haben nun für Schärfe in den Sparprogrammen gesorgt.

Die Gewerkschaft Verdi warnte vergangene Woche vor weiterem Personalabbau über die bereits bekannten Zahlen hinaus.

Beim Düsseldorfer Energieriesen Eon gebe es Vorstöße zur Verringerung von Tarifen bei Servicetöchtern um 30 bis 40 Prozent und Pläne zur «unfreundlichen Auslagerung» ganzer Einheiten wie des Rechnungswesens nach Rumänien.

«Das haben wir in der Härte und Brutalität noch nie gehabt», sagte der nordrhein-westfälische Energieexperte der Gewerkschaft, Hans-Peter Lafos.

RWE-Chef Peter Terium - in der Sache keineswegs weniger entschlossen als sein Düsseldorfer Eon-Kollege Johannes Teyssen - bemühte sich für sein Unternehmen immerhin um einen moderaten Ton: «Sozialverträglich heißt für mich nicht, dass wir versuchen, Leute mit Versetzungsangeboten zu frustrieren, sie nach Ost-Europa zu schicken in der Hoffnung, dass sie von selbst kündigen», sagte Terium in einem Gespräch mit Betriebsräten.

Die Hintergründe des Sparkurses: Die vier Großen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall verlieren Milliarden durch die beschleunigte Stilllegung ihrer gewinnträchtigen Atommeiler.

Eon, der größte der vier, rutschte 2011 vor allem auch wegen ungünstiger Gaslieferverträge mit Gazprom sogar erstmals in seiner Geschichte in die roten Zahlen. Schwer tut sich auch der stark von der Atomkraft dominierte EnBW-Konzern.

Ab 2013 muss die Branche ihre CO2-Abgaben komplett selbst tragen - das bedeutet weitere Zusatzbelastungen in dreistelliger Millionenhöhe, und der Strompreis an der Börse ist so weit gefallen, dass ältere Kohlekraftwerke etwa im rheinische Braunkohlerevier praktisch keine Gewinne mehr liefern.

Lang laufende Beschäftigungsgarantien - bei RWE über mehr als zehn Jahre - haben eine rechtzeitige Anpassung des Personals zusätzlich erschwert, sagt der Energieexperte der Macquarie-Bank, Matthias Heck.

Eine Verlängerung der Garantie um weitere zehn Jahre, wie von Verdi in den aktuellen Verhandlungen gewünscht, lehnt das Arbeitgeberlager als «nicht von dieser Welt» ab.

Dabei ist die Branche mit den von Verdi prognostizierten Kürzungen um rund 20.000 Stellen in den nächsten Jahren keineswegs über den Berg. Die Zahl umfasst nach Einschätzung von Heck vor allem die Planungen der vier großen Stromkonzerne.

«Viele Stadtwerke, vor allem große, hinken hinterher.» Dort liege teilweise noch ein hohes Sparpotenzial. «Ich halte eine zweite Abbauwelle bei Stadtwerken für gut möglich.»

Rund 270.000 Menschen arbeiten laut Verdi derzeit noch in der deutschen Energiewirtschaft. Seit der Liberalisierung der Energiemärkte 1998 sind damit nach der Berechnung der Gewerkschaft bereits 100.000 Arbeitsplätze verloren gegangen.

Die Gewerkschaft forderte eine Qualifikationsoffensive statt Stellenkürzungen. Die Beschäftigten müssten etwa für die künftigen dezentralen Kraftwerke geschult werden und sich zusätzliche IT-Kenntnisse für die Steuerung intelligenter Netze aneignen.

Auch bei der Energieberatung für Windkraft und Photovoltaik biete die Energiewende große Chancen für mehr Beschäftigung.

Jobchancen für die Energiewirtschaft durch das Zusammenwachsen mit IT und Beratung sehen viele Fachleute. Vorher müsse die Energie aber bei Kundennähe und Serviceorientierung erst noch kräftig aufholen, sagt ein Analyst, der mit Rücksicht auf die Kundschaft seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will.

«Rufen Sie mal Freitagnachmittag bei einem Energieunternehmen an, dann wissen Sie, was ich meine.» (dpa)
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