Mal ein Bier oder ein Glas Rotwein, was macht das schon - das dürften viele denken. Aber die Grenzen zum gesundheitlich bedenklichen Konsum sind schnell erreicht. Eine Gefahr sieht die KKH Kaufmännische Krankenkasse in der Corona-Krise. Und in der Weihnachtszeit. (c) proplanta
Im vergangenen Jahr seien dem Land um 47,7 Prozent mehr Menschen wegen Abhängigkeit, Entzugserscheinungen, eines akuten Rausches oder psychischer Probleme wegen Alkohol behandelt worden als zehn Jahre zuvor, teilte die KKH Kaufmännische Krankenkasse am Mittwoch in Hannover mit. Den größten Anstieg bei den sogenannten Rauschtrinkern registrierte die Krankenkasse in dem Zeitraum mit 68,2 Prozent in Sachsen-Anhalt, das geringste Plus von 18 Prozent in Hamburg.
Bundesweit liegt der Anstieg bei durchschnittlich rund 37 Prozent.
Basis der Untersuchung sind den Angaben zufolge die anonymisierten Daten von rund 1,7 Millionen KKH-Versicherten. In ganz Deutschland wurde demnach zuletzt rund 28.000 KKH-Versicherten ein exzessiver Alkoholkonsum bescheinigt - hochgerechnet auf die gesamte Bevölkerung sind das 1,3 Millionen Menschen. In Niedersachsen dürften damit etwa 136.000 Frauen und Männer betroffen sein. Die Dunkelziffer liegt laut KKH allerdings weitaus höher, denn die Krankenkassendaten erfassen nur ärztlich diagnostizierte Fälle.
In der Corona-Krise habe sich die Lage noch einmal zugespitzt, warnte die Krankenkasse. Eine von der KKH beauftragte Forsa-Umfrage habe bereits gezeigt, dass fast ein Viertel der regelmäßigen Alkoholkonsumenten seit der Pandemie häufiger zur Flasche greift. Auch in der Weihnachtszeit und zu Silvester steige der Alkoholkonsum für gewöhnlich an. Ex-Süchtige hätten zudem ein größeres Risiko von Rückfällen in der Weihnachtszeit, aber auch in Krisenzeiten.
Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung seien für gesunde Frauen bereits mehr als 0,3 Liter Bier und für gesunde Männer mehr als 0,6 Liter Bier pro Tag gesundheitlich riskant, warnte die Krankenkasse. Gesundheitsschädlicher Alkoholkonsum gelte als Mitverursacher von Krankheiten wie Bluthochdruck, Leberzirrhose und Krebs. Das Robert Koch-Institut spreche von Rauschtrinken, wenn Betroffene mindestens einmal im Monat sechs oder mehr alkoholische Getränke etwa bei einer Feier konsumieren.
Laut Suchthilfestatistik der niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen suchten im vergangenen Jahr rund 50.000 Menschen in den Beratungsstellen im Land Rat und Hilfe. Mehrheitlich wurden Männer beraten, ihr Anteil lag bei 69 Prozent. Ursache war vor allem die Abhängigkeit von Alkohol (47 Prozent), gefolgt von Cannabinoiden (19 Prozent), Opioiden (15 Prozent) und Glücksspiel (6 Prozent). Die Zahl der Ratsuchenden in den Beratungsstellen sei im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.