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31.05.2011 | 08:16 | EHEC-Krise 

Krise statt Entwarnung: Noch immer ist EHEC bundesweit auf dem Vormarsch

Berlin - Die EHEC-Seuche wird sich nach Einschätzung von Experten in Deutschland noch stärker ausbreiten. Dabei sei auch mit weiteren Todesopfern zu rechnen, sagten Experten nach einem Spitzentreffen von Bund, Ländern und Behörden am Montag in Berlin.

EHEC-Bakterien
EHEC-Bakterien (c) Niedersächsisches Gesundheitsamt
Bislang zählten die Behörden mindestens 14 Todesfälle; erstmals starben jetzt auch Erkrankte außerhalb Norddeutschlands an dem aggressiven Durchfallerreger. Aus Nordrhein-Westfalen wurden am Montag gleich zwei Todesfälle gemeldet. Mindestens drei US-Bürger, die sich zuvor in Deutschland aufgehalten hatten, sind nach Angaben der EU-Kommission ebenfalls an EHEC erkrankt.

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zeigte sich nach dem Spitzentreffen in Berlin besorgt: «Ergebnis ist, dass leider weiter mit einer steigenden Fallzahl zu rechnen ist.» Es gebe Anzeichen, dass die Infektionsquelle weiter aktiv sei, sagte Bahr. «Es sind auch keine weiteren Todesfälle auszuschließen, sondern eher wahrscheinlich», ergänzte der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Reinhard Burger. Mittlerweile gebe es 353 bestätigte Fälle mit der schweren EHEC-Komplikation HUS (hämolytisch-urämisches Syndrom).

In nordrhein-westfälischen Bad Lippspringe starb eine 91-jährige Frau an den Folgen der gefährlichen Durchfallinfektion, im Kreis Gütersloh eine 40- bis 50-jährige Frau. Auch Mecklenburg-Vorpommern meldete die erste EHEC-Tote: Im Landkreis Parchim erlag eine 87-Jährige der Infektion. In Schleswig-Holstein starb ein 75-jähriger Mann. In 12 der 14 bundesweit registrierten Todesfälle handelt es sich um Frauen.

Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) betonte: «EHEC hat längst eine europäische Dimension.» Sie verteidigte die Gemüsewarnung. Zum Schutz der Verbraucher sei es richtig gewesen, frühzeitig Verzehrhinweise zu geben. Auf die Frage, ob der Bund den Landwirten finanziell helfen werde, erklärte Bahr dem «Mindener Tageblatt» (Montag). Aigner sei mit den betroffenen Verbänden und der Ernährungsindustrie im Gespräch, «um einen guten Umgang mit diesem Problem zu finden».

Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) zeigte sich nach dem Spitzentreffen vorsichtig optimistisch mit Blick auf die EHEC-Welle. In der Hansestadt habe es zuletzt nur ein Viertel der Neufälle im Vergleich zu den vergangenen Tagen gegeben. «Es gibt eine gewisse Hoffnung.» Burger wollte sich dem nicht anschließen: Da es insgesamt kein nennenswertes Absinken der Fallzahlen gegeben habe, sei nicht davon auszugehen, dass die kontaminierten Lebensmittel verderblich waren und schon aufgegessen seien. Mit Blick auf die Versorgung der EHEC-Patienten versicherte Bahr: «Wir haben eine angespannte Situation, aber sie ist zu bewältigen.»

Die Welle von EHEC-Infektionen ist in Deutschland indes noch nicht gestoppt. Die Zahl der bestätigten Infektionen und Verdachtsfälle nahm auch am Montag bundesweit auf mehr als 1.400 zu. Einen Tag zuvor waren es mehr als 1.200. Mittlerweile gebe es 353 bestätigte Fälle mit der schweren EHEC-Komplikation HUS (hämolytisch-urämisches Syndrom)

Der gefährliche Keim breitet sich auch außerhalb Deutschlands weiter aus. In Schweden hat es nach Angaben der EU-Kommission bisher 30 nachgewiesene EHEC-Fälle gegeben, bei 13 davon handele es sich um schwererkrankte HUS-Patienten. Auch in Dänemark, Großbritannien, Österreich und die Niederlanden seien Menschen an EHEC erkrankt, einige von ihnen schwer. Frankreich hat nach Medieninformationen 3 Verdachtsfälle.

Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) meldete erste Erfolge bei der Behandlung von HUS-Patienten mit einem neuen Mittel: Der Antikörper Eculizumab werde bei Patienten mit schwerem EHEC-Verlauf eingesetzt, erläuterte Prof. Hermann Haller, Direktor der MHH-Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen. Es sei bereits ein Erfolg der am vergangenen Mittwoch begonnenen Therapie sichtbar. «Es nützt etwas, allerdings ist es kein Wundermittel», betonte der Arzt.

Am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) ist die Antikörper-Therapie bisher bei elf Patienten eingesetzt worden, wie der Nierenspezialist Prof. Rolf Stahl berichtete. Wie erfolgreich dieser «Rettungsversuch» sei, werde sich aber erst in drei bis vier Wochen zeigen. Sorge bereiten den Hamburger Ärzten vor allem die Probleme mit dem Nervensystem, die viele HUS-Erkrankte bekommen. Bei den schwer erkrankten Patienten gebe es «zunehmend mehr neurologische Ausfälle», erklärte der UKE-Neurologe Prof. Christian Gerloff. Es gebe Unruhezustände, aber auch Sprachstörungen - ähnlich wie bei einem Schlaganfall - oder Zuckungen bis hin zu epileptischen Anfällen.

Patienten, die lebensbedrohlich EHEC erkrankt sind, benötigen gewaltige Mengen an Blutplasma, wie das Deutsche Rote Kreuz erläuterte. «Der Patient braucht vier bis fünf Tage lang jeweils bis zu zehn Liter täglich», sagte der Sprecher der DRK-Blutspendedienste, Friedrich-Ernst Düppe, der dpa. Das Deutsche Rote Kreuz verfüge noch über genügend Plasma-Konserven. «Es gibt aber einige Kliniken, die von Engpässen berichten und zu verstärktem Blutspenden aufrufen.»

Unterdessen hat die EHEC-Seuche die Landwirtschaft empfindlich getroffen und einen Millionenschaden angerichtet. Sowohl in Deutschland als auch im europäischen Ausland bleiben Bauern auf Ware sitzen und klagen über kräftige Einnahmeausfälle. Wegen fehlender deutscher Nachfrage ist der Gemüse-Export aus den Niederlanden ins Nachbarland fast zum Erliegen gekommen. Spanien will die EU um Hilfen für seine Bauern bitten und prüft auch Schadenersatzforderungen gegen Deutschland. Denn spanische Bauern sehen sich vorschnell als Quelle für den Erreger an den Pranger gestellt. Russland verbot die Einfuhr von Gemüse aus Deutschland und Spanien. (dpa)
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